wollen gütigst die Freyheit des Unterzeichneten entschuldigen, der es wagt in gradester Beziehung über einige Punkte der Farbenlehre, bey dem Meister selbst anzufragen obgleich er über die Veranlassung dieser Keckheit, so wie über seine eigne Person nur dies anzuführen im Stande ist, daß er seit einigen Jahren bei dem Landgerichte seiner Vaterstadt Jever als Secretair fungirt u((nd)) dabey nach Zeit u((nd)) Umständen so viel an ihm ist, seine vorwaltende Neigung zur Philosophie u((nd)) Naturwissenschaft sowohl bey sich fortzuleiten als auch auf Andere zu übertragen bemüht geblieben ist u((nd)) so auch das Vergnügen gehabt hat, in der hiesigen kleinen gelehrten Welt zur Entstehung eines physical((ischen)) Circels mitwirken zu können, in welchem er mit vielem Interesse nach Ew. Excellenz vortrefflicher Darstellung die Farbenlehre experimentirend vorzutragen sich noch fortwährend bemüht u((nd)) sich hiebey gerne der angenehmen Studien erinnert, die er zunächst in Heidelberg, unter ungünstiger Beurtheilung der dortigen Herren, dann aber in Berlin als Hegels Schüler dem inneren Sinne nach gestärkt u((nd)) aufgemuntert durch das von Ew. Excellenz mit veranlaßte chromatische Cabinet, für sich betrieben, erinnern mag.
Da auch in meiner Vaterstadt Ew. Excellenz reine naturgemäße Darstellung der Elemente der Entstehung der Farben, fast ganz unbekannt war, so würde ich es ihr zum Vorwurfe machen, wenn nicht dieser Vorwurf ganz Deutschland treffen müßte u((nd)) nicht erst in der That die "nachwachsenden Geschlechter" anerkennend aufgetreten wären. Allein eben darin liegt wohl der geheime Fingerzeig um die, man kann sagen schmähliche Hartnäckigkeit einigermaßen begreiflich zu finden; denn nicht das Phänomen ist es, das man verschmäht, nicht die Beobachtung, die man verwirft, sondern der Sinn, die Be-[34]deutung; die Kategorie, die nicht bloß die frühere Farbenlehre in das Gebiet der Antiquität zurückweist, sondern alle bisherigen Lehrmeinungen der physicalischen Wissenschaften mittelbar vernichtet u((nd)) dieselbe in allem Wissen zu einer neuen Kategorie der Weltbetrachtung umgestaltet oder vielmehr als schon geschehen bey dem Meister anzeigt. Wer aber mag leicht von einer Denkweise scheiden, wornach er stets die ganze Welt, ja seinen Himmel u((nd)) seine Glückseligkeit zu erfassen u((nd)) sich vorzustellen gewohnt gewesen ist? Nur das junge Geschlecht, das sich selber erst erbaut u((nd)) noch keine Stützen zu verlieren hat! Dieses aber rankt gerne in die neue Epoche hinein u((nd)) freut sich schon einen Stamm zu finden der vollkräftig die Aera bezeichnet u((nd)) gleichsam mit dem Alter sich verjüngt. So lange es aber dagegen noch von jenen Altfranken giebt, die mit ihrer knöchernen Metaphysik so Himmel als Erde umzimmern, so lange wird man wie in der Theologie an einer absurden Moral u((nd)) ihrer Nützlichkeit, so in der Physik von Lichtstrahlen, Poren, molecûles, Wärme- ja Kälte- Riech- Schmeck- u((nd)) Schallstoff u((nd)) andern Stoffen u((nd)) Materien u((nd)) wohl nicht blos hören, sondern auch daran glauben. Allein schon neigen die Extreme zur Ruhe: Wie dies nach der Seite der heiteren gehaltvollen Unmittelbarkeit schon erreicht ist - Dank dem hohen Genius der dieses liest - so mag vielleicht schon bald die wissenschaftliche Welt gleichfalls diesem Ziele nahe seyn. - Für mich im Kleinen sei es vergönnt auszusprechen wie nach u((nd)) nach in unserem kleinen Circel wenigstens in Beziehung auf die Farbenlehre die Neutonsche Ansicht verschwunden u((nd)) dafür die Ew. Excellenz an die Stelle getreten ist, freylich nicht ohne hartnäckiges aber eben dadurch lehrreiches Kämpfen, lehrreich, weil in solchen Fällen grade das Urelementliche am meisten hervorgehoben werden muß u((nd)) bey stetigem Verknüpfen denn gar leicht das Mangelhafte u((nd)) Falschbewiesene in die Augen fällt. Folgende extractivische Auffassung des ersten Teiles von Ew. Excellenz Werke möge andeuten, ob uns das Buch selbst verständlich geworden u((nd)) wie wir uns um das Interesse der Sache bemüht haben. Indem ich sie niederschreibe erbitte ich gehorsamst u((nd)) mit geziemender Ehrfurcht Ew. Excellenz geneigte Huld u((nd)) gütige Gewogenheit.
G((oethe)) hat die erste Klasse der Farben physiolog((ische)) benannt[35]u((nd)) damit einen subjectiven Anfang genommen - subjectiv in dem Sinne, daß hier Farben gemeint sind, welche durch die gesunden organisch lebendigen Functionen des Auges gesetzlich nothwendig im Auge selber hervorgerufen werden u((nd)) wie sich die Regel auch in den abnormen Functionen u((nd)) deren Erscheinungen bewähren muß, so hat er anhangsweise den physiol((ogischen)) sogleich von ihm pathologisch genannte hintangefügt.
In beiden Fällen entstammen die Farben der lebendigen Thätigkeit des Auges selbst u((nd)) treten, wie diese gesetzlich wirkt, so selber gesetzlich hervor - um so bedeutender als wir diese selbe Gesetzlichkeit auch in der objectiv gegenüberstehenden Welt wieder finden, so daß wir gleichsam den Regenbogen am Himmel nur als eine simultane Erstarrung der im Auge enthaltenen successiven Productivität u((nd)) dagegen die letztere als eine Flüssigwerdung jenes Phänomens ansehen könnten. Und wie nun G((oethe)) in allen seinen Bestrebungen die Natur äußerlich zu erfassen, besonders darauf bedacht ist, ein s((o)) g((enanntes)) Urphänomen für die Beobachtung aufzufinden, so stellt er sofort das vorausgesetzte lebendige Auge dem Lichte u((nd)) der Finsterniß gegenüber, als dem Ursprünglichsten, womit das Sehen zu schaffen hat. Er betrachtet die Wirkungen beider Zustände auf das Auge, indem er dasselbe aus dem hellsten Lichte durch alle Mittelstufen hindurch in die tiefste Dunkelheit begleitet u((nd)) sorgsam den jedesmaligen Eindruck von dem Grade der höchsten Blendung ja Erblindung, als der Ueberspannung u((nd)) Ersättigung des Organs, bis zum Gefühle der Erstärkung aber auch der Leerheit u((nd)) des Verlangens auszusprechen bemüht ist. Dadurch daß er diese Zustände mittelst heller u((nd)) dunkler Bilder zum Experiment zu fixiren sucht, deutet er auf den ewigen Zusammenhang beider Gegensätze hin, indem er deren successive Ineinsbildung im Auge darstellt u((nd)) nachweist, daß das Helle das Dunkle, das Dunkle das Helle fordert u((nd)) in sich erzeugt - wogegen das Grau eben die ins Daseyn getretene gleichgültig gewordene Beziehung dieser Gegensätze ausmacht u((nd)) relativ in gleicher Gesetzlichkeit gegen das eine oder das andere Extrem sich verhält. Nahe liegt es hiebey dem Experimentirenden die ungefärbten Bilder mit farbigen zu vertauschen u((nd)) an diesen die Thätigkeit des Auges zu versuchen - wenn gleich streng genommen es nicht verstattet ist, die Farben wie zu Anfang das Licht[36]u((nd)) die Finsterniß vorauszusetzen. Auch hier sehen wir, nach der schon angezeigten Formel des Lebens, gleiche Beziehungen wie zwischen Licht u((nd)) Finsterniß so auch zwischen den einzelnen Farben aber reicher u((nd)) erfreulicher hervortreten - Beziehungen, die zwar hier nur dem Auge angehören, späterhin aber auch objectiv sich erweisen müssen. So sehen wir, wie sich das Rothe an das Grüne heftet u((nd)) dieses jenes nicht verläßt, wie das Gelbe mit dem Violetten zusammenhält u((nd)) sich das Blaue u((nd)) Orange einander gegenüberstellen u((nd)) dieses sofort in stetiger Wechselbeziehung. Noch bedeutender wird diese Beobachtung durch die in derselben liegenden Nöthigung drey Hauptfarben anzunehmen, welche in ihrer Mischung dann wieder die andren drey Nebenfarben geben - ein Verhältniß wodurch die obige Gesetzlichkeit nun diese tiefe u((nd)) geistige Stellung annimmt, daß das Einfache das Zusammengesetzte, das Zusammengesetzte aber das Einfache, fordere bedinge u((nd)) erzeuge.
Hiernach fortschreitend entwirrt G((oethe)) leicht das für so schwierig erachtete Problem des Conflictes zweyer verschiedenartiger Lichter oder Erhellungen an zwischen ihnen liegenden Schatten, wenn letztere gefärbt erscheinen - denn nur das Auge wirkt diese geheime Magie, indem es gereizt durch die Färbung des die Grundfläche erhellenden Lichtes, an dem Punkte, wo ihm im Schatten Ruhe u((nd)) Indifferenz geboten wird, ein mit der entgegengesetzten Farbe tingirtes Spectrum, gleichsam den in die Sinnlichkeit hinübergeführten geistigen Hauch seiner Thätigkeit durch Widerspruch hinstellt.
Hieran das Kapitel der subjectiven Höfe schließend, führt G((oethe)) diejenigen Erscheinungen an, welche gleich dem Abklingen von Glanzbildern in gesetzlichen kreisförmigen Ringen den Kampf des Lichtes mit dem Auge u((nd)) dessen Schwingungen darlegen, wodurch es den Uebergang zum Dunkeln u((nd)) damit zur Ruhe sucht u((nd)) vollbringt, so wie umgekehrt bey stattfindendem Drucke aufs Auge sich leuchtende Kreise hervorheben.
Das Phänomen der Höfe leitet nun G((oethe)) durch sich selbst, insofern als wir auch eine ganz objective Beschaffenheit derselben wahrnehmen - in das Gebiet der physischen Farben, welche durch äußere Anlässe entstehen, nicht erst im Auge werden sondern schon fertig sich demselben darstellen - von dem ersten Anflug der Trübung u((nd)) Färbung des Lichtes oder des[37]Dunkeln bis zur vollen Farbenpracht des Prismas u((nd)) des Regenbogens. Den Charakter dieser Farben giebt sowohl diese Pracht, als aber auch ihre Flüchtigkeit u((nd)) ihr Vorübergehen, so wie daß zu ihrer Hervorbringung materielle Mittel nöthig, die selbst keine Farben haben u((nd)) bald helle u((nd)) durchsichtig, bald trübe u((nd)) durchscheinend, bald völlig undurchsichtig seyn können. In der Betrachtung dieser Mittel, ihrer Prüfung u((nd)) Würdigung ist seitdem der goldene Schlüssel zur Erklärung der physischen Farben jedem Naturfreunde an die Hand gegeben - mit einem Worte, hauptsächlich in der Lehre vom Trüben, diesem Brautbette gleichsam, worin sich Licht u((nd)) Finsterniß hochzeitlich zur Farbe vermählen, weilen wohnen u((nd)) erfreuen. Das Licht bleibt dabey jungfräulich rein, wird nicht in sich selbst getrübt oder gezwiespaltet oder gar gesiebenspaltet - so wenig wie die Finsterniß sich zu etwas Anderem als sich selbst aufschlösse. Beide bleiben in ihrer ursprünglichen Einheit u((nd)) nur das Mittel ist es, das sie trübt u((nd)) verbindet - mischen sie sich wirklich so wird es Grau. Diesem glücklichen Wurfe entstammt die urelementliche Ansicht: Trübung vor dem Schwarzen erzeugt Blau, Trübung vor dem Hellen aber Gelb, u((nd)) die fernere Beobachtung wie beide polarische Gegensätze durch Mischung zu einer realen Mitte, dem Grünen - der neutralen Wasser- u((nd)) Pflanzenfarbe - sich einigen, dagegen jeder in sich selbst, ohne reale Mischung, die Potenz der idealen Culmination des Rothen trägt u((nd)) dahin übergeht - die active Farbe des Lebens, des Blutes; (Beyspiel beym Gelben: man sehe ein großes hügelan gelegenes Rapsfeld in voller Blüte, mit dem Auge über die Fläche streifend, so wallt am Rande ein feuriges Roth). - In dieser Weise treten uns die wahrhaft großen Phänomene die blaue Farbe des Himmels, der Berge u. s. w. so wie das Abend- u((nd)) Morgenroth u. s. w. klar u((nd)) faßlich entgegen. Dieselbe Klarheit u((nd)) Faßlichkeit bleibt überall, wo ein trübes Medium auch im Experiment einzig als solches wirkt, so wie alles Bisherige eine heitere u((nd)) unverschränkte Entwicklung darbietet.
Wie ist aber der Fall, wenn dieses Mittel dem Lichte gleichsam zugleich eine mechanische Gewalt anthut u((nd)) es von der[38]linearen Richtung wegrückt? namentlich wenn Prismen in der Mitte liegen?
Aeußerst sinnig, ja fast schlau ist auch hier von G((oethe)) zuerst die subjective Seite erfaßt u((nd)) dadurch die Gesetzlichkeit des Phänomens auf das Evidenteste dargelegt. Indem er nämlich je auf hellem oder dunklem oder grauem oder auch gefärbtem Grunde, verschiedentlich u((nd)) wechselnd helle, dunkle, graue u((nd)) gefärbte Bilder durch das Prisma scheinbar fortrückt, zeigt sich ihm, wie auch hier nur durch Correlation zwischen Hellem u((nd)) Dunkelm d. h. nur an umgränzten Bildern Farben entstehen u((nd)) ewig nur hier entstehen u((nd)) ferner wie bey der scheinbaren Bewegung eines relativ Hellen gegen oder über das Dunkle Blau u((nd)) dagegen Gelb hervorgerufen wird, wenn die Beziehung umgekehrt ist.
Wie aber stellt man hier die fortleitende u((nd)) anschließende Erklärung? Wirkt auch hier ein Trübes? Und wo? entweder im Prisma schon oder erst draußen? Und wie?
G((oethe)) sucht das Phänomen, wenn wir recht verstanden haben, so abzuleiten, daß er zuerst bey Reflexionsfällen die Erscheinung von Haupt- u((nd)) Nebenbildern abhandelt, hier auf das Schattenhafte, Durchsichtige, Trübe u((nd)) die leichte Neigung der letzteren zur Farbe aufmerksam macht u((nd)) hiernächst in Beziehung aufRefractionsfälle den Isländischen Doppelspath, ja selbst das gewöhnliche Sehen in Erinnerung bringt u((nd)) hiebey das Uebereinanderrücken der Gränzen, gleichsam das Hervortreten eines Nebenbildes, umsomehr dann annimmt, wenn dichtere brechende Mittel zwischen dem Auge u((nd)) seinem Objecte sich befinden. Kurz, das prismatische Spectrum wird als ein getheiltes trübes Bild angesehen u((nd)) dabey angeführt, wie das Nebenbild dem Hauptbilde voraneile.
Ueber diesen Gegenstand ist nun in unserem kleinen Cirkel folgendes besprochen u((nd)) verhandelt worden:
1. Bey der Spiegelung sieht man so viele Bilder, als spiegelnde Flächen da sind - welche sich decken, wenn die Flächen genau parallel übereinander liegen, jedoch hintereinander hervortreten, wenn der Parallelismus mehr oder weniger aufgehoben wird. Decken sie sich ganz oder theilweise, so wird man, um das untere Spiegelbild zu se-[39]hen, durch das obere hindurchblicken müssen u((nd)) durch beide, wenn man andere dahinter liegende Gegenstände erblicken will. Undurchsichtigkeit des unteren Spiegelbildes verbietet alles weitere Eindringen des Auges u((nd)) das untere Bild wird undurchsichtig seyn, so lange es die untere Spiegelfläche ist.
Genau genommen ist hier weder von einem Haupt- noch von einem Nebenbilde die Rede, sondern von wahrhaftigen Doppelbildern - denn jede Fläche liefert ursprünglich das ganze Bild, welches aber wie bemerkt, durchsichtig u((nd)) schattenhaft ist, wenn die hintere Fläche dunkel erscheint; sind zwey Flächen u((nd)) mithin zwey Bilder vorhanden, u((nd)) bringt man beide zur Deckung, so verleiht schon dadurch das untere dem oberen einen dunkeln Grund, daher es denn kommt, daß hier das Spiegelbild am lebhaftesten das Object darstellt. In der That ist aber selbst dieses gedoppelte Bild für sich nicht undurchsichtig, wenn die spiegelnden Flächen selbst nur durchsichtig genug sind. Kommen dabey Farben zum Vorschein so könnten diese gedoppelten Ursprunges seyn, einmal nämlich subjectiver u((nd)) das andere Mal objectiver Bedeutung. Und zwar erstmal dann, wenn das Auge bey einem gespiegelten gefärbten Gegenstande die geforderte Farbe an dem zur Seite tretenden oberen oder unteren Bilde (die Deckung der Bilder sey nicht vollkommen) - gleichsam wie auf einem schattenhaften Grunde absetzt - oder aber das Phänomen wäre objectiv zu nennen wenn eins oder beide Bilder (sie sollen durchsichtig seyn) - als Trübung über dahinter befindliche Gegenstände gebracht würden, wodurch diese entweder einen blaulichen oder gelblichen Schein annähmen.
Diese gedoppelte Beziehung scheint von G((oethe)) nicht genau beachtet, vollends aber die Ansicht über Vorhandenseyn von Nebenbildern nicht deutlich zu seyn u((nd)) allmälig in eine verfängliche Stellung überzugehen - denn
2. wird auch bey der Refraction von Haupt- und Nebenbildern gesprochen; so weit aber uns bekannt, ist deren regelmäßiges Daseyn bisher - denn der Spiegelungsfall sub num. 1 ist ganz heterogen u((nd))[40]durchaus in keiner Beziehung analogisch auf das gegenwärtige Verhältniß anzuwenden - nicht nachgewiesen u((nd)) daher ganz hypothetischer Natur, namentlich um so mehr, da auch bey der Spiegelung nur Doppelbilder erscheinen u((nd)) mithin vielleicht in der ganzen Natur nirgend eigentliche Nebenbilder vorkommen, man möchte damit denn eine nicht physicalische Bedeutung verbinden. Das einzige, was G((oethe)) beyläufig zur Begründung anführt oder was man als ein wahres Analogon nehmen könnte ist der Isländische Doppelspath, der dann allerdings, wenn auch keine Nebenbilder, doch Doppelbilder liefert u((nd)) mit dem ihm verwandten Geschlechte als einzige Ausnahme unter den refrangirenden Körpern dasteht, daher umgekehrt von ihm zu sagen wäre: exceptio firmat regulam. Diese Doppelbilder haben nun zwar viele Aehnlichkeit mit den Spiegelbildern, haben mit ihnen, im Falle sie sich nicht decken, ein schattenhaftes durchsichtiges Ansehen u((nd)) geben blos dann die volle Deutlichkeit, wenn sie übereinander treten - allein wie gesagt zeigen alle übrigen Körper, namentlich Glas, wenigstens bey subjectiven Versuchen, diese Eigenschaft nicht (daher denn auch das dem unbewaffneten Auge angehörige Phänomen beym Sehen heller oder dunkler Bilder auf entgegengesetzt tingirtem Grunde wohl gewißlich nicht als Supposition genommen werden darf - so wenig wie die §§ 234 u((nd)) ((2))35 tüchtige Beweise für die Begründung eines Nebenbildes liefern) - zweytens aber auch verlangt G((oethe)) nicht so sehr das doppelte Erscheinen des eigentlichen Hauptbildes, als vielmehr ein voreilendes Nebenbild - ein solches, welches der Brechung willig gehorche, wogegen das Hauptbild zurückzubleiben scheine. Würde man also auch noch ein Doppelbild zugeben, so genügte dieses nicht, da das Voreilen wiederum eine neue u((nd)) viel schlimmere Hypothese ist, denn mit Recht scheinen uns hier die Newtonianer entgegnen zu können: "Ihr statuirt freylich keine verschiedene Brechbarkeit der Farben, allein ihr setzt an deren Stelle eine verschiedene Brechbarkeit der Bilder. Wir theilen die Sonnenstrahlen, Ihr theilt die Bilder. Und bey allem diesen kommen wir direct, Ihr aber erst indirect zum Ziele und habt den Anschein gegen Euch."
Ist nun freylich genau genommen, jener Umstand mit den verschiedenen Bildern der neuen Theorie nicht so gefährlich, wie der[41]Newtonschen ihre verschiedene Brechbarkeit der verschiedenen Lichter, indem die Falschheit hier die ganze Theorie zusammenstürzt, dort aber höchstens eine irrige Ableitung eines Phänomens vorliegen kann, so bleibt es doch gleichwohl sehr übel, daß grade das brillanteste Phänomen der Farbenlehre nicht klar entwickelt werden kann.
Der gehorsamst Unterzeichnete, dem dieses Räthselhafte gleich anfangs nicht entgangen ist, hat sich hierüber folgendes angemerkt.
Einmal kann man annehmen, daß die Sonnenstrahlen gradedurch gehen u((nd)) in beykommender Zeichnung
c b e u((nd)) d erleuchten, dann aber zugleich nach der specifischen Dichtigkeit u((nd)) eigenthümlichen Gestalt des Glases nach a b gerückt werden. Darnach würde a b c eigentlich ein dunkler Grund seyn, der nun durch das hinübergeführte Helle eine blaue Farbe wirft, die nach oben zu, wo sie am meisten gegen das Dunkle gedrängt wird, violett erscheint. Umgekehrt könnte b d e als ein getrübter heller Grund angesehen werden, der somit eine gelbe Farbe annehmen muß, unten sich aber roth zeigt, weil hier die Beleuchtung nicht so entschieden ist, indem man annehmen kann, daß das Gelb sich innerhalb der Brechung selbst - b c d - erzeuge, das Rothe aber vielmehr Product der nur durchschienenen zusammengeführten Trübe - b d e - sey.
Wenn demnach die Farben im Prisma selbst entstünden, so würden sie heraustretend auch unmittelbar sichtbar werden müssen. In dieser Weise scheint auch in Ew. Excellenz Darstellung das Phänomen aufgefaßt u((nd)) ist demnach sogleich dem Spectrum eine di-[42]vergirende Richtung gegeben - ja der gehorsamst Unterzeichnete erinnert sich, wie er einst die obige Ansicht in Berlin dem jetzigen Herrn Professor Henning mittheilte, daß demselben bereits in ganz ähnlicher Weise von Ew. Excellenz eine Farbenzeichnung zur Versinnlichung des Phänomens übermacht worden war. Indeß halte ich auch diese Erklärung keineswegs für genügend, da man hier wiederum zu einer problematischen Voraussetzung, daß nämlich das Licht auch ohne Brechung durchscheine (in einer camera obscura würde dies versucht werden können) greifen muß u((nd)) namentlich dann in Verlegenheit geräth, wenn die Sonne das ganze Prisma beleuchtet. Auch glaube ich späterhin bemerkt zu haben, daß zunächst am gebrochenen hellen Bilde gar keine Farben da sind (oder sollen wir etwa latente annehmen, wenn keine Beobachtung sie zeigt?), daß aber das Bild convergirend sich zusammenziehe u((nd)) daß nur durch diese Bewegung außerhalb des Glases die Ränder u((nd)) Säume entstehen, bis sie im Focus der Convergenz das vollständige Spectrum präsentiren, dann aber erst divergirend auseinandertreten - etwa so:
Ich stelle es hiebey ferneren Versuchen anheim, ob ich mich nicht selbst hinsichtlich des paradoxen Focus berichtigen u((nd)) das Obige auf einen Irrthum zurückführen kann, allein erschienen ist mir die Sache, wie vorgestellt, viel u((nd)) vielfach. Allein immerhin wird auch hierdurch das Phänomen nicht klar - ebensowenig wie bey convexen u((nd)) concaven Gläsern die gelben u((nd)) blauen Ränder ohne Symbolik anschaulich werden, denn eben indem man von einem scheinbaren[43]Hinüberführen redet, leugnet man die wirklichen Stützen der Erklärung, ja die Annahme der letzteren wäre sogar widersprechend.
Und wie soll man nun gar endlich den Fall auffassen, wenn man das objective Spectrum durch ein zweytes Prisma subjectiv wieder verrückt, so daß es farblos erscheint (hiemit hängt auch die Achromasie u((nd)) ihre symbolische Ableitung zusammen), während doch ein mit Pigmenten gemaltes Spectrum mit Rändern und Säumen erscheint? wird nicht auch dort ein Bild verrückt u((nd)) warum werden also Farben verschlungen? wie denkt man sich hier das vorangeeilte nun wieder rückwärts voreilende Nebenbild?
Kurz - es mag wohl nicht geleugnet werden, daß sich die physischen Farben hier noch nicht der Klarheit u((nd)) Faßlichkeit erfreuen, wie die so trefflich abgeleiteten atmosphärischen Farben, so daß der gehorsamst Unterzeichnete wirklich in Verlegenheit geraten ist, wie er in seinem kleinen Cirkel die vorher so sieghafte Consequenz an diesem Puncte durchführen soll. Dadurch aber ist ihm der schmeichelnde Gedanken in den Sinn gekommen, daß ihn der Meister dieser Wissenschaft vielleicht einiger belehrender Winke würdigen möchte. Mit der größesten Achtung u((nd)) Ehrfurcht wagt derselbe daher zu äußern, wie ihm einige wenige Zeilen ein überaus theures Geschenk seyn würden.
Im Uebrigen erlaubt sich aber noch der gehorsamst Unterzeichnete folgenden im letzten Winter beobachteten Fall zu einer geneigten Deutung niederzuschreiben.
Ich stand, die Sonne im Rücken, zu Mittag auf dem hier befindlichen u((nd)) damals gefrornen Canal u((nd)) stieß zufällig mit einem Stecken fast senkrecht in den am Ufer angehäuften Schnee; zu meiner Verwunderung erschien, wie ich den Stecken wieder herauszog, das Loch mit einer blendenden seegrünen Farbe wie ausgegossen. Dieselbe Erscheinung wiederholte sich stets, auch für andere Zuschauer u((nd)) blieb wenn auch das Loch sehr erweitert wurde - nur verschwand sie oder wurde doch unmerklich, wenn ich den Versuch am entgegengesetzten Ufer, welches der Sonne abwärtsgekehrt u((nd))beschattet war, wiederholen wollte - schwach wurde die Erscheinung am Abend u((nd)) wie die Sonne mehr von der Seite einfiel. Die ganze Landschaft war mit Schnee bedeckt, nirgend ein Grün[45]oder Roth bemerkbar u((nd)) die Sonne rein u((nd)) hell. Daß sich beym Anschauen der sehr lebhaften Färbung bald das ganze Gefild mit einem Rosenroth überzog, war leicht abzuleiten, aber woher dieses ursprüngliche Grün?
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- Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2022). Goethes Farbenlehre in Berlin. Repositorium. 18. April 1827. von Buttel an Goethe. Z_1827-04-18_k.xml. Wirkungsgeschichte von Goethes Werk „Zur Farbenlehre“ in Berlin 1810-1832. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001C-1F36-4