Personen

Personen

Mathias Seebald Raffael Schenk, Setzer Frau Schenk, seine Mutter Flora Severin, Studentin Stefan Klagenfurter, Eisendreher Marie Klagenfurter, seine Frau Trotz Dietrich Braun Färber Fischer, Arbeiter Ernst Laßmann, Kriegsblinder Mathilde Laßmann, seine Frau Rosa Fiebig, Arbeiterin Fritz Rund, Soldat Fedor Wladimirowitsch Lecharjow Rudolf Tiedtken, Literat Strauß, sozialdemokratischer Redakteur Tessendorff, Polizeirat Werra Adler, geschiedene Frau Klara Wendt Dr. Bossenius Präzold, Gastwirt Dr. Karfunkelstein, Journalist Ein Trambahnführer Eine Trambahnschaffnerin Ein Leutnant Ein Unteroffizier Eine Kellnerin Arbeiter, Arbeiterinnen, Herren, Damen, Soldaten, Sanitäter, Volk.

1. Akt

1. Akt

Erster Akt

Wohnung Stefan Klagenfurters. Großes Zimmer. Rechts zwei Fenster. In der Mitte der Hinterwand die Tür. Zwischen Tür und der Fensterwand Herdofen, daneben links Wasserleitung. Zwischen den beiden Fenstern einfache Kommode, darauf ein paar Photographien und ein niedriges Bücherbord. Unter dem vorderen Fenster größerer Koffer. Über dem Herd Gestelle für Teller, Gewürzbüchsen und so weiter. In der Ecke rechts Küchenschrank, an dem Hand- und Tellertücher hängen. Links vorn schwarzes Sofa mit Deckchen. Davor runder überdeckter Tisch und zwei schwarze Stoffstühle. Links an der Hinterwand steht das Doppelbett ins Zimmer hinein, daneben rechts Nachttisch und Stuhl, links primitive Waschgelegenheit (Blechgestell) und Spiegel. In der Mitte des Zimmers großer Küchentisch mit Wachstuchdecke, dabei eine Nähmaschine und ein paar Küchenhocker. Unter dem Sofatisch einfacher Teppich. An der linken Wand und über dem Sofa eine Telleruhr mit Gewicht. In der Mitte der Wand Öldruckporträts von Marx und Bebel. Weiter zurück gerahmte Photographien. Über dem Bett ein Haussegen. Die Fenster haben leichte Tüllvorhänge; ein paar Blumentöpfe davor. Über dem großen Tisch hängt von der Decke herunter eine Petroleumlampe. Im Herdofen ist Glut. Auf dem Küchentisch ist Leinenzeug ausgebreitet.
Es ist gegen halb vier Uhr am Nachmittag. Frau Marie Klagenfurter arbeitet an der Nähmaschine, hält inne und reißt den Faden ab. Sie hebt das Kinderjäckchen, das sie genäht hat, lächelnd vor sich gegen das Licht. Dann steht sie auf. Man sieht deutlich die Merkmale vorgeschrittener Schwangerschaft. Sie sieht auf die Uhr, schüttelt den Kopf, geht nervös zum Fenster, stochert dann im Herdfeuer und blickt in den Wassertopf, der darauf steht. Plötzlich horcht sie auf. Schritte werden draußen hörbar. Die Tür wird energisch geöffnet. Stefan Klagenfurter tritt ein, in Hut und Überzieher.
hehehe

MARIE
an seinem Hals.
Endlich! Sie haben dich ja schrecklich lange festgehalten.
concentrated

KLAGENFURTER
küßt sie.
Miezl! – Warst recht ungeduldig?
beh

MARIE.
Sag doch: Wie war's? Haben sie dich genommen?
kittehsmile

KLAGENFURTER.
Wirst schon hören. – Pack!
herp

MARIE.
Mein Gott! – Nun leg nur erst ab. Hilft ihm aus dem Überzieher. Komm, gib! Ich trag's hinaus.
happy

KLAGENFURTER.
Das wäre! – Du schonst dich in deinem Zustand, verstanden? Und läufst nicht mir nichts, dir nichts aus dem warmen Zimmer. Ich kann mein Zeug schon selber in den Kasten hängen. Geht hinaus, läßt die Tür offen.
beh

MARIE.
Sag, Steffi, aber doch nicht k.v.?
happy

KLAGENFURTER
zurück ins Zimmer.
Nur keine Aufregung, Schatz. Ich bin noch nicht im Schützengraben. Setzt sich.
hehehe

MARIE.
Aber, so erzähl doch!
monocole

KLAGENFURTER
zerrt sich den Gummikragen vom Hals.
Bloß erst den Hals freikriegen. War überhaupt recht überflüssig, sich extra fein zu machen, um vor den Hanswursten den nackten Adam herzuzeigen. – Da, nimm den Kragen. Bis Sonntag reib ihn noch mal ab.
pfftch

MARIE
legt den Kragen in den Tischkasten.
Also Steffi – wie ist's gegangen?
hehehe

KLAGENFURTER.
Na ja, sie haben mich beglotzt und befühlt. – Krieg ich einen Kaffee, Miezl?
beh

MARIE.
Gewiß. Er ist fertig. Macht sich am Herd zu schaffen und nimmt Geschirr aus dem Küchenschrank. Aber du quälst mich, Liebster. Laß mich doch endlich wissen!
concentrated

KLAGENFURTER.
Ach so. – Na, gut: Wissen mußt du's ja doch. Also – felddienstfähig.
happy

MARIE
zu ihm.
Steffi!
happy

KLAGENFURTER.
Nur ruhig, Kind! Nur nicht auf regen – du weißt schon. – Und dann ist's ja noch nicht soweit. Sie werden mich ja nicht gleich holen.
happy

MARIE.
Meinst du? – Aber denk mal, so lange konnten sie dich nicht brauchen – und jetzt auf einmal: – trotz deinem Herzfehler.
hehehe

KLAGENFURTER
lacht.
Ja, der Krieg ist noch wundertätiger als die Muttergottes von Lourdes. Der macht mit der Zeit aus dem lahmsten Krüppel einen Helden.
beh

MARIE
schenkt Kaffee ein.
Ich hab jetzt besseren Kaffee-Ersatz. Da ist Süßstoff. Wie schmeckt er dir?
dude come on

KLAGENFURTER.
O ja – er geht an. Ob wir einmal wieder Bohnenkaffee mit Zucker und Milch erleben werden? Wenn wir weiter so »durchhalten« wie bisher, dann wird unser Kleiner mal meinen, vor seiner Geburt wäre Deutschland das Schlaraffenland gewesen.
kittehsmile

MARIE.
Schau, Steffi, was ich gemacht hab. Zeigt ihm das Jäckchen. Steckkissen sind fertig, Häubchen auch. Morgen fang ich mit dem Stricken an: Schuhe und Strümpfe.
kittehsmile

KLAGENFURTER
auf sie zu.
Was wir glücklich sein könnten! – Und jetzt die Schweinerei. Küßt sie. – Wenn man noch an den Schwindel glaubte – aber mit dem Ekel vor dem allen! – Der alte Trotz baut schon an der Wiege – und ich soll mein Kleines womöglich gar nicht mehr darin schaukeln können!
happy

MARIE
ihn umklammernd.
Steffi! Mein Steffi! – Vielleicht gibt es bald Frieden –?
herp

KLAGENFURTER.
Ja, Frieden! – Wir kämpfen ja »bis zum letzten Blutstropfen« – bis zu unserm nämlich. Die Proletarier können verbluten – und die großen Herren machen das feinste Geschäft dabei. – Da hör! Von der Straße ertönt Soldatengesang, man versteht die Worte: »Siegreich wollen wir Frankreich schlagen«. Pfui Teufel! Da kann man doch alle Hoffnung verlieren, wenn die Soldaten selbst noch – –. Na ja, sie müssen singen. Auf Kommando.
happy

MARIE.
Steffi! Meinst du nicht, daß die Fabrik dich reklamieren könnte?
hehehe

KLAGENFURTER.
Hab schon dran gedacht. Bloß wird sie's nicht tun. Dreher kriegt sie noch genug. Und mir sind sie sowieso nicht grün – sie kennen meine Ansichten zu gut. Übrigens – Reklamationen von k.-v.-Leuten haben fast nie Zweck.
dude come on

MARIE
in Tränen.
O Liebster! – Ich hab so Angst!
concentrated

KLAGENFURTER.
Unsinn, Schatz! Tapfer sein! – Wird schon alles nocht gut werden. Die Einberufung ist noch nicht da. Er zieht eine Holzpfeife aus der Tasche. Von zehn Uhr in der Frühe haben sie mich da rumstehen lassen, viele sind noch nicht fertig.
concentrated

MARIE.
Rauch doch lieber eine Zigarre heute – nach der Quälerei.
monocole

KLAGENFURTER.
Hast recht. Ist schon mal blau gemacht, kann's ganz wie Sonntag sein. Nimmt aus der Kommode eine Zigarre und zündet sie an. Schändlich: fünfunddreißig Pfennig für das miserable Kraut. Dafür hab ich früher die ganze Woche täglich eine Zigarre gehabt.
hehehe

MARIE.
Das Brot schlägt auch wieder um zwei Pfennig auf. Und Nähfaden ist kaum mehr zu kriegen. Es ist schrecklich, wie alles teuer wird! Es klopft.
monocole

KLAGENFURTER.
Herein!
Es tritt ein Raffael Schenk. Rothaarig, bleich mit hektischen Flecken, hinkt etwas.
pfftch

SCHENK.
Tag, Stefan! Servus, Frau Klagenfurter!
Reicht beiden die Hand.
hehehe

KLAGENFURTER.
Grüß dich, Schenk! – Zieh aus!
Schenk legt ab.
herp

MARIE.
Legen Sie's nur aufs Bett. – Steffi, die Zigarre!
concentrated

KLAGENFURTER.
Ach so! Legt die Zigarre fort auf einen Blumenuntersatz am Fenster.
concentrated

SCHENK.
Unsinn! Rauch nur weiter! Hüstelt.
happy

KLAGENFURTER.
Ist nicht wichtig. Der Rauch ist nichts für dich. Die Zigarre geht mir nicht verloren.
hehehe

SCHENK.
Wie ist's gegangen?
concentrated

KLAGENFURTER.
Wie es gehen mußte: k.v.
hehehe

SCHENK.
Donnerwetter! Also doch. – Und dein Herz?
concentrated

KLAGENFURTER.
Das Herz! Der Doktor meinte: Für ein paar Sturmangriffe hält's noch.
hehehe

MARIE.
Das hat er gesagt? Pfui, wie roh! Weint.
kittehsmile

KLAGENFURTER.
Ruhig, Kind! Denk doch an deinen Zustand! Und noch stürme ich ja nicht. Bis dahin kann noch manches anders kommen.
beh

SCHENK.
Du wirst doch nicht gehen, Stefan?
happy

KLAGENFURTER.
Wieso – nicht gehen?
herp

SCHENK.
Ich meine, wenn die Einberufung kommt.
pfftch

KLAGENFURTER.
Ich muß mich noch besinnen. Schließlich werd ich wohl müssen.
monocole

SCHENK.
Hängt davon ab, ob du willst.
herp

KLAGENFURTER.
Ja, ja – nach der Theorie –
herp

SCHENK.
Theorie? Ich denk doch, wenn eine Sache praktisch wird, geht's an die Anwendung von Theorien.
dude come on

KLAGENFURTER.
Du meinst also im Ernst, ich soll mich weigern?
hehehe

SCHENK.
Ich tät's.
concentrated

MARIE.
Um Gottes willen. Dann sperren sie ihn ja ein!
happy

SCHENK.
Wahrscheinlich. – Wollen Sie Ihren Mann lieber im Schützengraben haben als im Gefängnis?
hehehe

MARIE.
Aber wenn sie ihn erschießen!?
happy

SCHENK.
Auch das geht draußen schneller als drinnen. – Oder fürchten Sie die Schande?
happy

MARIE.
O Gott, nein. – Aber ich weiß doch nicht. – O Steffi!
beh

KLAGENFURTER.
Still, Schatz! Die Sache muß überlegt werden.
happy

SCHENK.
Was gibt es da noch zu überlegen? Auf der einen Seite steht das Kapital und macht Ansprüche auf dich, auf dein Leben, deine Gesundheit, dein Glück und deine Überzeugung – auf der andern Seite stehst du, deine Frau und das Kind, das ihr haben werdet. –
pfftch

KLAGENFURTER.
Herrgott, ja, ja.
beh

SCHENK.
Und was noch wichtiger ist: deine Gesinnung, deine proletarische Ehre, Stefan! Du bist doch ein Kämpfer und weißt, wogegen wir zu kämpfen haben. Da willst du dir vom Feind ein Gewehr geben lassen und auf sein Kommando gegen dein eigenes Gewissen und gegen deine Klassengenossen losgehen?
kittehsmile

KLAGENFURTER.
Es ist alles richtig, was du sagst. Hab's ja auch oft genug gehört – von dir, von Seebald und mir auch selbst gesagt. Aber –
pfftch

SCHENK.
Ich möchte dein Aber kennen.
concentrated

KLAGENFURTER.
Sie werden mich zwingen.
happy

SCHENK.
Zwingen? Man kann mich zwingen, etwas zu unterlassen, wenn man mich gewaltsam dran hindert. Aber man kann mich nicht zwingen, etwas zu tun, was ich nicht tun will.
hehehe

KLAGENFURTER.
Sie werden mich in die Kaserne schleifen.
concentrated

SCHENK.
Das werden sie tun. Und was weiter?
pfftch

KLAGENFURTER.
Nun, dann werden sie mir den grauen Rock anziehen.
happy

SCHENK.
Wenn du stillhältst.
dude come on

MARIE.
Wie schrecklich! – Nein, sie werden dich binden, wenn du dich wehrst!
herp

SCHENK.
Wenn sie ihn binden, können sie ihn nicht exerzieren lassen.
kittehsmile

KLAGENFURTER.
Du hast recht, Schenk, es ist das kleinere Übel.
monocole

MARIE.
Aber ich hab so Angst vor dem allen. – Sie werden dich quälen.
dude come on

SCHENK.
Keine Aufregung vor der Zeit, Frau Marie. Zunächst haben sie ihn noch gar nicht.
hehehe

MARIE.
Wie meinen Sie das?
happy

SCHENK.
Sehr einfach. Wenn der Wisch kommt, verschwindet Stefan von der Bildfläche.
kittehsmile

MARIE.
Und ich? – Und ... und ... wenn es soweit ist? –
beh

KLAGENFURTER.
Sind ja noch zwei Monate hin, Liebling. Bei dir sein kann ich dann doch auf keinen Fall. Entweder sie holen mich, dann bin ich nach vier Wochen Abrichtung vorn; oder sie sperren mich ein – oder ich drück mich eben. Nur – wovon sollst du leben?
kittehsmile

SCHENK.
Dafür laß uns sorgen. Wovon soll sie denn leben, wenn du Soldat bist? Was Vater Staat ihr an Unterstützung gäbe, das bringen wir im »Bund Neuer Menschen« im Handumdrehen zusammen.
hehehe

KLAGENFURTER.
Abgemacht, Schenk. – Ich nehm's auf mich.
concentrated

SCHENK
drückt ihm die Hand.
Du nimmst weniger auf dich als alle die Millionen, die es nicht auf sich nehmen mögen.
kittehsmile

MARIE.
Mir ist schrecklich bange.
hehehe

SCHENK.
Dazu haben Sie gar keinen Grund. Übrigens rechne ich bestimmt damit, daß sich die Arbeiter doch endlich rühren werden.
dude come on

KLAGENFURTER.
Ist was Neues?
happy

SCHENK.
Rußland macht Eindruck. Denk doch – die sind raus aus dem Krieg.
hehehe

KLAGENFURTER.
Aber teuer erkauft haben sie den Frieden.
happy

MARIE.
Wenn sie aber doch Frieden haben!
hehehe

SCHENK.
Scheint mir auch. Nur dürfen wir sie jetzt nicht im Stich lassen.
monocole

KLAGENFURTER.
Du meinst wegen der Friedensbedingungen?
monocole

SCHENK.
Ja, und wegen des Vormarsches in das wehrlose Land.
happy

KLAGENFURTER.
Es ist schändlich. Nur fürchte ich, wir kriegen die Massen deswegen nicht auf die Beine.
happy

SCHENK.
In Berlin soll etwas bevorstehen. Hier muß es Seebald machen. Das ist der einzige, auf den sie hören. – Die andern müssen übrigens bald kommen.
dude come on

KLAGENFURTER.
Welche andern?
beh

SCHENK.
Nun: Trotz, Dietrich, die Severin, Rosa und die übrigen.
pfftch

MARIE.
Hierher – zu uns?
monocole

SCHENK.
Ja doch, ich glaubte, ich hätt's schon gesagt. Ich hab sie hierher zusammenbestellt.
monocole

MARIE.
Da muß ich mir rasch eine andere Schürze vorbinden.
Nimmt eine weiße Schürze aus der Kommode und legt sie an. Und das Zeug da! Räumt das Nähzeug vom Küchentisch ab.
monocole

KLAGENFURTER.
Warum denn zu uns?
pfftch

SCHENK.
Weil du heut nicht bei der Arbeit warst. Die Genossen bei Wachsmann machen extra früher Schicht. Es ist schon ein bißchen Streikstimmung in der Luft.
hehehe

KLAGENFURTER.
Glaubst du denn, daß ein Generalstreik zustande kommt? Und wann, meinst du, kann es soweit sein?
dude come on

SCHENK.
In Berlin scheint es dicht vorm Klappen zu stehn. Sie wollen vor allen Dingen Liebknecht heraushaben. Vielleicht müssen wir bald kampffertig sein.
hehehe

KLAGENFURTER.
Du – ich weiß nicht recht, ob Seebald zu haben wäre.
dude come on

SCHENK.
Ach, du kennst ihn nicht.
hehehe

KLAGENFURTER.
Es ist wahr: Er hat Feuer und reißt alle mit. Aber jetzt ist er doch ganz in seinen Verein verkapselt mit Studenten und Künstlern. Ich habe Mißtrauen gegen die Intellektuellen. Was das Proletariat angeht, davon wissen sie wenig.
pfftch

SCHENK.
Es gibt Ausnahmen. Denk nur an Flora Severin. Und die Ästheten im »Bund Neuer Menschen« sind Seebald selbst zuwider. Wenn einer Revolutionär ist, dann ist er es. Er will den Frieden.
happy

KLAGENFURTER.
Auch die Revolution?
herp

SCHENK.
Wie kann er den Frieden bekommen ohne Revolution?
dude come on

KLAGENFURTER.
Ja – aber ob er das weiß?
happy

SCHENK.
Er spricht ja immer wieder davon, daß nur die Arbeiter den Krieg zu Ende bringen können, wenn sie nicht mehr für den Krieg arbeiten; – wenn sie sich weigern, Soldat zu sein; wenn sie anfangen, an sich selbst zu denken.
hehehe

MARIE.
Wird denn das ohne Gewalt gehen?
hehehe

SCHENK.
Nein, gewiß nicht. Das ist in Rußland nicht ohne Gewalt gegangen, und bei uns sind die Widerstände noch größer, besonders, solange sie sich einbilden, daß sie siegen werden!
happy

MARIE.
Das gäbe ja dann den Krieg unter uns selber?
happy

SCHENK.
Ohne den wird es nicht abgehen.
beh

KLAGENFURTER.
Aber da geht Seebald eben nicht mehr mit. Sein drittes Wort ist: Keine Gewalt!
beh

SCHENK.
Er muß! – Am Ende wird auch er es einsehen. Waffen zerbrechen nur unter Druck.
dude come on

MARIE.
Ich glaube, sie kommen schon. Man hört Tritte.
hehehe

KLAGENFURTER
öffnet die Tür.
Nur herein alle!
Es treten auf Braun, Fischer, Rosa Fiebig und Dietrich. Hinter ihnen in Feldgrau mit Stock der Kriegsblinde Ernst Laßmann am Arm von Mathilde Laßmann. Begrüßung unter Stimmengewirre, aus dem Dietrichs Organ sonor heraustönt.
beh

MARIE.
Führ deinen Mann aufs Sofa, Mathilde. Man macht für Laßmann Platz.
concentrated

KLAGENFURTER.
So. Setzt euch, wo ihr Platz findet. Geh, Anton, zieh mal den Koffer mit vor. Zieht mit Braun den Koffer mitten ins Zimmer. Seid ihr schon alle? – Die Sachen nur immer aufs Bett.
monocole

BRAUN.
Trotz und Färber konnten nicht abkommen.
monocole

SCHENK.
Und Flora Severin?
concentrated

DIETRICH.
Die muß wohl erst ihren Dichterling aus dem Kaffee holen.
hehehe

SCHENK.
Laß doch die Witze!
beh

ROSA.
Ist Rund noch nicht da?
hehehe

DIETRICH.
Such mal unter dem Bett! Lacht gewaltig.
Man hat allmählich die Plätze eingenommen: Auf dem Sofa links Laßmann, rechts neben ihm seine Frau, auf den Stühlen am Tisch Klagenfurter und Braun. Am Küchentisch Dietrich und Fischer. Marie sitzt auf einem Schemel vor dem Herd. Rosa hat sich auf den Koffer gesetzt. Schenk steht am Fußende des Bettes angelehnt.
kittehsmile

KLAGENFURTER
zu Laßmann.
Na, Ernst, wie schaut's immer?
kittehsmile

LASSMANN.
Mit dem Schauen hat sich's aufgehört.
beh

DIETRICH.
Diese Hunde, diese verfluchten! Andern die Augen herausschießen können sie, statt sie sich selbst aus dem Kopf zu schämen!
kittehsmile

MARIE.
Wollen Sie sich nicht setzen, Schenk?
pfftch

SCHENK.
Ich stehe lieber. Bei Dietrichs Gebrüll müßt ich ja doch über kurz oder lang vom Stuhl fallen.
hehehe

DIETRICH.
Ist es nicht wahr, was ich sage? Habt ihr den Tagesbericht gelesen heute? 40 Lokomotiven haben sie erbeutet und über 1200 Eisenbahnwagen. Und wo? In Rußland, wo sich kein Mensch mehr wehrt, wo sie den Frieden geschlossen haben – die Halunken. Erbeutet nennen sie das! Gestohlen haben sie's, ganz gemein gestohlen, diese Boches, die verdammten! Im Rußland der Revolution. Im Lande der Freiheit!
hehehe

KLAGENFURTER.
Nicht so laut, Dietrich! Die Wände sind nicht so dick!
happy

DIETRICH.
Natürlich, alles Bruch, alles Dreck in diesem Lande des Schwindels. Aber sie sollen es nur hören, die Leute. Meine Ansicht ist kein Geheimnis. Ich hasse es – mein sogenanntes Vaterland.
concentrated

SCHENK.
Ist schon recht, Dietrich. Aber du bist hier nicht in einer Volksversammlung. Wir haben über sehr wichtige Dinge zu reden, die die Nachbarschaft vorläufig noch gar nichts angehen. Also brüll nicht so – tu uns den Gefallen.
happy

DIETRICH
leiser.
Es geht nun manchmal mit mir durch, die Wut. – Diese Bande! Elende –
happy

BRAUN
zu Klagenfurter.
Kretsch hat nach dir gefragt, Stefan.
hehehe

KLAGENFURTER.
Der Maschinenmeister? Er wußte doch, daß ich zur Musterung war.
happy

BRAUN.
Er meinte, am Nachmittag hättest du doch zur Arbeit kommen können.
happy

KLAGENFURTER.
Wann bin ich heimgekommen, Miezl?
concentrated

MARIE.
Es war gerade halb vier.
hehehe

KLAGENFURTER.
Übrigens wäre ich sonst auch nicht mehr hingegangen.
happy

FISCHER.
Ich hab's ihm gegeben.
concentrated

SCHENK.
Was? Du, der große Schweiger, hast dem Kerl eine Standrede gehalten?
dude come on

FISCHER.
Ja.
kittehsmile

KLAGENFURTER.
Was hast du ihm denn gesagt, Fischer?
kittehsmile

FISCHER.
Rindvieh! hab ich gesagt. Gelächter.
kittehsmile

ROSA.
Kretsch ist ja reklamiert.
hehehe

DIETRICH.
So sind sie alle, diese Schufte. Um ihr bißchen Kadaver zu salvieren, treten sie auf den Arbeitern herum und machen sich vor den Direktoren in die Hosen.
dude come on

LASSMANN.
Mich hat ein Meister herausgedrängelt, um an meinen Platz einen Verwandten von seiner Frau reklamieren zu lassen.
happy

FRAU LASSMANN.
Und so ist er zurück – beide Augen! Und meine sechs Kinder daheim!
beh

LASSMANN.
Und der andere ist zehn Jahre jünger und gesund und arbeitet jetzt noch an meinem Posten.
concentrated

BRAUN.
Ja, dich hat's am bösesten hergenommen, Ernst.
kittehsmile

LASSMANN.
Wär besser gewesen, es hätt mich ganz zerrissen.
dude come on

SCHENK.
Unsinn, Laßmann; wenn's losgeht, können wir dich immer noch brauchen.
kittehsmile

LASSMANN.
Was soll ich wohl noch nützen können?
kittehsmile

KLAGENFURTER.
Es genügt, wenn du dich bloß hinstellst und den Leuten zeigst: Das ist der Krieg!
hehehe

DIETRICH.
Diese Hunde! Er hat sich auf den Küchentisch gesetzt.
monocole

MARIE.
Wie geht's denn zu Hause bei dir, Tilde?
pfftch

FRAU LASSMANN.
Ach, frag gar nicht. Mit den paar Groschen Unterstützung, da kann man ja das Nötigste nicht heranschaffen. Und dann der Mietzins. Ich kann doch nicht selbst auch noch auf Arbeit gehen – mit den kleinen Kindern. Und wer soll Ernst führen?
monocole

ROSA.
Überhaupt soviel Elend jetzt.
happy

SCHENK
ist ein paarmal auf und nieder gelaufen.
Ja, auf der einen Seite. Aber uns Arbeitern geht es viel zu gut. Die hohen Löhne verderben alles.
hehehe

DIETRICH.
Sollen sie vielleicht nicht mal zahlen, die Ausbeuter?
happy

SCHENK.
Schon, aber den Arbeitern geht der Anstand zum Teufel. Sie saufen Sekt und vergessen, daß sie kein Brot haben.
happy

DIETRICH.
Da hast du recht. Sie verdienen es, daß sie für den Kapitalismus verrecken!
herp

ROSA.
Am schlimmsten ist es bei den Munitionsarbeitern.
herp

FISCHER.
Und den Weibern.
concentrated

SCHENK.
Das ist das Traurigste, daß sich überhaupt Frauen dazu finden, Granaten zu machen. Blutarbeit – und jede macht einen Mann frei für den Heldentod.
herp

KLAGENFURTER.
Ob die für einen Streik zu kriegen sein werden – da hab ich Angst. Man hört draußen Stimmen.
happy

ROSA.
Jetzt kommen sie. – Ich höre Runds Stimme.
beh

KLAGENFURTER
zur Tür.
Ja – nur herein!
Es treten auf Fritz Rund, Soldat, eisernes Kreuzband, Trotz, weißbärtiger Arbeiter, Färber. Begrüßung.
pfftch

DIETRICH.
Auf daß das Haus voll werde!
herp

MARIE.
Legen Sie ab und setzen Sie sich. Es wird sich schon noch Platz finden.
happy

KLAGENFURTER.
Hier auf dem Sofa ist noch Platz.
beh

ROSA
zu Rund.
Komm, Fritz, setz dich zu mir auf den Koffer. Trotz nimmt auf dem Sofa, links von Laßmann, Platz, Rund auf dem Koffer und Färber auf einem Hocker am Tisch.
herp

FÄRBER.
Na, Schenk, hast du einen Schlachtplan entworfen?
pfftch

BRAUN.
Wir könnten ja jetzt anfangen mit der Besprechung.
pfftch

SCHENK.
Kommt denn Flora nicht? Auf die müssen wir warten.
concentrated

FÄRBER.
Doch, sie wollte nur Tiedtken abholen. Sie wird wohl bald hier sein.
happy

KLAGENFURTER.
Ich meine auch, wir sollten uns nicht aufhalten lassen.
pfftch

SCHENK.
Ohne Flora! Aber Stefan, wie kann dir das in den Sinn kommen?
herp

KLAGENFURTER.
Wenn sie doch bald kommt! Sie wird sich schon zurechtfinden.
dude come on

SCHENK.
Davon kann gar keine Rede sein. Der beste Kopf, das schärfste Auge. –
monocole

DIETRICH.
Und die schönste Figur – was?
monocole

SCHENK.
Halt 's Maul! Hustet heftig.
beh

DIETRICH.
Na, ist ja nicht so gemeint, Raffael! – War bloß Scherz.
beh

SCHENK
erregt und hustend.
Unterlaß solche Scherze, bitte.
kittehsmile

TROTZ.
Ich meine aber auch, wir müssen auf die Severin warten. Wir können alle nicht so genau erkennen, wie es eigentlich steht. Was wissen wir? – Aus den Zeitungen!
concentrated

FISCHER.
Lauter Lügen!
dude come on

KLAGENFURTER.
Ich dachte nur – wie es bei den Arbeitern ist, sehen wir doch besser.
concentrated

BRAUN.
Wie denken denn die Soldaten, Rund?
hehehe

RUND.
Die schon draußen waren, sind meistens gut. Aber die jungen – besonders die vom Lande – glauben noch alles.
herp

DIETRICH.
Ganz recht geschieht's ihnen, wenn sie draußen krepieren – die Idioten!
hehehe

TROTZ.
Sie haben dich genommen, Stefan?
dude come on

KLAGENFURTER.
Ja.
concentrated

TROTZ.
Meinst du, daß sie dich bald holen?
herp

RUND.
Sie ziehen jetzt alles ein, und dann führen sie ja auch Listen über die Gesinnung.
hehehe

MARIE.
Mein Gott!
happy

RUND.
Es heißt, im Westen wollen sie durchbrechen.
monocole

DIETRICH.
Können vor Lachen!
hehehe

FÄRBER.
Wenn sie jetzt in Rußland alle Truppen freibekommen – Millionen –
hehehe

BRAUN.
Aber die Amerikaner –
pfftch

ROSA.
Glaubst du denn, Fritz, daß sie was machen können?
monocole

RUND.
Ich kann's auch nicht wissen.
hehehe

MARIE.
Wenn es nur dann Frieden gäbe!
concentrated

SCHENK.
Frieden? Dann? – Wenn sie durchbrechen, dann geht der Krieg erst an.
beh

FÄRBER.
Ich weiß nicht recht: – Wenn sie Paris kriegen – und die U-Boote –?
monocole

SCHENK.
Und wenn sie ganz Frankreich kriegen und England dazu, dann haben sie noch gar nichts. Bloß der Krieg dauert drei Jahre länger – oder auch zehn Jahre.
monocole

FRAU LASSMANN
aufspringend, krampfhaft.
Aufhören soll's, nur aufhören! Mein blinder Mann! Meine armen Kinder!
concentrated

LASSMANN.
Ruhig, Tilde! Wir müssen's nehmen, wie es ist.
dude come on

MARIE
weint auf.
Mein Gott! Mein Gott!
herp

KLAGENFURTER
geht zu ihr.
Reg dich doch nicht auf, Schatz! Denk doch an dich!
hehehe

TROTZ
ist aufgestanden.
Die Frauen haben wohl Grund zum Weinen. Aber sie haben die schönste Aufgabe. Ihr müßt zu uns Männern stehen, wenn die Stunde da ist. Wenn ihr uns verlaßt, sind wir verlassen.
beh

SCHENK.
Zuerst dürfen wir uns selbst nicht verlassen. Frieden kann nur das Proletariat schaffen. Und so lang ist kein Frieden, wie nicht Revolution ist.
happy

DIETRICH.
Bravo! Aufstehen müssen wir! Generalstreik! Revolution!
kittehsmile

TROTZ.
Revolution – ja! Für den Frieden – ja! – Aber was ist Friede? Die Revolution muß den Sozialismus bringen, sonst bringt sie auch den Frieden nicht. Vielleicht bin ich noch nicht zu alt, um es zu erleben.
Klopfen. Gleichzeitig öffnet sich die Tür. Es tritt ein Flora Severin, hinter ihr Rudolf Tiedtken.
happy

FLORA
noch in der Tür.
Genossen! Gut, daß ich euch zusammen treffe. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Berlin steht auf. Allgemeine Erregung, lebhaftes Durcheinander.
kittehsmile

DIETRICH
durch den Lärm hörbar.
Unsere Stunde! Jetzt zu den Massen! Auf die Straße! Will zur Tür.
dude come on

TROTZ
tritt ihm in den Weg.
Dietrich! Kindskopf mit deinen fünfzig Jahren! Jetzt heißt's hierbleiben. Jetzt heißt's: Klarheit vor allem!
happy

SCHENK
laut.
Ruhe!! Allgemeines Schweigen. Wissen Sie Genaueres, Flora?
monocole

FLORA.
Es ist ein Extrablatt erschienen. – Tiedtken kann es vorlesen.
concentrated

TIEDTKEN
zieht das Blatt aus der Tasche.
Hier ist es. Liest. »An die Bevölkerung! Durch feindliche Agenten und gewissenlose Hetzer verführt –«
kittehsmile

DIETRICH.
Natürlich! Diese Halunken!
hehehe

BRAUN.
Still doch, Dietrich!
monocole

TIEDTKEN.
»– haben in Berlin die Arbeiter einzelner Betriebe die Arbeit niedergelegt. Sie stellen an die Regierung die wahnwitzige Forderung, sie sollte die Feinde um Frieden bitten, und drohen der Regierung mit der Einsetzung von Arbeiterräten. –«
concentrated

SCHENK
zu Flora.
Gott sei Dank! Keine Lohnforderungen!
monocole

TIEDTKEN.
»Im Bewußtsein ihrer vaterländischen Pflicht ist die große Mehrheit der Arbeiterschaft dem frivolen Ansinnen, den Generalstreik zu proklamieren, nicht gefolgt. Vor allem haben die berufenen Vertreter der Arbeiterschaft, die sozialdemokratische Partei und die Gewerkschaftskommission jede Gemeinschaft mit den verräterischen Elementen ausdrücklich verweigert.«
happy

DIETRICH.
Aha! Aha! Das sind die Richtigen!
kittehsmile

TIEDTKEN.
»Immerhin ist der Umfang der Bewegung noch nicht genau zu übersehen –«
hehehe

TROTZ.
Das klingt schon etwas besser.
happy

TIEDTKEN.
»– und kleinere Herde des verbrecherischen Unternehmens sind bereits an anderen Orten entstanden, jedoch großenteils bereits im Keime erstickt worden. – Es besteht der begründete Verdacht, daß auch in unserer Stadt einzelne Personen danach trachten, Unruhe und Widerstand in die Reihen der werktätigen Bevölkerung zu tragen. Diese Personen sind der Behörde genau bekannt.«
beh

MARIE.
Steffi, glaubst du das?
hehehe

KLAGENFURTER.
Ruhig, Liebling. Das sind Schreckschüsse.
concentrated

TIEDTKEN.
»Im Vertrauen auf die bewährte Besonnenheit und das vaterländische Empfinden der hiesigen Arbeiterschaft warne ich auf das nachdrücklichste vor jeder Teilnahme an verschwörerischen Veranstaltungen. Das deutsche Volk steht seit dreieinhalb Jahren im heroischen Verteidigungskampf gegen eine Welt von Feinden. Die beispiellosen Leistungen unserer feldgrauen Helden haben die Grenzen unseres über alles geliebten Heimatlandes von den Schrecken feindlicher Invasionen frei gehalten. Der russische Koloß liegt zerschmettert am Boden.«
concentrated

DIETRICH.
Und jetzt trampeln sie darauf herum und rauben ihn aus, die Schufte!
beh

BRAUN.
Ruhe! Wir wollen hören.
hehehe

TIEDTKEN.
»Die heldenmütigen Besatzungen unserer U-Boote sind im Begriff, unseren heimtückischsten und erbittertsten Gegner, das perfide Albion, in die Knie zu zwingen. Nur noch kurze Zeit des Ausharrens – und sämtliche Feinde werden niedergeworfen, den Frieden von uns erbitten, der der Ehre und Sicherheit Deutschlands Genüge tun und die Existenz des deutschen Volkes für alle Zeiten sicherstellen wird.
In diesem Augenblicke gilt es, die letzten Kräfte zusammenzuraffen. Wer jetzt streikt, schlägt unseren tapferen Truppen das Gewehr aus der Hand und begeht Verrat am Vaterlande. Ich verbiete daher jeden Streik, jede Ansammlung auf der Straße, jede nicht 48 Stunden vorher schriftlich angemeldete Versammlung. Wer in der Fabrik oder sonstwo zum Streik auffordert, wer Flugschriften verteilt, aufreizende Reden führt, unwahre Gerüchte verbreitet oder sich in irgendeiner Weise gegen meine Anordnungen vergeht, wird wegen Landesverrats belangt und sofort verhaftet.
Bei Zusammenrottungen wird rücksichtslos von der Waffe Gebrauch gemacht werden!
Der kommandierende General
Freiherr von Lychenheim.«
concentrated

DIETRICH.
Sie sollen nur kommen, diese Hunde!
hehehe

SCHENK.
Ja, dann müssen wir eben wissen, was wir zu tun haben.
pfftch

FLORA.
Lies weiter, Rudolf, es kommt noch was.
hehehe

BRAUN.
Da bin ich neugierig.
hehehe

TIEDTKEN
liest.
»Parteigenossen! Organisierte Arbeiter und Arbeiterinnen!«
dude come on

FÄRBER.
Was? Auf demselben Blatt?
herp

TIEDTKEN.
Direkt darunter. – Also: »Die sozialdemokratische Partei und das Kartell freier Gewerkschaften mißbilligt auf das entschiedenste den Versuch mißleiteter oder aus unsauberen Quellen gespeister Arbeiter –«
happy

TROTZ.
Unerhört!
pfftch

TIEDTKEN.
»– in diesem Moment, der die siegreiche Entscheidung des Krieges nahe erwarten läßt, den an der Front kämpfenden Proletariern in den Rücken zu fallen. Wir ersuchen die Genossen dringend, proletarische Disziplin zu halten, sich nicht von unverantwortlichen Hetzern, die wahrscheinlich im Solde der Entente stehen –«
beh

FÄRBER.
Noch einmal.
beh

DIETRICH.
Diese Hunde!
happy

TIEDTKEN.
»– zu eigenmächtigen Handlungen hinreißen zu lassen und jeden, der es unternimmt, Verwirrung zu stiften, unverzüglich zur Anzeige zu bringen.–«
happy

DIETRICH.
Saubande! Erschlagen muß man sie!
happy

KLAGENFURTER.
Still doch!
happy

TIEDTKEN.
»Proletarier! Die deutsche Regierung hat bewiesen, daß sie den Krieg beenden möchte, sobald es möglich ist. Ihr Friedensangebot an die Feinde ist jedoch mit Hohn und Spott zurückgewiesen worden. Daher müssen wir noch kurze Zeit durchhalten. Nach dem Krieg wird die Zeit kommen, wo auch wir Arbeiter unsere Forderungen zur Geltung bringen werden. Jetzt keine Uneinigkeit unter uns Deutschen! Den Schaden trüge nur die Arbeiterklasse selbst. Vertrauen zu den berufenen Führern des Proletariats – das ist der sicherste und schnellste Weg, um den heißersehnten Frieden herbeizuführen.

Die Sozialdemokratische Partei:

Im Auftrag: Gerhard Weher.

Das Kartell Freier Gewerkschaften:

Im Auftrag: Jakob Tann.«

hehehe

SCHENK
ist, die Hände auf dem Rücken, erregt hin und her gelaufen.
Wir dürfen keine Zeit verlieren. In drei Tagen muß alles stilliegen – spätestens.
monocole

DIETRICH.
In drei Tagen? – Morgen früh!
pfftch

TROTZ.
Wie willst du denn das machen, Junge? Es muß gut organisiert sein. Vielleicht können wir es bis übermorgen schaffen.
hehehe

FLORA.
Einen Augenblick noch. Es sind Telegramme angeschlagen von der Tageszeitung: Man schätzt die Zahl der Streikenden auf hundert- bis hundertfünfzigtausend.
hehehe

SCHENK.
Wenn das zugegeben wird, sind es fünfhunderttausend.
concentrated

FLORA.
In Leipzig, Halle, Frankfurt und im Ruhrgebiet sollen Bewegungen im Gange sein.
hehehe

FÄRBER.
Die Bergleute! Bravo!
monocole

FLORA.
Überall verschärfter Belagerungszustand.
herp

DIETRICH.
Die feige Bande!
beh

BRAUN.
Von militärischen Eingriffen steht nichts da?
hehehe

FLORA.
Nein – es scheint noch nicht –
beh

DIETRICH.
Sie werden sich hüten! Die Soldaten schießen nicht auf ihre Brüder!
happy

TROTZ.
Weißt du das so gewiß?
concentrated

ROSA.
Fritz meint –
happy

TIEDTKEN.
Ja – was denken Sie, Herr Rund?
hehehe

RUND.
Die Rekruten werden schießen, das glaube ich sicher.
happy

FÄRBER.
Könnt ihr älteren Soldaten sie nicht davon abbringen?
herp

RUND.
Das ist schwer zu sagen. Es traut sich ja niemand. Also was soll geschehen? – Genosse Schenk, Sie wollten heute doch ohnehin Ihren Plan für einen solchen Fall entwickeln.
beh

SCHENK.
Ich denke mir die Sache so: Zunächst brauchen wir Flugblätter – einfache Handzettel. – Welches Datum haben wir?
kittehsmile

ROSA.
Den 28. Januar.
dude come on

SCHENK.
Gut, wir müssen sehen, daß wir womöglich übermorgen schon handeln können. Man kann nicht wissen, was inzwischen in Berlin vorgeht. – Flora, Sie schreiben es.
happy

FLORA.
Kann das nicht Tiedtken machen?
hehehe

SCHENK.
Nein, Sie! Ich habe persönlich kein Mißtrauen gegen Sie, Herr Tiedtken. Aber Sie sind Literat, Sie sind Intellektueller.
happy

FLORA.
Und ich bin Studentin – also nicht auch Intellektuelle?
beh

SCHENK
fanatisch, vor ihr.
Sie! Nein, Sie gehören zu uns! Sie haben das – das Besondere. Sie sind Proletarierin!
concentrated

FLORA
reicht ihm die Hand.
Ich hoffe es.
herp

TROTZ.
Das ist wahr. Das wird in die Wiege gelegt, wenn es auch eine seidene ist. Erlernen läßt sich's nicht. – Nichts für ungut, Herr Tiedtken.
kittehsmile

TIEDTKEN.
Ich dächte doch – meine Überzeugung –
happy

BRAUN.
Die können Sie in den nächsten Tagen zeigen.
hehehe

KLAGENFURTER.
Zur Sache jetzt aber!
kittehsmile

SCHENK.
Dann hört zu. Die Flugblätter ganz kurz: Der Kriegsbetrug, Brest-Litowsk. Der Raubzug im revolutionären Rußland, Berlin, Solidaritätspflicht – heraus! – Ich drucke die Geschichte nachts in meiner Bude.
kittehsmile

DIETRICH.
Und morgen tragen wir die Zettel aus.
kittehsmile

FÄRBER.
Damit du gleich festsitzt?
beh

SCHENK.
Dummheit. Jeder nimmt einen kleinen Stoß und verteilt ihn unbemerkt vor der Arbeit oder während der Brotzeit auf die Plätze. Niemand darf wissen, woher die Zettel kommen. Nach der Verteilung darf keiner mehr als einen bei sich haben. Geht das?
monocole

FISCHER.
Leicht.
kittehsmile

SCHENK.
Gut. Du bist ein ruhiger Mensch, Fischer, du kannst es beurteilen. – Das geschieht morgen. Außerdem muß jeder in der Mittagspause oder schon früh vor der Arbeit an einige absolut zuverlässige Genossen –
hehehe

TROTZ.
Absolut zuverlässige – Dietrich!
monocole

DIETRICH.
Das brauchst du doch mir nicht zu sagen.
hehehe

KLAGENFURTER.
Na ja, du bist schon manchmal etwas vertrauensselig.
dude come on

DIETRICH.
Ich? – Ihr werdet mich kennenlernen!
kittehsmile

FLORA.
Weiter, Schenk!
pfftch

SCHENK.
Also – ihr habt dafür zu sorgen, daß jeder größere Betrieb von vollständig sicheren Leuten mit Flugblättern bearbeitet wird. Ihr müßt noch heute abend herumlaufen und die betreffenden Genossen aufsuchen. Es muß alles klappen –
dude come on

BRAUN.
Ja – und dann?
beh

SCHENK.
Hört nur zu. – Das Wichtigste ist: Wir brauchen Seebald. An den traut sich niemand heran.
hehehe

FÄRBER.
Wenn du dich da nur nicht irrst.
concentrated

SCHENK.
Er ist ein berühmter Gelehrter. Wenn der mit den Arbeitern gemeinsame Sache macht, dann wird es auf alle einen mächtigen Eindruck machen. – Er muß mit auf die Straße.
dude come on

DIETRICH.
Jawohl, auf die Straße! Das ist die Hauptsache!
hehehe

FLORA.
Das ist auch meine Ansicht. Es muß eine große Demonstration werden – ein geschlossener Zug mit roten Fahnen –
kittehsmile

MARIE.
Sie werden hineinschießen!
happy

FLORA.
Frau Marie, wir Frauen müssen die Männer anfeuern, aber nicht sie entmutigen. Im Felde wird auch geschossen.
pfftch

SCHENK
nahe bei ihr.
Das ist schön, was Sie sagen; – das ist gut.
hehehe

ROSA.
Ich will rote Rosetten nähen heute nacht.
monocole

KLAGENFURTER.
Das ist recht, Röschen. Miezl, da gibt's für dich auch Arbeit.
kittehsmile

MARIE.
Ich muß doch meine Babywäsche machen.
herp

KLAGENFURTER.
Willst du jetzt nicht für unsere Sache mithelfen?
herp

TROTZ.
Nein, laßt sie. Das Kleine will gut empfangen sein. Marie arbeitet für die Zukunft – und das ist unsere Pflicht. – Jeder an seinem Platz.
concentrated

FLORA.
Weiter, Genossen – weiter! Es wird schon Abend. Wir müssen ans Werk!
happy

SCHENK.
Morgen abend tagt der »Bund Neuer Menschen« in der »Hütte«. Dort werde ich mit Seebald sprechen. Er muß an der Spitze marschieren.
kittehsmile

LASSMANN
steht auf, ekstatisch.
Nein – nein! An der Spitze gehe ich. Ich will die Rote Fahne tragen. Ich will die Arbeiter führen. – Ich! – Das wird sein, als wenn ich die Sonne wiedersehe –.
happy

TROTZ.
Ja. Er soll vorangehen. Der Blinde soll als erster den Frieden und die Freiheit sehen.
hehehe

KLAGENFURTER.
Es wird dunkel. Ist Öl auf der Lampe, Frau?
herp

MARIE.
Ja, für heute reicht's noch – und morgen bekomme ich wieder.
Klagenfurter zündet die Lampe an, deren trübes Licht mit dem Verschwinden des Tageslichtes langsam klarer wird.
concentrated

FLORA.
Ich schreibe also zwei Flugblätter.
herp

SCHENK.
Zwei?
beh

FLORA.
Ja – eins für die Arbeiter, und eins nimmt Rund mit in die Kaserne.
happy

SCHENK.
Richtig, das hätte ich vergessen.
concentrated

RUND.
Für die Verteilung sorge ich schon.
herp

DIETRICH.
Der Kampf geht los! Sie sollen was erleben – diese Banditen!
happy

TROTZ.
Dietrich, du kommst mit zu mir.
kittehsmile

DIETRICH.
Zu dir – jetzt?
herp

TROTZ.
Ja, du hilfst mir rote Fahnen und Plakate machen.
hehehe

FÄRBER.
Ich gehe. Muß mindestens fünf Genossen aufsuchen heute abend. Wer kommt mit?
kittehsmile

FISCHER.
Ich.
happy

BRAUN.
Ich auch. Die Firma Wachsmann wird ohnehin versorgt. Ich gehe jetzt zu Genossen von Bartels & Moser und von der Motorengesellschaft.
kittehsmile

ROSA.
Wir gehen doch jetzt alle?
dude come on

FLORA.
Kann ich die Flugblätter gleich hier schreiben?
monocole

MARIE.
Gewiß. Ich muß jetzt doch zum Abendessen einholen, und Stefan wird Sie nicht stören.
herp

KLAGENFURTER.
Ich? Meinst du denn, ich bleib zu Hause? Ich gehe mit dir, Braun. Wir müssen unterwegs die Genossen einteilen, wo wir Besuch machen. Ich gehe zuerst zu Thielmann und dann zu Schulz.
Allgemeiner Aufbruch. Man sieht in der dunklen Bettecke einzelne die Überzieher anziehen. Durcheinander der Stimmen.
dude come on

SCHENK.
Ich arbeite die Nacht durch in der Druckerei. Die Zettel können morgen früh um sechs Uhr bei mir abgeholt werden.
beh

ROSA
zu Rund.
Wenn du jetzt nichts zu tun hast, kannst du ja mit zu mir kommen und helfen.
Beide ab.
happy

FRAU LASSMANN.
Vorsichtig, Ernst. – Komm – so – hier ist mein Arm. Mit ihm ab.
Unter lautem Gespräch gehen Braun, Fischer, Färber und Klagenfurter fort.
beh

TROTZ.
Ob ich in meinen alten Tagen wirklich die Freude noch erleben soll?
hehehe

FLORA.
Es muß glücken, Genosse Trotz!
kittehsmile

SCHENK.
Es muß glücken!
happy

DIETRICH.
Wir werden es ihnen zeigen, diesen Hunden!
kittehsmile

TROTZ.
Komm jetzt! Gehst du mit uns, Schenk?
herp

SCHENK
mit Blick auf Tiedtken.
Wird wohl am besten sein. Wann kann ich die Manuskripte holen?
beh

FLORA.
In spätestens einer halben Stunde.
Schenk macht sich fertig.
happy

MARIE.
Ich gehe also jetzt auch fort. – Ist es kalt draußen?
hehehe

FLORA.
Nicht arg. Aber seien Sie vorsichtig, es könnte Glatteis geben. Rudolf, du begleitest wohl Frau Klagenfurter?
happy

TIEDTKEN.
Soll ich nicht auf dich warten?
pfftch

FLORA.
Nein, ich habe später noch mit Schenk zu sprechen.
hehehe

SCHENK
schon in der Tür.
Ich komme bald. Mit Trotz und Dietrich ab.
herp

MARIE
zu Tiedtken.
Einen Augenblick. Sie geht hinaus, schließt die Tür hinter sich.
happy

TIEDTKEN
schon im Mantel.
Du bist merkwürdig gegen mich, Flora.
hehehe

FLORA.
Mein Lieber, es ist Revolution in der Luft.
happy

TIEDTKEN.
Mißtraust du mir denn?
kittehsmile

FLORA.
Deiner Ehrlichkeit keineswegs. Aber du mußt doch merken, daß die Genossen alle dich als Eindringling empfinden. Du gehörst ja wirklich nicht dazu.
happy

TIEDTKEN.
Aber bis jetzt? – Du wenigstens –
happy

FLORA.
Bis jetzt warst du ein hübscher Junge. Und ich bin eben eine Frau.
kittehsmile

TIEDTKEN.
Du willst nichts mehr von mir wissen?
concentrated

FLORA.
Rudolf, du fragst wie ein Primaner. Es geht jetzt um das Volk, um das Proletariat. – Sieh, davon verstehst du nichts. Du weißt nicht, was das ist. Du kennst nur die Worte und bewunderst mein Mitleben in dieser Welt wie ein fremdes Schauspiel. Du bist Ästhet, Literat. – Ich bin von der anderen Welt.
happy

TIEDTKEN.
Du hast mich doch aber geliebt!
happy

FLORA.
Ja, Rudi – gewiß. Das ging bis jetzt. Aber was nun kommt, braucht mich ganz. Ich darf Körper und Geist nicht länger ein verschiedenes Leben führen lassen.
kittehsmile

TIEDTKEN
auf sie zu.
Flora! Gib mir einen Kuß!
hehehe

FLORA
zurückweichend.
Laß das, ich bitte dich.
kittehsmile

MARIE
tritt ein, in weitem Cape, das ihren Zustand einigermaßen verdeckt; Kopftuch.
So. Ich bin soweit. – Hier haben Sie Schreibzeug und Papier. Nimmt Schreibunterlage, Tintenfaß und Papier von der Kommode. Auf Wiedersehen!
hehehe

TIEDTKEN
läßt Marie zur Tür hinaus.
Leise. Auf Wiedersehen, Flora. Ab.
happy

FLORA
ebenso.
Leb wohl, Rudolf. Wendet sich ab.
Sie geht ein paarmal im Zimmer auf und nieder, bleibt am Fenster stehen. Nimmt langsam aus der Tasche ein Zigarettenetui und Zündhölzer. Zündet eine Zigarette an. Nach ein paar Schritten geht sie entschlossen zum großen Tisch, setzt sich, Gesicht zum Publikum, und schreibt. Nach kurzer Zeit draußen Schritte. Es klopft.
pfftch

FLORA.
Bitte!
dude come on

SCHENK
tritt ein.
Komm ich zu früh?
hehehe

FLORA
lacht.
Da steht bis jetzt nur die Überschrift.
beh

SCHENK
zögernd.
Soll ich später wiederkommen?
kittehsmile

FLORA.
Nein. Wir haben miteinander zu reden.
pfftch

SCHENK.
Ich glaube auch. Er hustet.
pfftch

FLORA.
Sind Sie krank, Schenk? – Ach Gott, die Zigarette!
hehehe

SCHENK.
Nein, bitte rauchen Sie. Es ist nur für den Augenblick. Er hüstelt und bekämpft sichtlich den Hustenreiz. Ich sehe Sie gerne rauchen. Es gehört zu Ihnen.
happy

FLORA.
Wirklich? Setzen Sie sich zu mir.
concentrated

SCHENK
wirft den Überzieher aufs Bett.
Kommen Sie an den anderen Tisch. Setzen sich an den runden Tisch. Wie beurteilen Sie die Lage?
dude come on

FLORA.
Wir dürfen nicht pessimistisch sein.
pfftch

SCHENK.
Aber Sie sind es?
herp

FLORA.
N-ein! Nur glaub ich für den Augenblick nicht an den Erfolg.
hehehe

SCHENK.
Und trotzdem wollen Sie die Massen in Bewegung setzen?
happy

FLORA.
Erst recht. Das Proletariat muß die Arbeiterfeindlichkeit der Herrschendem am eigenen Leib spüren. Vorher wird es zu nichts zu gebrauchen sein.
pfftch

SCHENK.
Es wird Blut fließen, Flora!
concentrated

FLORA.
Das weiß ich. Sie werden ganz sicher schießen.
happy

SCHENK.
Man wird die Besten einsperren.
concentrated

FLORA.
Ohne Zweifel.
hehehe

SCHENK.
Wie tapfer und stark Sie sind!
happy

FLORA.
Wir beide müssen zusammenstehen, Schenk. – Hören Sie mich an: Das Volk ist noch vollständig blind für alles, was vorgeht. – Der Krieg ist für Deutschland verloren.
happy

SCHENK.
Eine Verständigung ist nicht mehr möglich?
monocole

FLORA.
Nach Brest-Litowsk nicht mehr. Die Frage steht so: Wird die Niederlage durch die Revolution kommen, oder wird die Revolution die Folge der Niederlage sein? Die Revolution aus Verzweiflung über den militärischen Mißerfolg wäre das größte Unglück für das Proletariat. Im Auslande würde man unsere Revolution nicht ernst nehmen und im Inland versuchen, uns mit Reförmchen abzuspeisen.
happy

SCHENK.
Am schlimmsten wäre es, wenn wir sie noch zur West-Offensive kommen ließen. Wenn ihnen der Durchbruch gelingt, dauert der Krieg noch jahrelang.
happy

FLORA.
Und der Pöbel läßt sich von neuem foppen, hängt Fahnen heraus, zeichnet Kriegsanleihe und schreit Hurra für Kaiser und Hindenburg. Es gibt nur einen Weg – den, den die Bolschewiki gegangen sind. Der Krieg muß durch die Revolution sabotiert werden. Das deutsche Volk muß die Niederlage erzwingen.
herp

SCHENK.
Aber wird man uns nicht ein Brest-Litowsk machen?
herp

FLORA.
Nur, wenn wir den Krieg erst militärisch verlieren. Dann kann der Entente-Imperialismus mit Deutschland machen, was er will. Das Proletariat drüben hat dann wenig Interesse, es zu verhindern – am wenigsten, wenn wir jetzt den Raubzug gegen Sowjetrußland geschehen lassen. Dann ist der Krieg vom Kapitalismus begonnen und von ihm bis zu Ende geführt worden, und der siegreiche Kapitalismus wird die Leiche des Besiegten fleddern. Das ist selbstverständlich.
monocole

SCHENK.
Deutschland gibt ja das Beispiel selber.
pfftch

FLORA.
Bringen wir aber den Krieg durch Insurrektion zu Ende, dann werden sich die Sieger hüten, das nachzumachen, was ihnen die Deutschen jetzt vormachen.
kittehsmile

SCHENK.
Ihre Proletarier werden es ihnen nicht erlauben.
happy

FLORA.
Bestimmt nicht. Dann ist aber für den Entente-Imperialismus der Sieg kein Sieg mehr – und die Revolution kommt in allen Ländern zum Ausbruch.
happy

SCHENK.
Die Weltrevolution?!
dude come on

FLORA.
Die Weltrevolution! – und der Sieg des Sozialismus, des Kommunismus. Es hängt alles vom deutschen Proletariat ab.
happy

SCHENK.
Aber Sie glauben doch nicht an den Erfolg?
herp

FLORA.
Noch nicht. Nur muß es eine wirkliche Rebellion werden, kein Versuch einer Minderheit, der im Keim steckenbleibt. Der moralische Eindruck bleibt der gleiche, wenn wir auch diesmal noch unterliegen. Das Volk braucht die Lehre.
beh

SCHENK.
Glauben Sie denn, daß eine wirkliche Erhebung zustande kommen wird?
concentrated

FLORA.
Ich fürchte das Militär weniger als – die Arbeiterführer.
concentrated

SCHENK.
Ja. Das ist das Gift im Leibe des deutschen Proletariats.
pfftch

FLORA.
Wenn es uns gelänge, die Sozialdemokratische Partei und die Gewerkschaften zu sprengen, dann hätten wir gewonnen – auch wenn wir äußerlich verlieren.
kittehsmile

SCHENK.
Räte brauchten wir – Arbeiter- und Soldatenräte.
hehehe

FLORA.
Die will ich auch in den Flugblättern fordern. – Jetzt ist das wichtigste, daß wir alle Parteiführer von der Bewegung fernhalten.
pfftch

SCHENK.
Deshalb muß eben Seebald an die Spitze.
kittehsmile

FLORA.
Es wäre gut, aber er ist – Pazifist, wenn er auch weitergeht, wenn er auch Tolstoische Gedanken predigt. Ich fürchte, Schenk, er ist nur Prediger!
hehehe

SCHENK.
Nein – nein! Wir müssen mit ihm reden. Wir werden ihn gewinnen.
dude come on

FLORA.
Wird aber viel gewonnen sein, wenn er den Massen sagt: Die Waffen nieder!? – Wir brauchen einen Mann, der ihnen zuruft: An die Gewehre!
happy

SCHENK
faßt ihre Hände.
Ja – ja. Der Streik nützt nichts, wenn er nicht zum Aufstand wird. Nachdenklich. Das kommt darauf an, Seebald erst einmal auf der Straße zu haben. Bringen wir ihn dahin, dann können wir ihn auch zum Handeln zwingen.
dude come on

FLORA.
Wie – zwingen? – Er wird zur passiven Demonstration raten.
hehehe

SCHENK.
Auch noch, wenn die andern aktiv werden? Sein Freund Lecharjow hat's 1909 in Rußland mitgemacht. Der wird ihn treiben.
kittehsmile

FLORA.
Es gibt Christusnaturen. –
dude come on

SCHENK
plötzlich.
Wäre ich nur ein bißchen gesünder, ich würde freiwillig Soldat – um mit dabei zu sein, wenn es gegen die Arbeiter ginge.
hehehe

FLORA.
Gegen die Arbeiter?
beh

SCHENK.
Ja, doch! – Um im entscheidenden Augenblick überzugehen.
hehehe

FLORA.
Dann müßten Sie vorher die ganze Zeit Theater spielen?
pfftch

SCHENK.
Und wenn! Besinnt sich. Vielleicht hätte ich mich nie bekennen sollen – zu meiner Überzeugung.
concentrated

FLORA.
Nie bekennen?
herp

SCHENK.
Im Bunde mit dem Feinde arbeiten – und ihn dann –
happy

FLORA.
– verraten!
herp

SCHENK.
Ja! Der Feind lehrt den Menschen handeln. – Kann sein, daß auch Seebald erst vom Feind zur Pflicht gebracht wird: wenn sie ihn persönlich anfassen.
herp

FLORA.
Das werden sie nicht. – Sie haben auch Tolstoi nichts getan in Rußland.
happy

SCHENK.
Ich weiß. Seebald ist der Abgott der Menge – und sein Ruf in der ganzen Welt. Ein Gelehrter – ein Philosoph. –
hehehe

FLORA.
An ihn wagen sie sich nicht heran. Auch das gebildete Bürgertum steht für ihn auf – die Studenten.
pfftch

SCHENK.
An die glaub ich am wenigsten. Aber gleichviel. – Wenn es nicht anders geht, muß Seebald geopfert werden.
happy

FLORA.
Geopfert?
herp

SCHENK.
Das heißt, er muß an den gefährlichsten Posten. – Und er muß selbst zum Sturm aufrufen. Dann werden sie auch nach ihm greifen.
hehehe

FLORA.
Sie lieben doch Mathias Seebald?
concentrated

SCHENK.
Ich? – Für ihn sterben könnte ich jede Minute. Er ist ein herrlicher Mensch, der reinste und beste. Er ist mein Vorbild, mein Meister.
kittehsmile

FLORA.
Und Sie würden ihn opfern?
pfftch

SCHENK.
Wenn es die Sache verlangt – natürlich!
happy

FLORA
ist aufgestanden, fährt ihm durchs Haar.
Gäbe es kein Verbrechen, Raffael, das Sie der Revolution verweigerten?
beh

SCHENK.
Was der Revolution dient – wie kann das Verbrechen sein?
happy

FLORA.
Du bist ein ganzer Mensch. Wir wollen zusammenhalten.
concentrated

SCHENK
ergreift ihre Hände.
Das wollen wir! – Flora! – Ich will dein Freund sein, wo du mich brauchst.
pfftch

FLORA.
Und volles Vertrauen – immer und überall! Schenk Volles Vertrauen! – Nur eins: es ist nicht Eigennutz – –
concentrated

FLORA.
Sprich nur! –
concentrated

SCHENK.
Flora – ob du Tiedtken liebhast – ist deine Sache. Aber – er soll nicht dein Kamerad sein.
hehehe

FLORA.
Ich habe Rudolf fortgeschickt.
herp

SCHENK.
Ganz?
herp

FLORA.
Ja. – Bist du zufrieden? Sie küßt ihm die Stirn.
happy

SCHENK
zieht sie an sich.
Ich liebe dich schon lange – lange.
happy

FLORA
macht sich sanft von ihm los.
Wir schließen den Bund –
happy

SCHENK.
Fürs Leben?
hehehe

FLORA.
Für die Tat, Raffael!
happy

SCHENK.

Die Tat – –!!

Vorhang.

2. Akt

Zweiter Akt

Am Abend des nächsten Tages. Vereinszimmer der »Hütte«. Vorn ein schmaler Raum in der ganzen Ausdehnung der Bühne. An ihn schließt sich ohne Tür ein langes, in den Hintergrund führendes Zimmer an, das die Wand in der Mitte rechtwinklig durchbricht und etwa die halbe Breite des vorderen Raumes hat. Der Eingang zum zweiten Zimmer wird von Portieren und zwei Kübeln mit Blattpflanzen flankiert. Im vorderen Raum links ein Klavier mit Drehschemel. An der Hinterwand rechts Bank mit Armlehnen, davor ein längerer Tisch mit bunter Wirtshausdecke und Stühlen. Rechts von Holzläden verdecktes Fenster. Links vom Ausgang ein Schränkchen mit studentischen Verbindungszeichen. Darüber zwei gekreuzte Rapiere. An den Wänden Bilder des deutschen Kaisers, Hindenburgs und anderer Heerführer. Über der Bank eine Draperie von Fähnchen in deutschen, österreichischen, ungarischen, türkischen und bulgarischen Farben. Ein Fußläufer bedeckt einen Teil des Bodens. Elektrische Birnenarrangements über dem Klavier und zu beiden Seiten des Eingangs. Im hinteren Raum sieht man durch die Pflanzenkübel hindurch einen langen, ungedeckten Tisch mit Stühlen zu beiden Seiten und ganz im Hintergrund eine große Milchglastür, die von rückwärts schwach erleuchtet ist. Im vorderen Raum helle Beleuchtung, die den schwächer beleuchteten zweiten Raum in undeutliches Licht setzt. Wenn sich die Glastür hinten öffnet, ändert sich dabei die Beleuchtung. Der vordere Raum ist leer, im zweiten ist Stimmengewirr, man sieht undeutlich sich verschiedene Personen bewegen. Aus ihnen lösen sich Werra Adler, ältliche, aber jugendlich aufgeputzte Person, und Klara Wendt, junges Mädchen, die Arm in Arm den Vordergrund betreten.
happy

WERRA.
Und hier, siehst du, bleibt dann meistens nach den Diskussionen der engste Kreis beisammen – im ganz internen Gespräch.
dude come on

KLARA.
Da ist Herr Professor Seebald wohl immer dabei?
beh

WERRA.
Unser Meister! – Um den gruppiert sich doch alles. Ach, ich freue mich so, daß du ihn heute kennenlernen wirst.
hehehe

KLARA.
Ich auch – aber, ehrlich gestanden, ich bin etwas ängstlich. – So ein berühmter Mann. –
kittehsmile

WERRA.
So ein großer Mann, Klärchen! Aber du brauchst nichts zu fürchten –, er ist nicht hochmütig.
monocole

KLARA.
Das erkennt man ja schon daran, daß so viele einfache Arbeiter hier sind.
herp

WERRA.
Du kannst mir glauben: Auf die bin ich oft geradezu eifersüchtig. Unsereiner kommt sich manchmal wie geduldet vor, so bevorzugt er das niedere Volk.
beh

KLARA.
Aber nach den Vorträgen – hier hinten – da finden sich wohl mehr die gebildeten Teilnehmer zusammen?
hehehe

WERRA.
Das ist verschieden. Manchmal schickt er uns Bessere direkt fort. – Du hast doch den lahmen Rothaarigen gesehen drinnen?
hehehe

KLARA.
Den blassen Menschen, der immer so hüstelt?
kittehsmile

WERRA.
Das ist sein Liebling; ein gewöhnlicher Buchdruckergeselle.
happy

KLARA.
Denk nur!
happy

WERRA.
Der bleibt fast immer mit hier; auch wenn bloß noch Klaviervorträge sind oder ein jüngerer Dichter, zum Beispiel Herr Tiedtken, Verse vorträgt.
happy

KLARA.
Ja, können denn diese Leute dies überhaupt verstehen?
hehehe

WERRA.
Der Meister glaubt es, ja. – Er ist so gut!
Hinten werden Stühle gerückt; lauteres Sprechen. Der Wirt Präzold kommt vor, hinter ihm Damen und Herren, darunter Dr. Bossenius, und einzelne Arbeiter, unter ihnen Schenk und Klagenfurter.
happy

PRÄZOLD
sich umschauend.
Herr Professor ist also wohl noch nicht da?
dude come on

DR.
BOSSENIUS. Müssen Sie ihn denn selber sprechen?
kittehsmile

PRÄZOLD.
Ist vielleicht nicht mal nötig. Ich möchte den Herrschaften bloß sagen, daß die Versammlung heute nicht sein kann.
hehehe

DAMEN.
Oh! Ach! – Ja, warum denn nicht?
happy

PRÄZOLD.
Ja – es ist grad wieder ein neuer Befehl gekommen, daß jede Art Versammlung, auch Vereinszusammenkünfte, verboten sind. Mir tut's ja selbst leid. Aber was soll ich wohl machen?
monocole

KLARA.
Dann müssen wir wieder gehen?
kittehsmile

WERRA.
Ach, Herr Wirt, lassen Sie uns doch so lange bleiben, bis wir den Meister begrüßt haben. – Ja? – Bitte!
kittehsmile

SCHENK.
Herr Präzold – es ist gut.
concentrated

PRÄZOLD.
Wieso? – Was meinen Sie?
concentrated

SCHENK.
Ich meine, Sie haben Ihre Pflicht erfüllt und das Verbot mitgeteilt.
herp

DR.
BOSSENIUS zu Schenk. Wollen Sie etwa hierbleiben?
monocole

KLAGENFURTER.
Ich kann doch ein Glas Bier bekommen, Herr Präzold?
beh

PRÄZOLD.
Aber ich möchte die Herren doch bitten – – an mir geht's doch schließlich aus.
beh

SCHENK.
Was kann Ihnen denn passieren, wenn Sie hier Gäste bewirten? – Schicken Sie uns das Fräulein, bitte.
dude come on

PRÄZOLD.
Ja – natürlich – – sofort! Will ab, dreht sich noch mal um. Nur bitte – Vorträge dürfen auf keinen Fall gehalten werden. – Nur ganz zwanglos. Ab.
pfftch

DR.
BOSSENIUS. Ich habe doch Bedenken gegen diese Umgehung. – Ah, da kommt Herr Strauß.
dude come on

STRAUSS
tritt vor.
Guten Abend, allerseits. Was ist denn hier für ein Aufstand?
beh

DR.
BOSSENIUS. Sie wissen, Herr Strauß, von dem Verbot von Vereinszusammenkünften?
hehehe

STRAUSS.
Ach – ich hätt mir's denken können. Nach den letzten Nachrichten, die bei der Redaktion eingelaufen sind. –
herp

KLAGENFURTER.
Ist etwas Wichtiges, Neues?
concentrated

STRAUSS.
Ja, nun – der Streik dehnt sich aus. Besonders von Österreich kommen die beunruhigendsten Meldungen; in Wien, Graz, Prag, Brünn ruht die Arbeit vollständig.
herp

DIETRICH
auftauchend.
Bravo, bravissimo!
happy

KLAGENFURTER
leis.
Du bist unvernünftig, Mensch!
herp

STRAUSS.
Ich fürchte, Genosse Dietrich, Sie verkennen die Situation. Nach meiner Überzeugung kann diese Bewegung in einem solchen Augenblick den Frieden nicht fördern, sondern höchstens schädigen – wenn die Wirkungen nicht noch bedenklicher werden sollten. Die Front ohne Munition lassen –
beh

SCHENK.
Na ja, das wollen wir jetzt nicht verhandeln.
happy

STRAUSS.
Ich kann nur sagen, daß das die Meinung aller führenden Männer der Sozialdemokratischen Partei ist.
hehehe

DIETRICH
lacht dröhnend.
Das glaub ich. Diese – –
herp

KLAGENFURTER.
Still, Dietrich!
happy

DR.
BOSSENIUS. Also, Herr Strauß, der Wirt hat mir eben erklärt, daß eine Sitzung des Bundes keinesfalls stattfinden dürfe. Nun meinen die Herren –
beh

STRAUSS.
Wir müssen uns doch selbstverständlich dem Verbot fügen.
herp

SCHENK.
Das mag jeder halten, wie er will. Meine Freunde und ich sind in diesem Augenblicke Gäste in der »Hütte«. Wenn die Vereinsräume für Sitzungen gesperrt sind, so benützen wir sie eben als Wirtschaftsräume.
happy

STRAUSS.
Zu irgendwelcher Umgehung des Verbotes könnte ich mich keinesfalls verstehen.
happy

DIETRICH.
Es wird ja niemand gezwungen, dazubleiben.
pfftch

WERRA.
Ich bleibe nur, bis der Meister kommt. Ich will ihm wenigstens die Hand drücken und ihm ins Auge schauen.
dude come on

KELLNERIN
tritt auf.
Die Herren haben gewünscht?
kittehsmile

SCHENK.
Bringen Sie mir eine Limonade, bitte – Fräulein.
happy

KLAGENFURTER.
Und mir ein Glas Bier.
monocole

DIETRICH.
Mir auch ein Bier!
dude come on

KELLNERIN.
Die übrigen Herrschaften?
hehehe

DR.
BOSSENIUS. Vorläufig nichts. Wir bestellen vielleicht später. Kellnerin ab.
dude come on

WERRA.
Ach, der Meister kommt! Der Meister! – Komm, Klärchen – ihm entgegen! Mit Klara in den Hintergrund. –
Die Herren und Damen drängen ins hintere Zimmer. Es bleiben zurück Schenk, Klagenfurter und Dietrich. Zu ihnen dann Trotz.
happy

KLAGENFURTER.
Es wäre das beste, wenn das ganze Geschmeiß davonliefe.
beh

DIETRICH.
Diese Bande!
beh

SCHENK.
Mir wär's lieber, sie blieben da. Wir brauchen sie als Schildwache.
hehehe

TROTZ.
Man will uns nicht tagen lassen?
monocole

SCHENK.
Ah – du kommst erst jetzt! – Wir bleiben natürlich.
hehehe

DIETRICH.
Der kleine Doktor hat schon Angst für seine Karriere – und der Strauß, der Verräter, möchte am liebsten gleich die Polizei holen!
pfftch

SCHENK.
Hast du Flora nicht gesehen?
happy

TROTZ.
Das ist ein Prachtmädel! Sie war heute bei mir, im Vorbeikommen. Hat sich bloß ausgeruht und Bericht erstattet. Den ganzen Tag ist sie auf den Beinen und agitiert. Ich hab sie ein Stück begleitet.
herp

KLAGENFURTER.
Agitiert? Wie kann sie das?
hehehe

TROTZ.
Die kann alles. In die könnte ich alter Mann mich noch verlieben. – Sie ist in der Volksküche und unterhält sich ganz arglos mit den Leuten.
hehehe

DIETRICH.
Und heizt ihnen dabei ein – wie?
herp

TROTZ.
Tüchtig. In den Geschäften nimmt sie einen Krautkopf in die Hand und jammert: Sechzig Pfennig! Das ist ja Sünde und Schande. Und dann kommen mit der unschuldigsten Miene Betrachtungen über den Krieg, über die Not – und dann ist sie auch schon beim Streik. – Ich war mit ihr in einem Laden. –
hehehe

SCHENK.
Erzähl doch – erzähl!
hehehe

TROTZ.
Na ja, sie kaufte Zigaretten. – Ach Gott, der Preis! Und dann auch noch so schlecht! Ja – wenn man reden dürfte! Wenn die Leute nachdenken wollten! – Na, es waren noch zwei Leute da, ein Arbeiter und eine Frau. – Ja, reden Sie nur, Fräulein. Was meinen Sie denn? – Na, und dann legte sie los, daß den Leuten der Kopf warm wurde. Und ich tat, als ob ich nicht zu ihr gehörte, und hab mitgeholfen.
hehehe

KLAGENFURTER.
Und wie nahmen es die Leute auf?
monocole

TROTZ.
Als sie weggingen, haben sie nur noch an den Streik gedacht – und wenn er doch bei uns auch zustande käme.
hehehe

DIETRICH.
Es wird prächtig werden! – Alle sind dafür!
dude come on

SCHENK.
Siehst du auch nicht wieder zu rosig, Dietrich?
dude come on

DIETRICH.
Ich? – Ich kenne doch meine Leute! Mir kann niemand etwas weismachen!
hehehe

KLAGENFURTER.
Soviel ich sehen konnte, glaub ich auch, daß morgen alles klappt.
dude come on

SCHENK.
Habt ihr gehört, wie die Verbreitung der Flugzettel funktioniert hat?
happy

DIETRICH.
Tadellos!
kittehsmile

TROTZ.
Am besten hat Konrad Fischer gearbeitet. Als bei Wachsmann die Leute kamen, lagen an jedem Platz ein paar Blätter.
dude come on

SCHENK.
Und wurde die Sache gut aufgenommen?
dude come on

KLAGENFURTER.
Ausgezeichnet. – War auch brillant geschrieben.
dude come on

DIETRICH.
Donnerwetter! Die Severin hat's los! Die paar Sätze – aber jedes Wort wie mit der Keule! Trotz Schrei die Namen nicht so – wenn's der Strauß hört!
herp

DIETRICH.
Der Spitzel – der dreckige!
dude come on

SCHENK.
Also morgen früh, meint ihr, wird alles feiern?
beh

KLAGENFURTER.
Wachsmann ist gut. Bei der Motorengesellschaft ist es nicht sicher. Ich traf Schulz. Er meint, die Hälfte würde wohl mittun. Von Bartels & Moser weiß ich noch nichts.
herp

TROTZ.
Flora wollte Rund abholen, um zu hören, wie es in der Kaserne aussieht.
herp

KLAGENFURTER.
Ja, das ist das Wichtigste.
herp

SCHENK.
Kennt man überall die Unzuverlässigen?
kittehsmile

DIETRICH.
Die Spitzel? Die sollen es nur wagen!
hehehe

TROTZ.
Verräter sind immer dabei. Aber wer soll die kennen? Da haben wir schon unter dem Sozialistengesetz Überraschungen genug erlebt. Die wir für die Zuverlässigsten hielten, waren nachher bezahlte Lockspitzel.
pfftch

SCHENK.
Ich hab deinetwegen Angst, Stefan. Auf die Kriegspflichtigen werden sie besonders scharf sein.
monocole

KLAGENFURTER.
Wenn es nicht schiefgeht, kann mir doch nichts mehr passieren.
herp

DIETRICH.
Was soll jetzt wohl noch schiefgehen!?
Bewegung im Hintergrund. Es treten auf Mathias Seebald, Mitte der Fünfziger, lange zurückgekämmte Haare, schwarzer Rock, schwarze Binde, asketisches Äußeres. Auf ihn einredend Werra mit Klara am Arm. Hinter ihnen Lecharjow, graue wirre Haare, Brille, spricht mit stark russischem Akzent: rollendes R, auch in kurzen Endsilben hörbar, sehr weiches S. Damen und Herren, darunter Dr. Bossenius und Strauß.
monocole

WERRA.
Liebster Meister! Jetzt müssen Sie endlich mal unsere jüngste Schülerin anschauen, hier meine kleine Schutzbefohlene Klara Wendt. Es ist eine Nichte meines geschiedenen Gatten. Aber sie hält der ganzen Familie zum Trotz zu mir.
kittehsmile

SEEBALD
reicht Klara die Hand.
Freut mich, Fräulein. Heute werden Sie freilich hier nicht viel hören.
dude come on

KLARA.
Ach, mir war ja doch hauptsächlich darum zu tun, Herrn Professor persönlich kennenzulernen.
hehehe

SEEBALD
lacht.
Das ist allerdings nicht der Zweck des »Bundes Neuer Menschen«.
pfftch

WERRA.
Nehmen Sie es nicht für ungut, Meister. Sie ist noch so naiv.
herp

SEEBALD
klopft Klara die Backe.
Schon gut, liebes Kind. – Aber die Damen entschuldigen mich jetzt. Ah – da sind ja meine Freunde alle beieinander. Läßt Werra stehen. Raffael! Gut, daß Sie da sind. Reicht Schenk, Trotz, Klagenfurter und Dietrich die Hand. Es wird Tag, Freunde – das Volk wacht auf!
Seebald, Lecharjow, Schenk, Trotz, Klagenfurter, Dietrich stehen vorm Tisch rechts, die übrigen im Eingang und links.
hehehe

KLAGENFURTER.
Haben Sie neue Nachrichten, Herr Professor?
hehehe

SEEBALD.
Nicht viel mehr, als die Zeitung bringt. Aber es geht ein neuer Geist durch die Massen – das spürt man, und das läßt einen Mut fassen. Berlin – Wien – Prag – Leipzig – – nun, und wird bei uns alles beim alten bleiben?
hehehe

DIETRICH.
Morgen – –
herp

SCHENK
stößt ihm in die Seite.
Du bist verrückt!
herp

STRAUSS
vordrängend.
Ich bezweifle, daß die Bewegung hierher übergreifen wird. Es ist allerdings versucht worden, die Arbeiterschaft durch anonyme Flugblätter zum Streik aufzuputschen. Aber es sind alle Gegenmaßnahmen getroffen worden.
concentrated

SCHENK.
Von Ihnen oder vom Generalkommando?
happy

DIETRICH.
Von beiden im Bunde!
happy

STRAUSS.
Darauf glaube ich nicht antworten zu müssen.
dude come on

KLAGENFURTER.
Wird wohl am besten sein.
herp

SEEBALD.
Bitte nicht zu streiten. – Ich glaub nur, Herr Strauß, daß Sie bei allem guten Willen, dem Proletariat zu nützen, seinen Feinden die Karten mischen.
dude come on

STRAUSS.
Und ich glaube, daß ein Streik in diesem kritischen Augenblick die Soldaten, die doch auch Proletarier sind, wehrlos den Feinden ausliefern würde.
happy

LECHARJOW.
Erlauben Sie mir bitte – bitte – Sie sagen: Kritischer Augenblick. Wollen Sie mir sagen – bitte – was heißt kritischer Augenblick?
monocole

STRAUSS.
Der Krieg steht vor seiner Entscheidung.
pfftch

SEEBALD.
Er wird noch lange vor seiner Entscheidung stehen, wenn die Arbeiter die Entscheidung nicht herbeiführen.
happy

DIETRICH.
Sehr richtig! Bravo!
hehehe

STRAUSS.
Die Arbeiter können den Krieg nur im Sinne einer Niederlage entscheiden. Jetzt stehen wir vor der Entscheidung, die unsere Existenz sichert.
Im Eingang erscheinen Flora und Rosa, sie bleiben stehen und hören zu.
monocole

LECHARJOW.
Bitte – erlauben Sie noch mal –, wollen Sie mir sagen – ich bitte – wann ist gestanden seit August 1914 der Krieg nicht im kritischsten Augenblick? Und was heißt Existenz sichern – ich bitte? Wessen Existenz, wenn ich fragen darf? Die proletarische Existenz ist nicht gesichert, wenn Krieg ist, und ist nicht gesichert, wenn Frieden ist.
concentrated

STRAUSS.
Geht die deutsche Industrie zugrunde, dann sind die Arbeiter die Leidtragenden.
happy

FLORA
tritt nach vorn.
Zu Strauß. Sie sind Sozialist, nicht wahr? Jedenfalls nennen Sie sich wohl so?
hehehe

STRAUSS.
Ich bin seit siebzehn Jahren organisierter Sozialdemokrat, Fräulein Severin.
hehehe

FLORA.
Wirklich? Aber von der Vergesellschaftung der Produktionsmittel halten Sie wohl nichts?
pfftch

STRAUSS.
Augenblicklich geht es nicht um sozialistische Ideale, sondern um die Rettung des Vaterlandes.
hehehe

DR.
BOSSENIUS aus der Reihe der Umstehenden. Ganz richtig.
concentrated

SEEBALD.
Ich bin doch ein wenig erstaunt, meine Herren, diese Ansichten in unserem Kreis zu hören. Wir haben uns doch hier zu einem »Bund Neuer Menschen« zusammengefunden. Neue Menschen dürfen aber nicht an alten Vorurteilen hängen. Vaterland – gibt es denn das, wenn das Land der Väter den Söhnen einzelner weniger Väter gehört? Ich fürchte, daß der Geist in unserem Bunde mit dem Geist eines Bundes noch wenig Ähnlichkeit hat.
kittehsmile

WERRA
vortretend.
Aber, bester Meister, eine kleine Meinungsverschiedenheit macht doch nichts aus. Wir wollen doch alle dasselbe: das Gute, das Wahre und das Schöne. – Wir sollten uns doch nicht mit der häßlichen Politik abgeben. Vielleicht trägt lieber jemand etwas vor: Ein Liedchen oder ein schönes Gedicht. – – Ist Herr Tiedtken denn nicht da?
herp

SEEBALD.
Sie sind im Irrtum, verehrte Frau Adler. Ästhetische Unterhaltungen sind nicht der Gegenstand unserer Gemeinschaft. Wenigstens habe ich mir, als ich den »Bund Neuer Menschen« schuf, etwas anderes dabei gedacht. Die Pflege der Kunst ist nur eines der Mittel, die den Geist bereitmachen für das Gute, Wahre und Schöne. Die Bedingung für Güte, Wahrheit und Schönheit wird aber nicht durch künstlerische Vorträge geschaffen. Sie heißt Friede und Gerechtigkeit.
happy

WERRA.
Gewiß, lieber Meister. – Natürlich ist das das Höchste.
hehehe

SCHENK.
Für Frieden und Gerechtigkeit kann man auch sagen: Freiheit und Sozialismus.
monocole

FLORA.
Und der Weg zu alledem heißt Revolution.
concentrated

KLARA.
O Gott, wie schrecklich!
beh

DR.
BOSSENIUS. Wenn Sie eine Revolution des Geistes meinen –
monocole

TROTZ.
Wir meinen eine Revolution der Klasse, Herr Doktor!
hehehe

DIETRICH.
Jawohl – das klassenbewußte Proletariat –
pfftch

DR.
BOSSENIUS. Fräulein Severin kann schwerlich ein proletarisches Klassenbewußtsein mit auf den Weg bekommen haben. Ihr Herr Vater ist meines Wissens Bankdirektor.
happy

SCHENK.
Und wenn Sie Müllkutscher wären, würden Sie noch nicht begreifen – – Hustet.
concentrated

SEEBALD.
Ich bitte, Raffael, werden Sie nicht ausfallend; und um das gleiche bitte ich auch Sie, Herr Dr. Bossenius. Was wir in unserem Bunde anstreben, ist ja gerade die innere Wandlung des Menschen, die ihn das Wesen echter Gemeinschaft erkennen läßt.
happy

DR.
BOSSENIUS. Dabei fragt sich nur, ob wir Gebildeten uns zu Proletariern wandeln sollen.
beh

FLORA.
Das fragt sich gar nicht. Bourgeoisie ist das Verächtlichste. – Das Proletariat hat die Zukunft. In ihm sind alle Anlagen noch unverbildet. Insofern lasse ich die Unterscheidung, die Sie mit dem Wort »Gebildete« machen, allenfalls gelten. – Wenn hier Proletarier und Bour – – Angehörige der andern Klasse zusammenkommen, so sollen dabei die Arbeiter nicht etwa »gehoben« werden, sondern die übrigen sollen sich prüfen, ob sie ihre Herkunft so völlig abstreifen können, daß sie berechtigt sind, sich zum Volk zu zählen.
beh

DR.
BOSSENIUS. Denken Sie ebenso, Herr Professor?
kittehsmile

SEEBALD.
So ähnlich. Das Ziel ist die klassenlose Gesellschaft, in der überhaupt erst vom Volk die Rede sein kann. Wenn wir einen Ausgleich schaffen wollen, so ist das nur möglich in einem freien Bunde abgesonderter und darum neuer Menschen. Das müssen Menschen sein, die die neue Gemeinschaft schon in sich tragen, die den Unwert der Klassengesellschaft mit ihrer Ausbeutung, ihrer Gewalt, ihrem Krieg, ihrer Sklaverei, ihrer Herrschsucht so unerträglich fühlen, daß sie für sich die Abkehr schon vollzogen haben und mit dem Proletariat ohne Klassengegensatz denken, fühlen und, wenn es sein muß, handeln.
hehehe

DIETRICH.
Wir brauchen die Diktatur des Proletariats!
pfftch

STRAUSS.
Wir Demokraten lehnen jede Diktatur ab.
monocole

SCHENK.
Die Diktatur des Kapitalismus lassen Sie sich aber gefallen. Das Kapital verfügt über sämtliche Machtmittel des Staates und der Menschen überhaupt. Es zwingt alle Arbeitskräfte in seinen Dienst, zwingt sogar den Ausgebeuteten zu töten und getötet zu werden, um noch größeren Gewinn aus sich herauspressen zu lassen, und dadurch, daß es alle Organe der Beeinflussung in seiner Macht hat, bringt das Kapital obendrein seine Opfer zu dem Glauben, daß alles so sein müsse, wie es ist.
kittehsmile

STRAUSS.
Mit Ihren Ideen kämen wir in Deutschland geradewegs zum Bolschewismus.
herp

FLORA.
Wäre das so arg?
dude come on

DR.
BOSSENIUS. Na, ich danke.
beh

LECHARJOW.
Sie sprechen aus: Bolschewismus. Wissen Sie, was ist Bolschewismus? Werd ich Ihnen sagen: Bolschewismus ist – – Bolschewismus ist die Seele des russischen Volkes. Die Seele des russischen Volkes – – das ist Bolschewismus.
pfftch

DR.
BOSSENIUS. Damit ist gar nichts gesagt.
happy

LECHARJOW.
Nicht? – nichts gesagt? Ich will Ihnen sagen – ich bitte, hören Sie mir zu –: Damit ist nichts gesagt für Sie. Damit ist gesagt viel – alles für den, der die Seele kennt des russischen Volkes und jedes andern Volkes. Sehen Sie auf mich, wie ich bin: 1905 hab ich gestanden auf der Barrikade in Petersburg und war schon damals nicht weit von 50 Jahren – und hab gekämpft bewußt für den Bolschewismus. Mußt ich fliehen nachher vor dem Zarismus und hab mich naturalisieren lassen in Deutschland. – Leider! – Wär ich ausgewiesen worden 1914 nach meiner Heimat, könnt ich kämpfen jetzt mit Lenin und Trotzki um die große Sache der Menschheit, um den Kommunismus.
hehehe

TROTZ.
Wir werden Sie auch bei uns brauchen können, Genosse Lecharjow!
hehehe

LECHARJOW.
Vielleicht kann ich nützen auch hier etwas.
hehehe

STRAUSS.
Deutschland ist nicht Rußland.
herp

SCHENK.
Wir sind internationale Sozialisten, Herr Strauß!
happy

DR.
BOSSENIUS. Mir stehen die großen Menschheitsideen nicht ferner als einem von Ihnen. Aber ich kenne dabei noch ein nationales Pflichtbewußtsein.
hehehe

SEEBALD
tritt auf ihn zu.
Streng. Herr Dr. Bossenius! In diesem Bunde gibt es ein Menschenbewußtsein, dem sich jede Pflicht unterordnet. Wenn Ihr nationales Pflichtbewußtsein eine besondere Sorte ist, die den Mord, die Gewalt, das Verbrechen zuläßt, dann wüßte ich nicht, was Sie veranlassen kann, unseren Kreis zu betreten. – In allen Weltgegenden werden in diesem Augenblick, in dem wir hier sprechen, Menschen getötet von anderen Menschen, die sich nicht kennen und die sich gar nichts angehen – in dieser Minute werden Hunderte zu Krüppeln geschossen, werden in der ganzen Welt aus Frauen und Kindern Witwen und Waisen gemacht. Da habe auch ich mein Pflichtbewußtsein – und das heißt nicht national sein und für die Mordenden der einen Seite Partei nehmen, sondern jedes, durchaus jedes Mittel anwenden, um dem unsäglichen Frevel Einhalt zu tun. – Wir haben uns hier nicht darüber zu unterhalten, ob dies oder jenes geschehen darf, sondern was sofort geschehen muß.
kittehsmile

DIETRICH.
Es lebe der Generalstreik!
herp

STRAUSS.
Zu einer politischen Versammlung hätte ich mich hier in der Tat nicht eingefunden.
herp

SEEBALD.
Die halten wir auch nicht. Wir werden uns dem Verbot der Militärbehörde fügen. Ich für meinen Teil möchte mich nur mit meinen nächsten Freunden unterhalten. Wollen wir uns hier in die Ecke setzen, Flora?
happy

WERRA.
Darf ich mit der Kleinen teilnehmen? – Es wäre uns so interessant.
monocole

FLORA.
Wir haben mit dem Professor über etwas zu sprechen, was Sie kaum interessieren kann.
beh

WERRA
pikiert.
Oh, dann wollen wir natürlich nicht lästig fallen. – Liebster Meister, das nächste Mal wird hoffentlich alles wieder wie immer sein.
monocole

SEEBALD.
Wir werden sehen. Leben Sie wohl, Frau Adler. – Gute Nacht, Fräulein. Seebald nimmt auf der Bank Platz, neben ihm zur Rechten Flora. An der Seite links Schenk. Links von Seebald auf der Bank Trotz. Daneben auf einem Stuhl rechts Lecharjow. Klagenfurter, Dietrich und Rosa bleiben noch stehen.
hehehe

KLAGENFURTER.
Ach, da ist ja das Fräulein. Kellnerin tritt auf und bringt Getränke. Will noch jemand bestellen? Kellnerin nimmt Bestellungen auf und notiert. Inzwischen Aufbruch der Herren und Damen.
happy

DR.
BOSSENIUS zu Strauß. Ich glaube, wir haben hier heute nicht viel zu suchen. Beide ab.
concentrated

WERRA
zu Klara.
Wie schade, daß du den Meister heute nur so wenig kennenlernen konntest, Kindchen. Aber heute in acht Tagen, denk ich –
happy

KLARA.
Aber man merkt doch schon, was für ein Idealist er ist. – So interessant! – Beide ab.
Im zweiten Zimmer sieht man noch kleinere Gruppen stehen, die allmählich alle abgehen.
beh

DIETRICH.
Diese Bande!
herp

TROTZ.
Wir sind jetzt unter uns. – Aber, Rosa, warum hast du denn Rund nicht mitgebracht?
herp

ROSA.
Ich konnte doch nicht reden vor den Leuten da. Ich hätte kein Wort herausgebracht.
hehehe

FLORA.
Wartet noch. Sie macht Schenk ein Zeichen.
dude come on

SCHENK
nach ein paar Schritten in dem andern Raum.
Die Luft ist rein.
pfftch

KLAGENFURTER.
Soll mich wundern, ob uns der Bossenius nicht noch die Polizei herhetzt.
herp

SCHENK.
Ach wo, die Ästheten tun uns nichts. Sie sind zu feige zum Handeln und zu vornehm zum Denunzieren. Aber Strauß unternimmt bestimmt etwas.
dude come on

SEEBALD.
Freunde, wir haben niemanden zu fürchten. Unreine Seelen flecken nur nach innen. Was sollte er auch wohl unternehmen können?
happy

DIETRICH.
Streikbrecher sammeln!
dude come on

SEEBALD.
Das soll er. Arbeiter, bei denen er Erfolg hat, sind für uns vorläufig doch wertlos. Wir müssen sie erst heranziehen zu neuen Menschen.
happy

FLORA.
Darf ich offen sein, Professor?
hehehe

SEEBALD.
Natürlich.
herp

FLORA.
Ihr Bund ist nicht der Boden, auf dem Revolutionäre wachsen.
pfftch

SEEBALD.
Revolutionäre! – Die kann ich leicht haben, wenn –
hehehe

FLORA.
Wenn die Revolution da ist. – Aber hier gedeiht keine Revolution.
hehehe

SEEBALD.
Ich weiß gut, wie Sie es meinen. – Und Sie haben auch recht. Ich muß diese Anhänger und Anhängsel von mir abschütteln.
beh

SCHENK.
Nur aus Proletariern kann man neue Menschen machen. Die andern müssen erst Proletarier werden, ehe man sie erziehen kann.
beh

LECHARJOW.
Aber ich kann nicht lehren einen Bourgeois Proletarier sein, wenn nicht die Verhältnisse ihn lehren.
beh

TROTZ.
Wir müssen über die Sache reden, Genossen. Ich bin ein alter Mann, ich habe keine Zeit mehr zum Philosophieren.
hehehe

SEEBALD.
Es ist wahr. Neue Menschen müssen Menschen der Tat sein. Was ist bis jetzt geschehen?
pfftch

FLORA.
Die Arbeiter in allen Betrieben sind aufgefordert, morgen zu feiern. Flugblätter sind heute überall verteilt worden. Die große Mehrheit des Proletariats scheint gewonnen zu sein. Der Streikpostendienst ist organisiert. Nachmittags soll ein Demonstrationszug stattfinden.
hehehe

SEEBALD.
Eine Demonstration?
happy

LECHARJOW.
Wie habt ihr euch gedacht die Demonstration?
beh

SCHENK.
Um drei Uhr sammeln sich die Arbeiter auf dem Platz vor der Wachsmannschen Fabrik. Rote Fahnen und Plakate haben Trotz und Dietrich vorbereitet.
dude come on

DIETRICH.
Sie werden ihr Wunder erleben – diese Banditen.
monocole

SEEBALD.
Und wohin soll der Zug gehen?
hehehe

FLORA.
Zum Schloß natürlich!
concentrated

LECHARJOW.
Was habt ihr gemacht, aufzuklären das Militär?
monocole

FLORA.
Für die Soldaten ist ein besonderes Flugblatt herausgegangen! Rund hat die Verteilung geleitet.
pfftch

KLAGENFURTER.
Wo ist denn Rund?
herp

ROSA.
Er war heute mittag bloß auf einen Sprung bei mir. Das ganze Militär muß in den Kasernen bleiben. Es ist schärfste Bereitschaft befohlen.
hehehe

SEEBALD.
Und wie werden sich die Soldaten verhalten?
herp

TROTZ.
Das ist wohl ganz unsicher.
pfftch

SEEBALD.
Wenn sie in die Massen hineinschössen – das wäre schrecklich.
pfftch

FLORA
ist aufgestanden, hat sich hinter Schenks Stuhl gestellt.
Raffael, sprich!
happy

SCHENK.
Wir müssen Sie dabei haben, Mathias Seebald!
concentrated

SEEBALD.
Mich? – Wozu?
herp

SCHENK.
Sie müssen um drei Uhr bei der Wachsmannschen Fabrik sein, müssen zur Masse sprechen und sich an die Spitze des Zuges stellen.
hehehe

SEEBALD.
Was soll denn ich nützen können?
pfftch

FLORA.
Alles. Keiner von uns könnte den Arbeitern das ausdrücken, worum es sich handelt und was auf dem Spiel steht. Wenigstens genießt keiner von uns soviel Vertrauen wie Sie. – Und dann der Eindruck auf das Bürgertum. Die Presse und die Partei- und Gewerkschaftsführer würden es nicht mehr wagen, von Verrat und Bestechung zu reden – und das Militär müßte sich mindestens zurückhalten.
happy

SEEBALD
geht auf und ab.
Ich liebe demonstrative Herausforderungen gar nicht. Aber wenn ich bestimmt wüßte, daß ich nötig wäre. – Was denkst du, Fedor?
monocole

LECHARJOW.
Was soll ich denken? – Wenn die Demonstration wäre bewaffnet, hätt ich gesagt: Es ist unnütz zu reden und voranzugehen. Dann soll vorangehen ein Mann, der kann kommandieren und weiß Bescheid mit dem Krieg.
beh

SCHENK.
Waffen haben wir nicht.
kittehsmile

SEEBALD.
Andernfalls käme ich auch nur mit, um abzuraten.
herp

LECHARJOW.
Wenn die Demonstration ist unbewaffnet – kann ich wissen, was geschieht? Ich kann nur wissen, wer unterliegt, wenn man schießt; ob du an der Spitze marschierst oder zu Hause bleibst. Und ob man schießt, hängt nicht ab von Stimmungen der Bourgeoisie, sondern davon, ob man sich kräftig genug fühlt, um die Folgen zu tragen. Kann sein – kann nicht sein. – Vor dreizehn Jahren am blutigen Sonntag in Petersburg ist vorausgegangen Gapon, der Pope; haben sie mitgetragen keine rote Fahnen, sondern Zarenbilder, Heiligenbilder, Kreuze. Kapitalismus hat gewußt, daß der fromme Gesang übersetzt bedeutet: Brot, Gleichheit, Sozialismus – und hat geschickt Kosaken und angerichtet ein schreckliches Blutbad.
happy

FLORA.
Damals. Aber jetzt, wo alles kriegsmüde ist, nicht zuletzt die Soldaten selbst, werden sie sich's überlegen.
herp

LECHARJOW.
Möglich – sie werden sich's überlegen. Möglich, sie werden sich sagen: Der Mathias Seebald vornean – gut, sie sollen sich Luft machen mit ihrem Zorn, sie werden wieder heimgehen – der Seebald ist ein guter Mensch; er wird sie von Unbesonnenheiten zurückhalten, und dann schaden sie uns nicht. – Möglich auch, der Kapitalismus wird sagen: Der Mathias Seebald an der Spitze? Das ist gefährlich. Er wird die Leute bringen zum Ausharren im Streik, er wird die Soldaten bringen zur Gehorsamverweigerung, er wird den Leuten aufdecken den Betrug von Brest-Litowsk. Ihn selber möchte man vielleicht nicht gerne einsperren, wegen seinem Ruf im Ausland. Wird man zusammenschießen, die ihm folgen, als warnendes Exempel – ich kann nicht wissen, was sie werden tun.
pfftch

SEEBALD.
Du meinst also, ich könnte vielleicht gerade den Anlaß geben, gewaltsam vorzugehen?
herp

LECHARJOW.
Ich meine gar nichts. Kann ich wissen? – Wenn sie sind klug genug, zu erkennen die Gefahr, die du bist für ihren Krieg – werden sie schießen. Wenn sie Esel sind und dich nehmen für einen harmlosen Schwärmer, werden sie es lassen gehen.
happy

DIETRICH.
Sie sind Ochsen alle miteinander!
happy

SEEBALD
aufgeregt hin und her gehend.
Ich kann unmöglich die Ursache von Blutvergießen abgeben.
hehehe

SCHENK.
Ich bin überzeugt, Blut wird nur vergossen werden, wenn Sie nicht da sind.
happy

FLORA.
Das glaube ich auch.
happy

SEEBALD.
Aber ihr bringt mich in eine furchtbare Lage. Muß denn die Demonstration überhaupt sein?
monocole

TROTZ
sehr bestimmt.
Der Umzug muß sein. – Unter allen Umständen.
concentrated

KLAGENFURTER.
Es ist ja auch schon in den Flugblättern dazu aufgerufen.
kittehsmile

SEEBALD
am Eingang.
Ich bin ganz ratlos. – – Aber da kommt ja noch – grüß Gott, lieber Freund!
Es tritt auf Laßmann am Arm seiner Frau.
happy

LASSMANN.
Ich habe die Zeit verschlafen. Wenn immer Nacht ist, muß man viel schlafen.
happy

SEEBALD.
Daß Sie jetzt noch kommen – am späten Abend!
kittehsmile

FRAU LASSMANN.
Er hat nicht Ruhe gegeben und geschimpft, daß ich ihn nicht geweckt hab zur Zeit.
Man bemüht sich um den Blinden. Währenddessen und der Begrüßung zieht Flora Schenk ans Klavier.
beh

FLORA.
Raffael, der Zug darf nicht zum Schloß gehen.
hehehe

SCHENK.
Sondern?
concentrated

FLORA.
Zum Zeughaus!
monocole

SCHENK.
Wie meinst du das?
kittehsmile

FLORA.
Von da aus zum Schloß, wenn wir Waffen haben. Verstehst du?
herp

SCHENK.
Ja, o du! Nimmt ihre beiden Hände. Du hast recht!
dude come on

FLORA.
Aber jetzt kein Wort davon, sonst kommt er bestimmt nicht.
concentrated

SCHENK.
Glaubst du denn, daß er überhaupt kommen wird?
hehehe

FLORA.
Das ist deine Aufgabe. – Du mußt es durchsetzen. – Komm jetzt zurück. Er zieht sie hinter den Pflanzenkübel.
dude come on

SCHENK.
Flora! Leidenschaftlich. Flora! Meine – Will sie küssen; sie entzieht sich ihm.
concentrated

FLORA.
Lieber Mensch! Sie küßt ihm die Hand. Wir müssen stark sein, du und ich. Gehen unauffällig an den Tisch zurück.
pfftch

DIETRICH.
Morgen um diese Zeit werden wir schon mehr wissen!
happy

TROTZ.
Mancher vielleicht nichts mehr.
happy

ROSA.
Ich habe schrecklich Angst um Fritz. Wenn er mitkommandiert wird –
pfftch

KLAGENFURTER.
Dann könnte er am ehesten das Schießen verhindern.
beh

ROSA.
Ja – das ist auch wahr!
herp

LASSMANN.
War heute keine Diskussion?
dude come on

LECHARJOW.
Wir haben herausdiskutiert den ganzen Bund Neuer Menschen.
happy

SEEBALD.
Ja, dann wollen wir mit wirklich neuen Menschen von vorn anfangen.
dude come on

LASSMANN.
Mit Arbeitern!
concentrated

FLORA.
Ja – und solchen, die dazu gehören.
kittehsmile

DIETRICH.
Ohne Bossenius und Strauß!
happy

SCHENK.
Und die hysterischen Weibsbilder.
happy

LASSMANN.
Dann war heute auch kein Vortrag?
beh

KLAGENFURTER.
Den hat die hohe Behörde verboten.
monocole

LASSMANN.
Siehst du, Tilde – so hab ich doch nichts versäumt.
dude come on

FRAU LASSMANN.
Und hättest gar nicht mehr herzugehen brauchen.
herp

LASSMANN.
O nein, ich bin froh, daß ich hier bin. – Wird morgen alles gut werden?
hehehe

DIETRICH.
Das darfst du glauben. Es wird großartig!
hehehe

TROTZ.
Wir wollen es hoffen, Laßmann.
kittehsmile

LASSMANN.
Ja – und ich werde vorangehen – und eine rote Fahne tragen.
happy

SEEBALD.
Sie, lieber Freund? – Und wenn Militär aufmarschiert?
happy

LASSMANN.
Das kann mich blinden Krüppel getrost zusammenschießen.
dude come on

FRAU LASSMANN.
Ach, er träumt ja seit gestern abend bloß davon. Ich hab ihm schon heut einen Besen in die Hand geben müssen und ihn im Zimmer herumführen – und die Kinder mußten hinterherlaufen.
beh

LASSMANN.
Komm, Tilde, ich zeig's. Er geht am Arm der Frau, seinen Stock hochhaltend, durch den Saal. Mir nach, Genossen!
beh

LECHARJOW.
Laßt uns gehen hinter ihm. Er ist begeistert.
kittehsmile

DIETRICH.
Ja – kommt! – Es lebe die Revolution!
Alle gehen hinter dem tastenden, schwankenden Laßmann her, nur Seebald und Flora bleiben am Tisch stehen.
hehehe

LASSMANN
singt.

Nicht zählen wir den Feind –

nicht die Gefahren all –

der Bahn der Kühnen folgen wir,

die uns geführt Lassalle!

Rosa und Dietrich singen den Refrain mit.
hehehe

SEEBALD
leise.
Das ist erschütternd.
pfftch

FLORA.
Sie sehen, wie der Geist ist. – Sie müssen kommen!
kittehsmile

SEEBALD.
Ich habe die schwersten Gewissensbedenken. – Ich könnte nicht weiterleben, wenn durch mich Blut flösse.
dude come on

FRAU LASSMANN.
Sieh dich vor, Ernst. – Du stößt ja an den Wandschrank an!
monocole

SCHENK.
Es ist genug. Kommt wieder an den Tisch!
monocole

FLORA.
Werden Sie kommen, Professor?
happy

SEEBALD.
Ich weiß noch nicht.
hehehe

FLORA.
Es geht um den Frieden, es geht um alles.
Die übrigen sind an den Tisch zurückgekommen. Einige setzen sich.
concentrated

KLAGENFURTER.
Setz dich auf die Bank, Ernst – du hast dich angestrengt.
concentrated

LASSMANN.
Angestrengt! Das bei Verdun war eine andere Anstrengung, sag ich euch. Wir mußten vor, ob wir mochten oder nicht. Mitten durchs Sperrfeuer – immer zehn Schritt laufen und dann auf den Bauch. Da ging's wie verrückt – ssss – bum! ssss – bum!! – Die Kameraden fielen wie die Fliegen, links und rechts – und immer auf! Hingeschmissen! – Auf! – Hingeschmissen – in den dicken Dreck. – Ja, und dann kam's. Ich dachte, es riß mir den Kopf weg – und das wär auch wohl besser gewesen.
herp

SCHENK.
Das wär nicht besser gewesen, Ernst. Dann könntest du morgen nicht mehr dabeisein.
herp

LASSMANN.
Ja, das ist wahr – morgen! – Ja, aber doch – wie ich wieder zu mir kam im Lazarett und nichts sah – gar nichts. Und bis ich dann wußte, daß ich gar nie wieder werde sehen können – ich habe es nicht glauben wollen, viele Tage nicht. Und die Schwester meinte auch, es käme wieder, daß ich sehen würde. Ich glaube auch, der Stabsarzt hat die Schuld.
hehehe

SEEBALD.
Nein, der Stabsarzt nicht – der Krieg hat schuld, Freund Laßmann.
kittehsmile

TROTZ.
Und morgen wollen wir gegen den Krieg aufstehen.
concentrated

SCHENK.
Ernst, sag du uns deine Meinung. Soll nicht Mathias Seebald dabeisein vor der Wachsmannschen Fabrik? Soll er nicht neben dir dem Zuge vorangehen?
beh

LASSMANN.
Ja, das soll er! – Oh, Professor Seebald! Wenn Sie die Arbeiter anführen, dann müssen wir ja siegen!
beh

SEEBALD.
Nein. Die Arbeiter können und dürfen nur durch sich selbst siegen. Ihr Sieg hängt nicht von meiner Person und von keiner andern Person ab. Auch die Demonstration kann den Sieg nicht bringen. Nur die Verweigerung der Arbeit, die Verweigerung des Dienstes an jeder Gewalt kann helfen. Am Streik kann ich mich freuen – am Umzug nicht.
happy

FLORA.
Das Proletariat kann seine Macht nur fühlen lassen, wenn es sie auch zeigt.
beh

DIETRICH.
Das Bürgerpack wird zittern, wenn ihm der dröhnende Tritt der Arbeiterbataillone in die Ohren gellt!
kittehsmile

SEEBALD.
Ihr berauscht euch an der Geste. Das Wesentliche liegt nicht im äußeren Schein. Die Verödung der Fabriken wird mehr Klärung schaffen als die glänzendste Parade. Der Staat bricht zusammen, gewaltlos, wenn die arbeitenden Hände erlahmen, und das Beispiel des gewaltlosen Widerstands, das ihr den Soldaten gebt, wird größer sein und tiefer wirken, als wenn ihr auf die Straße geht.
concentrated

SCHENK.
Wir können nicht warten, bis der Staat langsam zusammenbricht. So lange hält kein Arbeiter das Streiken aus. Und wir dürfen erst recht nicht warten, bis die Front streikt. Das wird sie nur tun, wenn in der Heimat das Proletariat seine ganze Macht entfaltet. Der Umzug muß den Streik erklären und ihn erweitern.
hehehe

TROTZ.
Ich habe manchen Streik mitgemacht in meinem Leben. So einfach geht das nicht, daß die Arbeiter die Maschinen stehenlassen und zu Hause bleiben bei Frau und Kindern. Sie müssen sich sehen und jeden Tag gegenseitig neu Mut machen. – Ja, wenn's um ein paar Groschen höheren Lohn wäre. Dann könnte man fragen: Wer hält's länger aus? Aber wir wollen streiken für unsere rote Fahne. Da müssen wir die rote Fahne auch wehen lassen.
monocole

FLORA.
Das war ein gutes Wort, Genosse Trotz. – So denkt ein alter Proletarier, Professor. Können Sie sich da noch sträuben?
Schritte im Nebenraum.
herp

ROSA.
Es kommt jemand.
dude come on

PRÄZOLD
tritt auf.
Guten Abend, meine Herrschaften! Bitte um Entschuldigung, wenn ich störe. Nur – ja – es wird doch nicht länger gehen hier.
hehehe

KLAGENFURTER.
Ist die Polizei schon dagewesen?
happy

PRÄZOLD.
Ja – nein – die Polizei nicht gerade selbst. Herr Strauß war noch einmal da – mit noch einem Herrn.
concentrated

SCHENK.
Mit Herrn Dr. Bossenius?
pfftch

PRÄZOLD.
Nein – es war keiner von den Herren, die hierher gehören. Es mag wohl einer von der Behörde gewesen sein.
kittehsmile

DIETRICH.
Da haben wir ja den Spion!
hehehe

PRÄZOLD.
Die Herren fragten nur, wer noch da wäre, und machten mich auf die Folgen aufmerksam, wenn ich die Zusammenkunft hier hinten dulde. – Wenn die Herrschaften natürlich vorn im Lokal sitzen wollen –
happy

SEEBALD.
Nein, danke. Wir werden sofort aufbrechen.
dude come on

PRÄZOLD.
Ich möchte nur bitten: Wenn Sie vielleicht nicht alle zusammen gehen wollen – daß es weniger auffällt.
happy

TROTZ.
Sie können ganz unbesorgt sein.
pfftch

PRÄZOLD.
Es ist ja nicht meinetwegen. Aber, wissen Sie: Man weiß jetzt nie, wer noch dem andern trauen darf. Und ich, Herr Professor, ich stehe ganz auf Ihrer Seite. Seit ich meinen Sohn verloren habe im Felde, da sind mir auch die Augen aufgegangen. – Also ich meine – wenn ich raten darf –, wenn vielleicht der Herr Professor bis zuletzt bleiben wollen.
kittehsmile

SCHENK.
Warum denn das?
concentrated

PRÄZOLD.
Herr Schenk, solange der Herr Professor da ist, traut sich die Polizei nicht, hereinzukommen. Aber wenn er wegginge, wären die übrigen Herrschaften nachher gleich aufgeschrieben.
happy

LASSMANN.
Mich sollen sie nur aufschreiben!
monocole

FLORA.
Wir danken Ihnen, Herr Präzold. Wir werden getrennt fortgehen.
dude come on

PRÄZOLD.
Also dann empfehle ich mich bestens.
kittehsmile

KLAGENFURTER.
Wollen Sie uns das Fräulein zum Zahlen schicken?
happy

PRÄZOLD.
Es ist besser, ich schicke sie in die Garderobe. Es fällt weniger auf. Ab.
pfftch

DIETRICH.
Da haben wir den Verräter – den Strauß!
hehehe

SEEBALD.
Das hätte ich in der Tat nicht für möglich gehalten.
pfftch

LECHARJOW.
Es ist viel möglich. – So sind die Menschewiki: Sie sind überall gleich.
kittehsmile

SCHENK.
Stefan, du mußt zuerst gehen. Du bist am meisten gefährdet.
hehehe

KLAGENFURTER.
Ich habe keine Angst.
hehehe

SCHENK.
Wenn man dich beobachtet, hast du morgen die Einberufung. Am besten, du gehst allein.
concentrated

ROSA.
Nein, mit mir. Man hält uns dann für ein Paar.
beh

KLAGENFURTER
lacht, faßt sie um.
Ja, Röschen – wie wär's mit uns beiden?
hehehe

DIETRICH.
Oho! Oho! Was wird Rund sagen?
herp

ROSA.
Und deine Frau, Stefan! – Also adieu – wir gehen. Mit Klagenfurter ab.
concentrated

FRAU LASSMANN.
Komm, Ernst! Laßmann wird aus der Bank geführt, verabschiedet sich.
concentrated

SCHENK
währenddessen abseits zu Flora.
Du gehst doch mit mir?
herp

FLORA.
Nein, ich schließe mich jetzt gleich Laßmanns an.
concentrated

SCHENK.
Aber – warum?
beh

FLORA.
Du mußt bis zuletzt bleiben und Seebald noch bearbeiten.
hehehe

SCHENK.
Ich hoffte, du würdest heut mit mir kommen.
hehehe

FLORA.
Sei nicht unverständig, Raffael. Ich komme morgen früh bestimmt zu dir, ganz früh. Denk an das Werk und tue das Deine!
concentrated

SCHENK
reicht ihr die Hand.
Gut also. Auf Wiedersehen bis morgen.
concentrated

FLORA.
Bis morgen. – Macht's gut, Trotz und Dietrich!
hehehe

TROTZ.
Sie auch, Flora! Ihr Jungen müßt es machen!
monocole

DIETRICH.
Oh, zu den Jungen gehören wir auch noch, wenn's drauf ankommt.
pfftch

FLORA.
Jetzt kommen Sie, Laßmann! – Gute Nacht, Genossen. – In den Kampf! Mit Laßmann ab.
happy

SEEBALD.
Aber die Liebe nicht vergessen.
concentrated

TROTZ.
Das ist ein Weibsbild. Mit tausend Arbeitern, wo wie dies eine Mädel, wollte ich die Welt umkrempeln.
hehehe

LECHARJOW.
Bei uns in Rußland – die Frauen haben gestellt die besten Kämpfer für unsere Revolution. Sie waren die Glut der Bewegung – und sind gegangen in den Tod, unsere Studentinnen zu Hunderten, wie wenn sie's gewöhnt wären, zu sterben.
beh

SCHENK.
Flora ist leider bei uns eine große Ausnahme.
happy

SEEBALD.
Aber sie wird es nicht bleiben. Das Vorbild zeugt Nacheiferung. Der Wille zum Guten tut sich nicht genug mit einem Herzen. Durch den Mund des einen geht er in andere über. Das Ideal vermehrt sich dauernd aus sich selbst.
hehehe

SCHENK.
Aber erst, wenn es zur Tat wird.
concentrated

TROTZ.
Wenn nur die gebildete Jugend endlich die Zeit verstände!
happy

DIETRICH.
Die Studenten? – Die Lausbuben! – Die kann man mit der Laterne suchen, die was taugen.
concentrated

SEEBALD.
Das ist leider wahr. Die akademische Jugend hat in Deutschland das Ideal verloren. Der Kultus der Gewalt hat sie verdorben.
concentrated

SCHENK.
Sie sind Bourgeois – das ist alles.
monocole

LECHARJOW.
Ich werd euch sagen, was ich hab für eine Meinung. Bei uns in Rußland waren die Studenten und Studentinnen die Träger der großen Ideen. Das kommt, weil man hat verfolgt die Intelligenz, weil die Intelligenz immer ist eine Gefahr für die Brutalität und weil der zaristische Staat war aufgebaut auf der Brutalität. In Deutschland ist die Studentenschaft nicht mehr Verfechter der Intelligenz, sondern des Interesses.
hehehe

TROTZ.
Des kapitalistischen Interesses.
happy

LECHARJOW.
Ja, ich will sagen. Was ich gesehen hab hier von Studenten, waren keine Studenten wie bei uns, mit dem Feuer der Jugend und mit Leidenschaft. Nein – waren nichts weiter als zukünftige Ärzte, zukünftige Oberlehrer, zukünftige Richter, zukünftige Diplomaten. Darum werden in Deutschland die Studenten nicht Revolutionäre.
happy

SEEBALD.
Ich habe selbst schon solche Beobachtungen gemacht. Der Krieg hat unsere Jugend seelisch zerrüttet.
hehehe

TROTZ.
Nur die bürgerliche Jugend. Die proletarische Jugend löst sie ab.
hehehe

DIETRICH.
Wir werden ja sehen, wie viele Studenten morgen bei der Demonstration mitgehen wer den!
happy

SCHENK.
Und wie viele von den ästhetischen Jünglingen und Jungfrauen vom »Bund Neuer Menschen«.
hehehe

TROTZ.
Jetzt wird es wohl auch für uns Zeit zum Aufbrechen. – Komm mit, Dietrich!
hehehe

DIETRICH.
Durch das Spitzelspalier von Strauß und Konsorten. – Diese Bande!
beh

TROTZ.
Gehst du auch gleich mit, Raffael?
dude come on

SCHENK.
Ich warte noch. Ich geh dann allein.
concentrated

DIETRICH
sich verabschiedend.
Wir sehen uns ja alle doch morgen nachmittag!
dude come on

SEEBALD.
Rechnen Sie nicht auf mich, Freunde!
happy

TROTZ.
Doch! Ich rechne bestimmt auf Sie! – Gute Nacht. Mit Dietrich ab.
herp

SCHENK
läuft auf und nieder, bleibt endlich vor Seebald stehen.
Sie haben sich noch immer nicht entschieden?
hehehe

SEEBALD.
Wenn Sie mich zwängen, jetzt eine Entscheidung zu treffen, dann müßt ich sagen: Ich komme nicht!
beh

SCHENK.
Aber das ist noch kein endgültiger Entschluß?
hehehe

SEEBALD.
Ich will es mir noch überschlafen. Wollen Sie morgen mittag zu mir kommen, dann will ich Ihnen sagen, was ich tun werde.
kittehsmile

SCHENK.
Um welche Zeit?
dude come on

SEEBALD.
Kommen Sie gegen ein Uhr – geht das?
beh

SCHENK.
Es muß wohl?
herp

SEEBALD.
Mein lieber Raffael, jetzt sind Sie böse auf mich. – Das tut mir leid. – So habe ich Sie ja nie gesehen. – So kurz angebunden, so übellaunig. Sind Sie enttäuscht von mir?
hehehe

SCHENK.
Ja. Ich habe an einen einzigen Menschen geglaubt. Das waren Sie. – Und jetzt sehe ich, daß Sie noch nicht einmal imstande sind, sich in dem Augenblick, wo eine Frage an Sie herantritt, zu einem klaren Ja oder Nein zu entschließen.
happy

SEEBALD.
Sie verkennen mich. Meine Stellung zu den Fragen, um die es sich handelt, ist vollständig geklärt. Hier soll ich aber eine bestimmte Handlung ausführen, die ich nicht veranlaßt habe – und da muß ich erst alles abwägen, um zu erkennen, ob sie dem Werk, dem mein Leben gehört, nützt oder schadet.
happy

SCHENK.
Ach ja – die Idee, die Gesinnung, das Erkennen – das ist alles da. Das Schwanken fängt erst an, wo es ans Handeln geht.
pfftch

LECHARJOW.
Laßt's genügend sein. Ihr redet mit verschiedenen Zungen ein jeder. Wie könnt ihr euch verstehen? Morgen werden Sie Bescheid holen und wissen: Ja oder nein. – Gehen Sie jetzt nach Hause, Genosse Schenk, und schlafen Sie aus bis morgen und richten Sie ein Ihre Gedanken dar auf, daß Sie sich fragen: Was hab ich für meine Person zu tun? – Ob Mathias Seebald kommt oder wegbleibt – gleichviel!
happy

SCHENK.
Sie werden wohl Ihr Kommen davon abhängig machen, ob der Herr Professor geht?
dude come on

LECHARJOW.
Ich? – Junger Mann, was geht mich an Ihr Wille, was geht mich an sein Wille? Ich hab meinen Willen. Ich werde sein, wo das Proletariat ist – und wenn das Proletariat auf die Straße geht, werde ich auch gehen auf die Straße.
pfftch

SCHENK.
Wollen Sie nicht versuchen, ihm zu zeigen, wo sein Platz ist?
monocole

LECHARJOW.
Bin ich sein Vormund? – Mathias Seebald hat seinen Kopf, wie ich hab meinen Kopf und Sie haben Ihren Kopf. Jeder denkt nur mit seinem Kopf. Gehn Sie schlafen, Genosse, und setzen Sie sich auseinander mit Ihrem Gewissen, wie er sich wird auseinandersetzen mit seinem Gewissen. Und morgen werden wir sehen.
hehehe

SCHENK.
Aber Seebald ist notwendig für das Gelingen der Sache!
herp

LECHARJOW.
Mathias Seebald ist so notwendig für das Gelingen, wie Sie, Raffael Schenk, notwendig sind, oder wie ich, Fedor Wladimirowitsch Lecharjow, notwendig bin. Jeder muß wissen, wo er notwendig ist und wie er notwendig ist. Am notwendigsten ist das Volk, das revolutionäre Proletariat. Und wenn das Volk nicht selbst weiß, was notwendig ist, dann ist seine ganze Sache nicht notwendig.
happy

SCHENK.
Ich sehe, daß das ganze Gerede hier zu nichts führt. Gute Nacht. Will gehen.
hehehe

SEEBALD.
Raffael!
herp

SCHENK.
Was soll's noch?
pfftch

SEEBALD.
Wollen Sie uns die Hand nicht geben, zum Abschied?
hehehe

SCHENK.
Ach ja – gewiß. Reicht ihm die Hand. Ich hoffe, daß ich es auch morgen noch kann. – Gute Nacht, Genosse Lecharjow. Gibt Lecharjow die Hand.
monocole

LECHARJOW.
Schlafen Sie wohl!
Schenk ab.
kittehsmile

SEEBALD.
Welche Leidenschaftlichkeit ist in dem Menschen! – Aber ein Fanatiker.
hehehe

LECHARJOW.
Was wäre eine Idee wert, wenn sie nicht entzündete Fanatiker? Auf Menschen wie Raffael Schenk und Flora Severin ruht die Zukunft Deutschlands.
hehehe

SEEBALD.
Jetzt bitte ich dich um deine Meinung. Kann ich nützen, wenn ich zur Menge rede und sie anführe?
beh

LECHARJOW.
Du kannst nützen, wenn du das Gefühl hast, daß du nützt.
concentrated

SEEBALD.
Ich fürchte, es wird ein großes Unglück geben.
beh

LECHARJOW.
Blutvergießen ist immer ein Unglück; es kann aber dabei sein der größte Segen.
pfftch

SEEBALD.
Nein. Gewalt ist vom Übel. Wenn ich ginge, könnte ich nur versuchen, Gewalt zu verhindern. Aber ich sehe die Gefahr, daß ein solcher Versuch gerade das Signal zur Gewalt sein könnte.
hehehe

LECHARJOW.
Das ist wohl möglich.
pfftch

SEEBALD.
Schenk – das sehe ich deutlich – will die Gewalt. Er ist zum Letzten entschlossen – und ich glaube, Flora Severin bestärkt ihn noch darin.
herp

LECHARJOW.
Er ist ein sanfter Mensch, aber er kann sein ein reißendes Tier. Jetzt ist alles in Wallung in seinem Blut. Seine Krankheit läßt ihn mißachten sein eigenes Leben. – Wie mir scheint, ist er besinnungslos verliebt in Flora – –.
herp

SEEBALD.
Hast du es auch beobachtet?
herp

LECHARJOW.
Und sie erwidert die Liebe und leitet sie über aufs Geistige. Das reißt ihn aus allen Bahnen. Für ihn ist der Kampf des Proletariats gegen den Krieg und für den Sozialismus zugleich sein eigener Kampf, um sich würdig zu machen der Frau, und seine Arbeit für die Gesundung der Menschheit ist fanatisiert von dem Leiden an seiner eigenen Krankheit.
concentrated

SEEBALD.
Ich sträube mich aber, das Werkzeug seiner Leidenschaften zu werden.
pfftch

LECHARJOW.
Wenn du es nicht bist, wird er ein anderes finden.
herp

SEEBALD.
In seinem Zustand wäre er fähig, alle ans Messer zu liefern.
hehehe

LECHARJOW.
Das muß ein Mensch können, dem die Idee mehr ist als das Leben.
kittehsmile

SEEBALD.
Seltsam! Er war bis heute mein treuester Jünger.
dude come on

LECHARJOW.
Glaubst du, er liebt dich jetzt weniger? Im Gegenteil. Ich habe gesehen, wie er bangt um dich – um deine Seele –.
pfftch

SEEBALD.
Ja, ja. – Um sie zu retten, wäre er bereit, mich kaltblütig zu verraten.
pfftch

LECHARJOW
nachdenklich.
Er könnte um dich verbluten. Er könnte auch dich verbluten sehen um deiner Seele willen. Aber – dich verraten? –
pfftch

SEEBALD.
Komm, es ist Zeit, daß wir gehen. Sie stehen auf und gehen zum Ausgang.
hehehe

LECHARJOW
stehenbleibend.
Nein – ein Judas ist Raffael Schenk nicht.
pfftch

SEEBALD
im Fortgehen.

Judas war vielleicht nicht der Schlechteste unter den Jüngern.

Vorhang.

3. Akt

Dritter Akt

In der Frühe des nächsten Tages. Schenks Zimmer. Mansardenstübchen. Der Dachstuhl bildet an der rechten Seite die schräge Zimmerdecke über dem kleinen Fenster, an dem saubere Gardinen hängen. Auf dem Fensterbrett eine leere Blumenvase. An der Hinterwand rechts die Ausgangstür mit Kleiderhaken. In der Mitte der Wand Kleiderschrank. Weiter links einfache Waschkommode, daneben Eimer. Viereckiger kleiner Spiegel. An der linken Seite hinten Tür zur Küche. In der Ecke links runder Eisenofen mit langem Rohr. An der Wand links eiserne Bettstelle. Unter dem Fenster langes Brett mit Büchern. In der Mitte des Zimmers ungedeckter Tisch und ein paar Rohrstühle. Im Vordergrund rechts ein stark abgenützter Liegestuhl. Auf dem Tisch Schreibzeug und Papier. Über dem Bett hängen ungerahmte »Jugend«-Bilder. Unter dem Tisch Strohmatte. Das Bett ist aufgewühlt.
concentrated

SCHENK
in Hemdsärmeln vor dem Spiegel.
Er wäscht sich die letzten Spuren der Rasierseife ab, trocknet das Gesicht und legt das Rasiermesser in die Schublade des Waschtisches. Mutter!
monocole

FRAU SCHENK
von der Küche.
Ja, mein Junge! Gleich kriegst du Kaffee. Ist's schon warm im Ofen?
kittehsmile

SCHENK.
Ja, Feuer hab ich gemacht. – Hast du die Rosette aufgenäht?
dude come on

FRAU SCHENK
öffnet die Tür links.
Da – zieh mal an. Gibt ihm den schwarzen Rock. An der linken Seite – ist's recht so?
herp

SCHENK.
Natürlich links. – Aber wart. Ich muß mir doch erst den Kragen umlegen.
happy

FRAU SCHENK.
Ja, mach dich nur fein für den großen Tag.
happy

SCHENK.
Aber Mutter, an den Überzieher muß auch eine Rosette.
hehehe

FRAU SCHENK.
Sei nur unbesorgt. Rosa Fiebig hat gleich zwei hergegeben, deinen Mantel hab ich schon in der Küche. So, mach dich fertig, Ralf, ich hol den Kaffee. Ab.
dude come on

SCHENK
legt den Kragen um und bindet die Krawatte.
Zieht den Rock an und besieht die Rosette vor dem Spiegel. Ruft. Sieht gut aus, Mutter.
hehehe

FRAU SCHENK
bringt Tablett mit Kaffeekanne, Tassen, Brot, Messer und Marmelade; stellt es auf den Tisch.
Laß dich mal anschauen, Junge.
pfftch

SCHENK.
Sitzt der Kragen ordentlich?
happy

FRAU SCHENK
zupft die Krawatte zurecht.
So. – Richtig schmuck siehst du aus. – Aber jetzt komm frühstücken.
pfftch

SCHENK.
Ach, Mutter, möchtest du vielleicht erst das Bett machen? – Ich kriege vielleicht bald Besuch.
dude come on

FRAU SCHENK.
So früh schon?
happy

SCHENK.
Ich sage dir gleich, wer kommt.
concentrated

FRAU SCHENK.
Na, wie du willst. Macht das Bett in Ordnung.
pfftch

SCHENK
sieht sich im Zimmer um.
Ach, der Eimer! Er gießt das Waschwasser in den Eimer und trägt ihn hinaus.
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Was hat er bloß heute? Streicht das Bett glatt.
happy

SCHENK
zurück.
So, Mutter, jetzt können wir Kaffee trinken. Setzen sich an den Tisch.
monocole

FRAU SCHENK
streicht Brot.
Nein – die Marmelade ist auch ein Zeug. Das reine Viehfutter, und dann muß man noch betteln, daß man's für das Sündengeld überhaupt kriegt.
herp

SCHENK.
Mutter, noch mal aufkehren ist wohl nicht nötig – meinst du?
pfftch

FRAU SCHENK.
Aber Ralf, ich hab doch erst gestern abend bei dir ausgefegt. Du tust ja, als wenn Ostern wäre. Was ist das bloß heute mit dir?
pfftch

SCHENK.
Ja, Mutter, wenn du wüßtest!
hehehe

FRAU SCHENK.
Du – Schlingel – ich glaube bald, du bist verliebt. – Kommt dein Schatz her?
monocole

SCHENK.
Nein – – so darf man Flora nicht nennen.
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Flora? – Was ist das für ein ausgefallener Name?
hehehe

SCHENK.
Flora Severin heißt meine – meine Freundin.
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Ist das nicht die Studentin, von der du schon erzählt hast?
happy

SCHENK.
Ja, Mutter.
monocole

FRAU SCHENK.
Nein – und die ist jetzt deine –? – – Ihr wollt euch doch nicht heiraten?
happy

SCHENK.
Wer kann wissen, was noch wird!
happy

FRAU SCHENK.
Nein, sag doch! – Aber so was! – Und die kommt hierher – zu uns?
happy

SCHENK.
Sie wollte ganz früh hier sein. – Ach, daß ich keine Blumen in der Vase habe.
happy

FRAU SCHENK.
Mein Gott, nein – mitten im Winter! – Aber du, ich will mir dann doch lieber das gute Kleid anziehen. So im Arbeitskleid – das geht doch nicht.
happy

SCHENK.
Du bleibst, wie du bist, Mutter. Flora soll sehen, daß sie zu Proletariern kommt. Und das will sie auch sehen.
concentrated

FRAU SCHENK.
Wird sie denn auch dabeisein, heut nachmittag?
happy

SCHENK.
Das kannst du glauben. Sie hat auch die Flugblätter geschrieben.
hehehe

FRAU SCHENK.
Ist's möglich? Das sollte man nicht meinen, daß die von einer Frau geschrieben sind.
happy

SCHENK.
Sie ist auch keine Frau wie die andern. – Sie denkt und lebt nur mit dem Volk. Sie will es aufwiegeln zum Aufstand – zur Revolution.
dude come on

FRAU SCHENK.
Aber Ralf – Revolution – das ist doch etwas Schreckliches?
dude come on

SCHENK.
Ehe wir die Revolution nicht haben, hört der Krieg nicht auf, Mutter.
hehehe

FRAU SCHENK.
Dieser abscheuliche Krieg! – Ja, wenn das wahr ist, was du sagst, dann muß man ja selbst Revolution wünschen.
monocole

SCHENK.
Wenn das glückt, was Flora und ich wollen, dann haben wir sie heute noch.
happy

FRAU SCHENK.
Ach du mein Gott – es ist aber doch keine Gefahr dabei für dich?
hehehe

SCHENK.
Mutter! Wenn ich mein lahmes Bein und die kranke Lunge nicht hätte, wäre ich doch immer in Gefahr. Das müßtest du auch aushalten.
pfftch

FRAU SCHENK.
Ja, du gehst überhaupt viel zu leichtsinnig um mit deiner Gesundheit. Du wirst dich wieder schrecklich aufregen – und du weißt ja, dann kommt das Husten wieder.
hehehe

SCHENK.
Was du dir doch einbildest! – Mir geht es jetzt viel besser. – Ich habe heute nacht kaum einmal gehustet. Er hüstelt.
happy

FRAU SCHENK.
Siehst du – siehst du!
kittehsmile

SCHENK.
Na ja, man muß nicht daran denken. – Wenn ich Flora sehe, vergesse ich meinen ganzen Husten.
hehehe

FRAU SCHENK.
Bei deinem Vater war es geradeso. Als er noch jung war und recht verliebt in mich, hat er oft tagelang gar nicht gehustet. Und dann, als du geboren warst, da war er vor Freude beinahe ganz gesund. Aber zwei Jahre drauf hat ihn die Schwindsucht doch hingeworfen.
happy

SCHENK.
Sag, Mutter, war Vater eigentlich Sozialist?
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Gott, wie das so war damals. In der Gewerkschaft war er ja, und bei den Wahlen hat er immer den Sozialdemokraten geholfen. Aber sonst hat er sich nicht viel um das Ganze gekümmert.
hehehe

SCHENK
schaut auf die Taschenuhr.
Es ist gleich acht Uhr.
hehehe

FRAU SCHENK.
Ja, natürlich. – Ich hab dich doch heut nicht früher geweckt, weil du doch nicht zur Arbeit gehst wegen dem Streik. – Du hast Inhaber noch gar nicht erzählt von gestern abend.
pfftch

SCHENK.
Ach – ich hab mich geärgert.
hehehe

FRAU SCHENK.
Wohl wieder über die Malerinnen und die vornehmen Herrschaften?
kittehsmile

SCHENK.
Die durften sich gestern gleich drücken. Das Generalkommando hatte ja alles verboten. – Nein, über Seebald selber.
beh

FRAU SCHENK.
Über den Professor selber? Aber wie kann das sein, Ralf?
beh

SCHENK.
Na ja, er sollte heute reden vor der Wachsmannschen Fabrik und dann den Zug anführen. Aber da hat er plötzlich so viel Bedenken, so viele Wenn und Aber – –
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Wird er denn nun hingehen?
herp

SCHENK.
Ich soll mir um ein Uhr bei ihm Bescheid holen. – Ich hätte Lust, ihn einfach laufenzulassen.
dude come on

FRAU SCHENK.
Ist's möglich?
pfftch

SCHENK
sieht wieder nach der Uhr, schüttelt den Kopf.
Kann ich noch ein Stückchen Brot haben, Mutter?
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Das wird schlecht gehen, Ralf. Meine Brotmarken sind fast ganz alle –.
kittehsmile

SCHENK.
Gib nur noch eins her. Vielleicht treib ich noch ein paar Brotmarken auf. Aber heut muß ich gut im Stande sein. Heut gibt's noch zu tun.
happy

FRAU SCHENK
seufzt.
Das ist ein Kreuz mit dem Brot – und überhaupt. Streicht ihm ein Brot. Was sind das bloß für Zeiten! Es läutet.
hehehe

SCHENK.
Es hat geschellt, Mutter. Das ist sie – sie weiß nicht, daß die Flurtür offen ist. – Bleib da, ich mache auf.
Er geht zur Ausgangstür hinaus. Frau Schenk streicht sich rasch das Kleid glatt, läuft zerfahren umher. Draußen hört man Stimmen. Schenk und Flora treten ein.
Ja, hier herein – bitte. – Komm, Mutter. – Ja, das ist meine Mutter, Flora!
happy

FLORA
gibt ihr die Hand.
So sieht Raffael Schenks Mutter aus! – Guten Morgen, Frau Schenk!
dude come on

FRAU SCHENK.
Grüß Gott, Fräulein – – Ja, jetzt hab ich den Namen wieder vergessen.
monocole

SCHENK.
Flora, Mutter. – Und Fräulein brauchst du auch nicht zu sagen.
herp

FLORA.
Nein, bitte nicht. – Ich bin Genossin.
hehehe

SCHENK.
Leg doch ab, Flora.
dude come on

FLORA.
Hast du eine Vase? Ich hab ein paar Rosen mitgebracht. Gibt sie ihm.
happy

SCHENK
sie aus dem Papier nehmend.
Oh, sieh doch, Mutter, wie schön!
herp

FRAU SCHENK
nimmt die Vase vom Fenster, stellt die Blumen hinein, riecht daran.
Oh, wie herrlich. Und Ralf hat gerade geklagt, daß wir keine Blumen im Zimmer haben für Sie. – Hilf doch beim Ausziehen, Junge.
pfftch

SCHENK.
Ach ja. Zerrt ungeschickt an Floras Jackettärmel.
herp

FLORA.
Geh nur! Legt ab, gibt ihm Jackett und Mütze, die er an die Tür hängt.
happy

SCHENK.
Mutter, hast du noch eine Tasse für Flora?
hehehe

FLORA.
Ich habe schon gefrühstückt. – Bitte keine Umstände.
beh

FRAU SCHENK
läuft in die Küche.
Oh, es ist noch genug da. Einen Augenblick.
pfftch

SCHENK.
Ich bin so glücklich, daß du hier bist!
concentrated

FLORA
gibt ihm ihren Mund.
Mein lieber Freund! Kuß. Frau Schenk kommt wieder herein, bleibt in der Tür stehen, will zurück.
dude come on

SCHENK.
Komm nur herein, Mutter. – Hast du was gesehen?
concentrated

FRAU SCHENK.
Ich? – Nein. – Was denn?
hehehe

SCHENK.
Es macht nichts, Mütterchen. Dir auch nicht, Flora, wie? – Ich hab vor Mutter keine Geheimnisse.
herp

FLORA.
Das ist schön – und selten.
beh

FRAU SCHENK.
Wenn er nur glücklich ist – da haben Sie eine schöne Aufgabe, mein Kind. Gießt ihr ein. Auch ein Marmeladebrot?
dude come on

SCHENK
schiebt ihr seins zu.
Da, iß dies – das hab ich liegenlassen. – Aber Mutter, bring doch die Milch für Flora.
pfftch

FRAU SCHENK.
Von deiner Milch?
hehehe

SCHENK.
Ja, natürlich. Andere hast du doch nicht?
dude come on

FLORA.
Die ist wohl für dich extra verordnet? – Nein, mein Lieber, die trinkst du, aber ich nicht.
monocole

SCHENK.
Ich trinke bloß mittags ein Glas, und wenn heute soviel darin fehlt, wie du brauchst, um deinen Kaffee zu weißen, dann bekommt sie mir dreimal so gut.
happy

FRAU SCHENK
holt die Milch aus der Küche.
Währenddem sitzen Schenk und Flora wortlos Hand in Hand. Kommt zurück. So, nun bedienen Sie sich, und mich entschuldigen Sie. Ich muß einholen gehen.
Nimmt aus dem Kleiderschrank ein Umschlagetuch, während sie es umlegt. Das Frühstücksgeschirr stell dann nur auf den Küchentisch, Ralf!
herp

SCHENK.
Unbesorgt, Mutter. Geh nur.
happy

FRAU SCHENK.
Kann sein, daß ich ein bißchen länger wegbleib. Ich gehe noch bei Frau Päpke vorbei und sehe mal nach ihr und dem Baby. Sie hat vorige Woche entbunden.
happy

FLORA.
Wohl eine Nachbarin?
beh

FRAU SCHENK.
Nein – sie wohnt ein tüchtiges Stück weg. Aber sie ist ein Patenkind von mir. – Aber jetzt muß ich laufen. Guten Morgen, Kinder. Ab.
kittehsmile

FLORA.
Hast du eine liebe Mutter!
hehehe

SCHENK.
Nicht wahr? – Sonst geht sie nie vor halb zehn Uhr einkaufen. Und daß sie zu der Wöchnerin muß, ist auch nur, damit sie die Zeit hinbringt und uns nicht zu früh stört. – Und jetzt einen Kuß, Flora!
pfftch

FLORA.
Noch einen. Küßt ihn. Und damit ist's genug. Zum Schnäbeln haben wir später Zeit. Heut haben wir Ernsteres zu tun. – Weißt du etwas Neues?
dude come on

SCHENK.
Das Morgenblatt ist nicht erschienen. – Sind Telegramme angeschlagen?
happy

FLORA.
Nur Anschläge vom Generalkommando und den Gewerkschaften: Warnungen, Beschwichtigungen, Drohungen – du kennst die Tonart.
herp

SCHENK.
Und weißt du Näheres von den Fabriken?
happy

FLORA.
Ich traf die Fiebig. Bei Wachsmann feiert alles. Bei Bartels & Moser soll ein Teil zur Arbeit gegangen sein.
hehehe

SCHENK.
Und bei der Motorengesellschaft?
herp

FLORA.
Das weiß ich noch nicht. – Und wie ist's in eurer Druckerei?
kittehsmile

SCHENK.
Da bin ich gewiß. Die hab ich gut bearbeitet. Du siehst ja auch – keine Zeitung. Das spürt der gute Bürger zuerst.
pfftch

FLORA.
Also paß auf. Ich war heute früh schon weit herum.
concentrated

SCHENK.
Heut früh schon? – Herrgott, und ich steh jetzt erst auf.
hehehe

FLORA.
Du sollst dich auch schonen. Ich war schon bei Trotz und bei Fischer. Die Sache geht folgendermaßen vor sich: Um zwei Uhr sammeln sich die Streikenden bei ihren Betrieben und gehen von dort in Kolonnen – aber ohne Fahnen – zur Wachsmannschen Fabrik. Dort stellt sich der Zug auf. Die Fahnen und Plakate werden gegen ein Uhr hierher gebracht – zu dir. Sie werden erst an Ort und Stelle verteilt.
hehehe

SCHENK.
Warum das?
kittehsmile

FLORA.
Damit nicht eine einzelne Gruppe vorzeitig abgefangen wird.
happy

SCHENK.
Das kann man auch, wenn sie keine Fahne hat.
happy

FLORA.
Aber man wird nicht. Der Stier wird erst wild, wenn er das rote Tuch sieht.
happy

SCHENK.
Und weiter?
hehehe

FLORA.
Der Zug formiert sich nach Betrieben und Berufen im großen Vorhof der Fabrik. Und am Eingang, wo das Gitter aufhört, steht doch der hohe vierkantige Stein – du kennst dich doch dort aus?
hehehe

SCHENK.
Du meinst den Sockel, der eigentlich für die Pforte bestimmt war?
hehehe

FLORA.
Ja. Von diesem Stein aus spricht Seebald.
dude come on

SCHENK.
Das bezweifle ich, Flora.
herp

FLORA.
Wie denn? Bist du nicht einig geworden mit ihm? – Ich hatte mich darauf verlassen.
happy

SCHENK.
Ich habe getan, was ich konnte.
beh

FLORA.
Und er hat nein gesagt?
happy

SCHENK.
Weder ja noch nein. Er wollte sich's bis heute mittag überlegen.
dude come on

FLORA.
Das bedeutet eine Absage.
herp

SCHENK.
Der Ansicht bin ich auch. Um ein Uhr soll ich bei ihm Bescheid holen. – Aber sagtest du nicht, um eins kommen die Genossen hier zusammen?
hehehe

FLORA.
Ja, Trotz und Dietrich und Rosa Fiebig mit den Fahnen.
hehehe

SCHENK.
Dann geh ich gar nicht erst hin.
hehehe

FLORA.
Ob ich noch einmal mit ihm sprechen soll?
hehehe

SCHENK.
Nein, Flora. Lassen wir ihn gehen. – Er meint es gut – aber er ist nicht der Mensch, für den wir ihn hielten.
dude come on

FLORA.
Was meint denn Lecharjow?
concentrated

SCHENK.
Der kommt. – Er fand, wir reden aneinander vorbei – Seebald und ich.
pfftch

FLORA.
Wer soll dann aber sprechen?
happy

SCHENK.
Es bleibt nur ein Ausweg. – Du!
monocole

FLORA.
Ich glaube, das werde ich nicht können. – Möchtest du nicht –?
hehehe

SCHENK.
Ich bin kein Redner – und dann mein schwaches Organ.
happy

FLORA.
Oder Trotz?
hehehe

SCHENK.
Der kommt ins Stottern. Er kann nicht vor vielen Leuten sprechen.
concentrated

FLORA.
Und Dietrich?
concentrated

SCHENK.
Das ist ein braver Kerl. Aber mit großen Phrasen ist doch jetzt nicht geholfen.
monocole

FLORA.
Ich habe noch nie vor Massen gesprochen.
monocole

SCHENK.
Aber du kannst es. Du kannst alles. Du mußt es tun! Er nimmt ihre Hände. Flora – ja?
monocole

FLORA.
Schmeichler! Sie küßt ihn. Es klopft, Sie fahren auseinander.
happy

SCHENK.
Herein! Es tritt ein Klagenfurter. Du bist's, Stefan?
pfftch

KLAGENFURTER.
Ja – ich bin's. Ich bin von Hause fort.
dude come on

SCHENK.
Was heißt das?
happy

KLAGENFURTER.
Um sieben Uhr war ein Soldat da und brachte die Einberufung. Ich soll heut vormittag um acht Uhr in der Infanteriekaserne eintreten.
pfftch

FLORA.
Acht Uhr ist längst vorüber.
concentrated

KLAGENFURTER.
Sie haben mich abgelauert gestern abend bei der »Hütte«. Den ganzen Weg hatte ich Spitzel hinter mir.
hehehe

SCHENK.
Das hat Strauß gemacht. – Der kennt dich.
beh

KLAGENFURTER.
Ja – um mich heute unschädlich zu machen. Denk mal: vorgestern erst gemustert.
kittehsmile

SCHENK.
Wie die Gesellschaft arbeitet! Um sieben Uhr der Zettel und um acht Uhr antreten.
hehehe

FLORA.
Nur gut, daß sie Sie nicht gleich mitgeschleppt haben.
monocole

KLAGENFURTER.
Daß ich durchbrennen werde, haben sie sich wohl nicht gedacht.
pfftch

SCHENK.
Jedenfalls werden sie dich so schnell nicht suchen. Bleib nur erst hier.
beh

FLORA.
So sicher bin ich nicht. Ich denke mir aber, daß sie ihre Häscher schon ausgesandt haben.
happy

SCHENK.
Aber bei mir werden sie ihn kaum vermuten.
hehehe

FLORA.
Vielleicht gerade. Glaubst du, über die Freundschaften unter den revolutionären Arbeitern werden keine Listen geführt?
happy

KLAGENFURTER.
Wohin soll ich denn gehen? Wozu raten Sie?
hehehe

FLORA.
Heute nachmittag werden Sie am sichersten unter der Menge sein.
happy

KLAGENFURTER.
Ja – da wird's schwer werden, mich rauszusuchen. – Aber bis dahin?
beh

SCHENK.
Am besten wär's, du gingst zu irgendeinem unverdächtigen Bourgeois.
happy

KLAGENFURTER.
Wer sollte mich wohl aufnehmen?
kittehsmile

FLORA.
Ich hab's. Gehen Sie zu der geschiedenen Frau, die im »Bund Neuer Menschen« immer auf unseren Nerven Harfe spielt.
happy

SCHENK.
Zu der alten Hysterikerin! – Das ist ein Gedanke. Wart, ihre Adresse habe ich. Sieht im Notizbuch nach. Hier: Frau Werra Adler – ich schreib dir's auf. Schreibt einen Zettel, gibt ihn Klagenfurter.
hehehe

FLORA.
Aber sehen Sie sich vor, daß sie Sie nicht in ihren Netzen fängt.
beh

KLAGENFURTER.
Dann lieber gleich freiwillig in die Kaserne!
Draußen Schritte. Klopfen. Es tritt ein Dietrich.
happy

DIETRICH.
Oha! – Ich hab mir's gedacht, daß ich den Ausreißer hier finde. – Du mußt sofort weiter!
hehehe

SCHENK.
Warum? Was ist los?
dude come on

DIETRICH.
Ich komme eben von deiner Frau, Stefan. Es waren gerade zwei Soldaten dagewesen, um dich zu holen. Dann wollte ich zu mir heim. Gerade kamen sie bei mir die Treppe herunter, diese Kanaillen.
beh

FLORA.
Hat Sie niemand zur Rede gestellt?
pfftch

DIETRICH.
Sie kannten mich doch nicht. Ich bin dann gleich umgekehrt und hierher. Wahrscheinlich sucht die Polizei auch schon.
monocole

FLORA.
Wieso glauben Sie?
dude come on

DIETRICH.
Weil ich die Burschen auf der Straße mit einem Zivilisten sprechen sah, der mir verflucht nach Kriminaler aussah. Ein Kerl im Pelz. Der schlug sein Buch auf und gab dann offenbar eine andere Adresse an. Sie gingen dann miteinander die Gertrudstraße hinunter, also wahrscheinlich zu Braun oder Färber.
pfftch

SCHENK.
Ja, mein Lieber, da wird's wohl das beste sein, du läufst gleich weiter, daß du ihnen hier unten nicht grad in die Arme fällst.
hehehe

KLAGENFURTER.
Dietrich kann ja vorangehen. Der kennt sie ja schon.
happy

DIETRICH.
Aber wohin?
concentrated

FLORA.
Da sind wir schon einig: ins Villenviertel zu Frau Adler.
monocole

DIETRICH
lacht mächtig.
Das ist großartig. Das hat natürlich unsere Severin ausgeheckt! Na, jedenfalls wird man dir ein gutes Weinchen vorsetzen, Alter!
beh

KLAGENFURTER.
Sag, war die Miezl sehr aufgeregt?
pfftch

DIETRICH.
Na ja – geheult hat sie ja ein bißchen.
hehehe

KLAGENFURTER.
Verdammt! In ihrem Zustand jetzt die Angst!
kittehsmile

SCHENK.
Denk jetzt nicht an deine Frau. Der geschieht nichts. Denk an dich selbst und laß dich nicht erwischen.
kittehsmile

KLAGENFURTER.
Wenn sie mich kriegen – in den grauen Rock steig ich nicht.
kittehsmile

SCHENK.
Bist du fest entschlossen?
dude come on

KLAGENFURTER.
Du kannst dich drauf verlassen. Sie mögen mich an die Wand stellen, dann weiß ich wenigstens, wofür ich sterbe. Soldat werde ich nicht!
herp

FLORA
schüttelt ihm die Hand.
Brav, Genosse Klagenfurter. – Jetzt gehen Sie aber, Dietrich als Schrittmacher zuerst. – Und um Ihre Frau werde ich mich kümmern. Das verspreche ich Ihnen.
kittehsmile

DIETRICH.
Dann kannst du beruhigt sein, Stefan. Bei der ist sie in guten Händen.
hehehe

KLAGENFURTER.
Das weiß ich. Vielen Dank, Flora. – Also hoffentlich am Nachmittag. Mit Dietrich ab.
hehehe

FLORA.
Das alles sieht mir nicht danach aus, als ob es friedlich ablaufen wollte.
kittehsmile

SCHENK.
Sie arbeiten tüchtig – das muß man ihnen lassen.
happy

FLORA.
Es zeigt, daß sie sich noch sicher fühlen. Es ist kaum zu fassen, diese Verblendung. Aber es ist gut so. – Verheimlichen läßt es sich an der Front nicht, wie es in der Heimat zugeht. Auf jeden Fall wird die Niederlage beschleunigt.
hehehe

SCHENK.
Glaubst du, daß die Front revoltieren wird, wenn es bekannt wird?
dude come on

FLORA.
Das glaube ich nicht. Aber du weißt ja, wie die Urlauber reden; alle hoffen aufs Hinterland. Rührt sich hier erst mal etwas, dann werden sie sich doch nicht mehr so fest einreden lassen, daß nur Stürmen und Siegen sie aus dem Elend des Schützengrabens befreien kann. Wenn unsere Landsleute draußen lesen, daß zu Hause gestreikt wird und daß man in die Arbeiter hineinschießt –
happy

SCHENK.
Und die Namen der Verhafteten! Denke nur, wenn dastände, Seebald ins Gefängnis geworfen!
kittehsmile

FLORA.
Ja, das würde Eindruck machen. – Aber wenn der sich doch zurückzieht –
happy

SCHENK.
Feigheit ist es nicht.
pfftch

FLORA.
Gewiß nicht. An seine Person denkt er zuletzt. – Weißt du, was gut wäre?
kittehsmile

SCHENK.
Was?
hehehe

FLORA.
Wenn sie ihn trotzdem verhafteten – auch wenn er nicht dabei ist?
kittehsmile

SCHENK.
Hältst du das für möglich?
hehehe

FLORA.
Wahrscheinlich ist es nicht. Aber Strauß haßt ihn – und ich glaube, der und die anderen sogenannten Arbeiterführer haben das ganze Spiel in den Händen.
monocole

SCHENK.
Sie werden ihn als Rädelsführer angeben?
happy

FLORA.
Das ist er ja im Grunde auch. Ohne seine Tätigkeit hätten wir die Arbeiter nicht aus den Werkstätten bekommen.
concentrated

SCHENK.
Trotzdem – sie werden es nicht wagen. – Wenn ich mir vorstelle, daß man ihn womöglich an den Arbeitern vorbeiführt. – Von seiner Wohnung zum Gefängnis müßten sie ja an der Wachsmannschen Fabrik vorüber. – – Ob man ihn befreien würde?
hehehe

FLORA.
Raffael, du phantasierst. Das ist doch alles Unsinn.
kittehsmile

SCHENK.
Ja – ja – natürlich. – – Hast du fertig gefrühstückt, Liebste? Kann ich abräumen?
hehehe

FLORA.
Ja, danke, ich nehm nichts mehr.
kittehsmile

SCHENK
stellt das Geschirr aufs Tablett.
Einen Augenblick. In die Küche ab.
pfftch

FLORA
blickt ihm nach, seufzt schwer auf.
Oh, mein Gott! Sie steht auf, geht durchs Zimmer, setzt sich auf den Liegestuhl, nimmt das Taschentuch vor die Augen, schluchzt auf.
beh

SCHENK
zurück, auf sie zu.
Flora! Du weinst? – Was hast du? Kniet bei ihr nieder, küßt ihre Hände. Du!
pfftch

FLORA
fährt ihm über das Haar.
Verzeih, Lieber. – Ich bin doch nur ein schwaches Weib.
happy

SCHENK.
Aber was ist dir denn?
pfftch

FLORA
unter Tränen.
Es wird Tote geben und Verwundungen. Man wird brave Menschen in den Kerker werfen. – Es ist schwer, das alles zu verantworten.
happy

SCHENK
ratlos.
Nicht mutlos sein, Liebling – bitte nicht!
hehehe

FLORA
legt den Arm um seinen Hals.
Wir haben einander Vertrauen gelobt, Raffael. Du darfst sehen, daß es mir nicht leicht wird, du allein.
hehehe

SCHENK
küßt sie leidenschaftlich.
Oh, ich weiß – du bist gut, du bist weich.
pfftch

FLORA
richtet sich auf, steht.
Nein, ich will nicht weich sein. Ich will nicht! Wir müssen fest bleiben, du und ich. – Hart müssen wir sein!
happy

SCHENK.
Du bist schön, Flora! – Du bist schön! Umschlingt sie. Es läutet.
concentrated

FLORA
lächelnd.
Hörst du? Wir werden zum zweiten Mal gemahnt, vernünftig zu sein. – Geh, mach die Tür auf.
hehehe

SCHENK.
Kann man mich denn nicht einmal fünf Minuten glücklich sein lassen! Ab zum Korridor. Die Tür bleibt offen. Noch draußen. Sie sind's, Frau Laßmann? – Ja, bitte, treten Sie ein!
herp

FRAU LASSMANN.
Störe ich nicht?
happy

FLORA.
Nein, aber haben Sie etwas mit Schenk zu reden, wobei ich störe?
herp

FRAU LASSMANN.
Nein, gewiß nicht. Ich wußte ja nur nicht, an wen ich mich wenden soll.
happy

SCHENK.
Was ist denn passiert? – Sie sind aufgeregt. Frau Laßmann. – Setzen Sie sich. Schiebt ihr einen Stuhl hin.
kittehsmile

FRAU LASSMANN
setzt sich.
Ach Gott – helfen können Sie mir ja auch nicht – aber vielleicht doch einen Rat geben.
concentrated

SCHENK.
Sprechen Sie doch. Worum handelt es sich denn?
kittehsmile

FRAU LASSMANN.
Sie wissen doch, wie es uns jetzt geht – mit der Invalidenrente die paar Mark und dann mit dem blinden Mann und mit den sechs Kindern. –
concentrated

FLORA.
Sie sind in Verlegenheit, Frau Laßmann? Da wird sich schon Rat schaffen lassen.
pfftch

FRAU LASSMANN.
Ja, sehen Sie – es ist mit dem Mietzins – unsere Leni war doch so krank im letzten Herbst. Und da sind wir seit drei Monaten im Rückstand geblieben mit der Miete. Ich hab den Hausherrn gebeten und gebeten, er soll noch etwas Geduld haben – und heute früh – heute früh – haben wir die Exmission gekriegt.
kittehsmile

SCHENK.
Die Exmission? – Das gibt es ja jetzt gar nicht.
beh

FRAU LASSMANN.
Ach, das gibt es alles noch. Sie wissen immer, wo heraus aus den neuen Bestimmungen, die Reichen. Und jetzt sollen wir bis heut abend die 78 Mark bezahlen oder sonst morgen früh raus aus der Wohnung.
dude come on

FLORA.
78 Mark! Ich müßte sehen, daß ich sie heute noch zusammenbrächte. – Ließe sich denn der Wirt nicht auf eine Teilzahlung ein?
hehehe

FRAU LASSMANN.
Ich hab ihm schon angeboten – 20 Mark. Da meinte er, übermorgen ist der erste Februar, das wäre ja noch nicht mal genug für den neuen Monat. Er will uns ja nur raushaben – mit den vielen Kindern. Kein Mensch mag ja mehr Kinder im Haus haben.
dude come on

SCHENK.
Das sind die veredelnden Wirkungen des Krieges.
concentrated

FRAU LASSMANN.
Und dann, wenn ich mal ein paar Groschen in der Hand hab – ja, dann denk ich ja auch nicht gleich an den Hausherrn. Die Kinder kriegen ja so viel zuwenig Milch – die Großen gar keine mehr; und was es auf die Marken gibt, davon kann man ja rein verhungern.
dude come on

FLORA.
Das stimmt. Unsere vorbildliche Lebensmittelorganisation kann sich sehen lassen.
pfftch

FRAU LASSMANN.
Dann muß man eben sehen, hintenrum was zu erwischen, und dabei wird einem die Haut ganz heruntergezogen. Aber das ist doch das erste, daß man die Kinder sattkriegt. Und dann brauchen sie Kleider und Schuhe – und alles wird immer teurer –
hehehe

SCHENK.
Und immer schlechter.
kittehsmile

FRAU LASSMANN.
Vor vierzehn Tagen hatte mein Mann mal die Brille abgenommen, weil er sich das Auge auswischen wollte – und ich war gerade nicht da. Und als er sie dann auf dem Tisch wieder gesucht hat, da hat er sie runtergestoßen – und beide Gläser kaputt. Jetzt die teuren schwarzen Gläser. –
concentrated

SCHENK.
Aber die muß doch der Staat zahlen!
concentrated

FRAU LASSMANN.
Nein, sie haben sich geweigert, weil es aus Unvorsichtigkeit geschehen ist. Als wenn er was dafür könnte, daß er blind ist.
monocole

FLORA.
Jedenfalls müssen wir jetzt zunächst nachdenken, was man jetzt gegen die Exmission machen kann.
pfftch

SCHENK.
Was sagt denn Ihr Mann dazu?
hehehe

FRAU LASSMANN.
Ach, mit Ernst ist ja gar nicht mehr zu reden. Der sagt, ich soll mich gar nicht sorgen. Heute gibt's Revolution – und dann sollte der Hausherr schon sehen, wer herausfliegt, wir oder er selbst. Der ist ja wie närrisch.
monocole

FLORA.
Ich glaube, am besten ist es, ich gehe gleich mal mit Ihnen und nehme mir zunächst einmal den sauberen Hauswirt vor.
hehehe

FRAU LASSMANN.
Ach, wenn Sie das tun wollten!
herp

SCHENK.
Meinen Sie denn, daß es nützen könnte?
pfftch

FRAU LASSMANN.
Doch. Mit uns Proletariern glauben sie ja, können sie alles machen. Wenn aber einmal ein anderer mit ihnen spricht, dann wollen sie nicht wie Unmenschen aussehen. – Das ist immer so.
kittehsmile

FLORA.
Also gut – gib mir mein Jackett, Raffael, bitte.
dude come on

SCHENK.
Aufschieben kannst du den Weg nicht?
happy

FLORA
streng.
Ich bitte dich. – Solche Dinge schiebt man nicht auf.
beh

SCHENK.
Du hast recht. Verzeih!
happy

FLORA.
Ich geh von dort aus gleich auch zu Frau Klagenfurter. Gegen Mittag bin ich wieder hier. Also auf Wiedersehen, Raffael.
monocole

FRAU LASSMANN.
Ich bin so froh, daß ich Sie getroffen hab, Flora. Flora und Frau Laßmann ab. Schenk begleitet sie hinaus. Man hört draußen noch ihre Stimmen, dann die Korridortüre zufallen. Schenk tritt wieder ein. Er nimmt die Rosen in die Hand und berührt sie mit dem Mund. Öffnet das Fenster, holt einen Stuhl heran und beugt sich weit vor, um auf die Straße hinabzusehen. Schließt das Fenster wieder, stellt den Stuhl zurück. Macht sich am Ofen zu schaffen. Es klopft.
dude come on

SCHENK
springt auf, zur Tür.
Mutter, bist du's? Kannst schon hereinkommen. Flora ist eben fort. Er öffnet und prallt zusammen mit Seebald. Sie – ja, das überrascht mich. – Daß Sie zu mir kommen!
happy

SEEBALD
gibt ihm die Hand.
Guten Morgen, Raffael. Ja – ich möchte Ihnen den Besuch bei mir doch nicht zumuten. Sie werden dann genug zu tun haben.
monocole

SCHENK.
Ich wäre auch nicht gekommen.
happy

SEEBALD.
Das habe ich mir gedacht. – Sie sind doch ein rechter Trotzkopf.
herp

SCHENK.
Bis Mittag mußten wir alle Anordnungen doch ohne Rücksicht auf Sie treffen. – Und wenn Sie sich für uns entscheiden wollten, hätten Sie den Weg zu Wachsmann ja auch allein gefunden.
herp

SEEBALD.
Sie sind bitter, lieber Freund. – Aber schön warm haben Sie's hier drinnen. Darf ich ablegen?
monocole

SCHENK.
Oh, entschuldigen Sie! Will ihm helfen.
happy

SEEBALD.
Danke, lassen Sie nur! Er legt ab und hängt Mantel und Hut auf.
happy

SCHENK.
Nehmen Sie doch bitte Platz. Setzen sich an den Tisch.
hehehe

SEEBALD.
Was mich herführt, ist – Raffael! Wir müssen uns einmal aussprechen. Der Schatten von gestern abend darf nicht zwischen uns liegen.
pfftch

SCHENK.
Ich kann Ihnen leider nichts anbieten. – Doch! Mögen Sie ein Glas Milch?
happy

SEEBALD.
Milch? – Wenn ich sie Ihnen nicht wegtrinke.
pfftch

SCHENK.
Nein, nein – bitte einen Moment. Ab in die Küche.
dude come on

SEEBALD
allein, sieht sich im Zimmer um.
Riecht an den Rosen. Schenk kommt mit einem Glas Milch. Vielen Dank! – Rosen im Januar!
happy

SCHENK.
Sie sind von Flora Severin. – Wollen Sie eine nehmen?
kittehsmile

SEEBALD.
Nein – die nehm ich Ihnen nicht weg. Die sind für Ihre Gesundheit. Trinkt. Ah – das ist ein seltener Genuß jetzt, gute Milch.
dude come on

SCHENK.
Nun haben Sie sich doch noch entschlossen. – Das freut mich wirklich.
concentrated

SEEBALD.
Hören Sie mich an, Raffael. – Ich bin hergekommen, um Sie zu warnen.
kittehsmile

SCHENK.
Warnen – wovor?
beh

SEEBALD.
Ich habe diese Nacht wenig geschlafen. Unser kurzes Gespräch gestern abend hat mich tief beunruhigt.
hehehe

SCHENK.
Mich auch.
happy

SEEBALD.
Drum eben müssen wir uns verständigen. – Sie waren von mir enttäuscht. Schenk schweigt. – – Ich begreife Sie gut. Sie sagen sich, dieser Mann hat sich zur Lebensaufgabe die Bekämpfung des Krieges gestellt. Er hat sich durch diesen Kampf die Liebe und das Vertrauen des Volks errungen. –
dude come on

SCHENK.
Nicht eigentlich dadurch, sondern, weil Sie nicht wie die anderen Pazifisten einen Verständigungsfrieden zwischen den Regierenden verlangen – weil Sie sich ans Proletariat wenden.
concentrated

SEEBALD.
Gut: Ich habe immer gelehrt: Wer unter einem Zustand leidet, dessen Aufgabe ist es, ihn zu ändern. Und ich habe den Soldaten gesagt: Wenn ihr den Frieden wollt, führt keinen Krieg – und den Arbeitern: Wenn ihr die Freiheit wollt, arbeitet nicht für die Knechtschaft! – Jetzt stehen Sie vor einem Rätsel. In dem Augenblick, wo die Arbeiter zum ersten Mal nach meinen Worten handeln, scheine ich mich zurückzuziehen. Das erbittert Sie gegen mich. Ist es so, Raffael?
dude come on

SCHENK.
Ja, so ist es.
beh

SEEBALD.
Nun sagen Sie mir: Halten Sie mich für feige?
monocole

SCHENK.
O nein – das weiß ich, daß Sie für sich selbst nicht fürchten.
pfftch

SEEBALD.
Das freut mich, daß ich mich dagegen nicht zu verteidigen brauche. Also weiter: Sie wissen, daß bei allen Verfolgungen und Schikanen mich die Behörde stets in Ruhe gelassen hat. Wie erklären Sie sich das?
concentrated

SCHENK.
Sie sind zu berühmt. Ihre Werke werden in der ganzen Welt gelesen. Wenn überall alles Deutsche geächtet ist, heißt es doch immer: Es gibt Ausnahmen, vor allem Mathias Seebald. – Sie haben Verehrer in allen Kreisen, selbst unter den Offizieren.
pfftch

SEEBALD.
Die rücken aber jetzt weit von mir weg.
herp

SCHENK.
Ja, aber immer mit Respekt. Vor ein paar Tagen las ich noch in der Tageszeitung, die doch vor Patriotismus Purzelbäume schlägt, von den bedauerlichen Verirrungen unseres großen Mitbürgers, dessen Namen aber man doch mit Ehrfurcht nennen müßte. Wenn man an Sie Hand anlegte, wäre der Skandal ungeheuer. Vom feindlichen Ausland will ich nicht reden, daran würden sich die Generäle wohl nicht viel kehren – aber auch in ganz Deutschland und besonders bei den Neutralen. – Es wäre dasselbe, als wenn sie in Belgien den Kardinal Mercier einsperrten.
concentrated

SEEBALD.
Nicht ganz dasselbe – bei Mercier gäbe es Konflikte mit dem Vatikan.
happy

SCHENK.
Aber bei Ihnen ginge der letzte Rest Achtung vor den Deutschen verloren. Und den möchten sich unsere Politiker gerne retten. – Vielleicht brauchen sie mal mildernde Umstände.
beh

SEEBALD.
Raffael, Sie sind ein ungewöhnlich kluger und gebildeter Mensch. – Sie sind Buchdrucker, nicht wahr?
dude come on

SCHENK.
Schriftsetzer.
kittehsmile

SEEBALD.
Mit Ihnen kann ich anders sprechen als sonst mit Arbeitern. Ich will Ihnen meine Meinung sagen. Das alles wäre für die Regierung noch kein Grund, mich gewähren zu lassen. Sie kennen das schöne Wort: Staatsräson! – Die steht den Herren weit höher als das bißchen moralische Ansehen. Um ihren guten Ruf in der Welt sind sie viel weniger bange, als Sie glauben. – Ich will nun nicht gerade annehmen, daß sie meine agitatorische Tätigkeit bloß für eine unschuldige Gelehrtenmarotte nehmen. –
pfftch

SCHENK.
Aber, dann wüßte ich nicht –
monocole

SEEBALD.
Der Grund sitzt viel tiefer. Ich muß Ihnen da vielleicht ein wenig metaphysisch kommen. Sie verstehen, was das heißt?
concentrated

SCHENK.
Ja, gewiß: übersinnlich.
happy

SEEBALD.
Ungefähr. – Haben Sie etwas von mir gelesen?
herp

SCHENK.
Ich kenne Ihre »Philosophie der Nächstenliebe«. Nimmt das Werk vom Bücherbrett. Hier ist sie.
dude come on

SEEBALD.
Dann wissen Sie also, worauf meine ganze Weltanschauung sich gründet: Ablehnung der Gewalt, in jeder Form und unter allen Umständen. Wenn Tolstoi mit Christus sagt: Widerstrebe nicht der Gewalt, so lehre ich: Nimm niemals teil an der Gewalt und lasse die Gewalt nie an dich herankommen. – Das heißt: Begehe keine Handlung, die die Gewalt herausfordert! – Wenn mich nun bisher die Behörde nicht gefaßt hat, so entnehme ich daraus, daß ich meiner eigenen Lehre treu geblieben bin und die Forderung der Gewaltlosigkeit nicht selbst zum Anlaß der Gewaltentfesselung gemacht habe.
beh

SCHENK.
Angenommen aber, heute oder morgen besänne sich die Behörde anders und verhaftete Sie – wäre dann nicht Ihre ganze Theorie widerlegt?
herp

SEEBALD.
Nein, es wäre ein Beweis, daß ich falsch gehandelt hätte. Ich glaube, daß der Wille zum Guten, wo er die Seele eines Menschen ganz erfüllt, sich selbst die Abwehrmittel schafft, um das Böse fernzuhalten.
monocole

SCHENK.
Dann wäre ja jeder schuldig, dem Unrecht geschieht?
happy

SEEBALD.
Das ist auch so, wenn Sie das Wort Schuld richtig verstehen. Im Drama zum Beispiel spricht man von einer tragischen Schuld; das ist die im besten Glauben begangene fehlhafte Handlung, die das Verderben des Menschen bewirkt. – Daß Sie, Raffael, mit Ihrer großen Liebe zur Menschheit und zum Frieden nicht mit den andern in die Kaserne und ins Feld müssen, das führe ich zurück auf die Abwehrmittel, die sich Ihr Wille zum Guten unbewußt geschaffen hat.
beh

SCHENK
lachend.
Dann soll ich für mein lahmes Bein und meine kranke Lunge wohl noch dankbar sein?
happy

SEEBALD.
Ich glaube zuversichtlich, daß Ihre Lunge noch heilen wird, wenn mit Ihrer Mithilfe lebenswürdige Verhältnisse unter den Menschen entstanden sein werden. – Und Ihr Bein? Lächelt. Denken Sie einmal nach: Macht es Ihnen den Genuß des höchstausdenkbaren irdischen Glückes unmöglich? Er neigt sich zu den Rosen.
dude come on

SCHENK.
Nein – das ist wohl wahr.
happy

SEEBALD.
Sehen Sie also – und nun verstehen Sie auch das Dilemma, in das mich Ihr Verlangen versetzte, ich solle heute an der Demonstration teilnehmen. Diese Demonstration ist – das fürchte ich sehr – an und für sich eine Herausforderung der Gewalt.
hehehe

SCHENK.
Sie können ja in Ihrem Sinne zu den Arbeitern reden.
kittehsmile

SEEBALD.
Das würde nichts ändern. Es bleibt ein Spiel mit dem Feuer.
kittehsmile

SCHENK.
Aber Sie wissen auch, was geschehen wird, wenn Sie fortbleiben? – Dann werden die Gewerkschafts- und Parteiführer zur Stelle sein, die Herren Weher oder Tann oder Strauß – und werden die Massen auf ihre Art besänftigen und zurückschicken in ihre Werkstatt, und der Krieg wird weitergehen wie bisher, und die Kriegsschuldigen mit all ihrer »tragischen Schuld« werden weiter ihre Geschäfte machen mit dem Unglück des Volks.
hehehe

SEEBALD.
Das alles habe ich mir selbst auch schon gesagt. Und deshalb bin ich hier, um Sie zu bitten – zu beschwören: Verhindern Sie den ganzen Umzug. Die Arbeiter sollen streiken, aber nicht die Gewalt herausfordern. Raffael, mein Freund, mein liebster Schüler – hören Sie auf mich!
happy

SCHENK.
Das kann ich nicht. – Das ist ganz unmöglich. Hüstelt.
monocole

SEEBALD.
Das ist gar nicht unmöglich. – Das Gute geht immer.
dude come on

SCHENK.
Das Ganze ist bis ins kleinste organisiert. Um zwei Uhr sammeln sich die Arbeiter vor ihren Betrieben.
beh

SEEBALD.
Dann sind noch über vier Stunden Zeit. Gehen Sie jetzt sofort zu Ihren nächsten Genossen. Machen Sie Anschläge an den Fabriktoren, daß die Demonstration nicht stattfindet, um Blutvergießen zu vermeiden. Fordern Sie die Arbeiter auf, weiter zu streiken. –
herp

SCHENK
springt auf.
Nein! – Das tue ich nicht! – Ich bin selber Proletarier – das vergessen Sie. Ich weiß, was die Arbeiter denken und wollen und fühlen. – Was meinen Sie wohl, was folgen würde? Morgen früh hieße es einfach, alle Reklamationen sind aufgehoben. Wer nicht arbeitet, wird sofort eingezogen. – Streikbrecher gibt es ohnehin genug.
hehehe

SEEBALD.
Und das wollen Sie mit der Demonstration verhindern?
hehehe

SCHENK.
Vielleicht kann ich es. – Die Regierung soll sehen, daß das Proletariat eine Macht ist.
hehehe

SEEBALD.
Ja – wollen Sie denn die Gewalt?
happy

SCHENK.
Wenn es sein muß – ja!
happy

SEEBALD.
Raffael! Raffael! Sie sind auf einem schlimmen Weg. Sie wissen, auf welcher Seite alle Waffen sind.
beh

SCHENK.
Ich weiß aber auch, wo Waffen zu finden sind.
hehehe

SEEBALD.
Besinnen Sie sich, Mensch! Wollen Sie das Blut von Hunderten friedlichen Arbeitern, von Frauen und Kindern auf Ihr Gewissen nehmen?
dude come on

SCHENK.
Auch das kann ich tragen.
Seebald ist aufgestanden und steht mit verschränkten Armen mit dem Rücken gegen das Fenster.
Wird durch unsern Aufstand der Krieg auch nur um einen Tag abgekürzt, dann rettet er zehnmal soviel Menschen das Leben, wie im schlimmsten Falle dabei geopfert werden.
herp

SEEBALD.
Welche verwegene Rechnung! – Wollen Sie Schicksal spielen? Ist das die Frucht meiner Arbeit?!
herp

SCHENK.
Allerdings. Mit schönen Worten allein ist uns Arbeitern nicht gedient. Wer uns sagt: Weigert euch, für das Unrecht zu arbeiten – der muß wissen, daß er damit zum Kampf auffordert. – Das ist Herausforderung der Gewalt. – Habe ich aber einmal die Gewalt herausgefordert, dann setze ich ihr auch die Gewalt entgegen.
herp

SEEBALD.
Dann wäre ich der Urheber von Gewaltsamkeiten? – Raffael Schenk, das kann nicht Ihre wahre Meinung sein.
happy

SCHENK.
Ich mache Ihnen doch keinen Vorwurf deswegen. Wir Arbeiter haben Ihnen viel zu danken. Sie haben uns den Weg gezeigt, den wir gehen müssen. Jetzt, wo er betreten ist, müssen wir ihn ganz gehen, auch wenn Sie uns nicht begleiten.
happy

SEEBALD.
Aber das ist furchtbar, was Sie sagen. – Hätte ich denn in einem Wahn gelebt?
pfftch

SCHENK.
Möglich. – Glauben Sie immer noch, daß Sie durch Ihren geistigen Schutzpanzer gegen die Staatsgewalt gesichert sind?
dude come on

SEEBALD.
Spotten Sie nicht. Der Panzer hat mich gedeckt, solange mich mein Gewissen freisprach von Gewalt. Jetzt fühle ich ihn von mir abfallen.
kittehsmile

SCHENK.
Ach, Ihnen wird auch weiterhin nichts geschehen, wenn Sie heute schön daheim bleiben. Machen Sie sich keine Sorgen, Professor Seebald. Die Schuld an dem, was passiert, werden nicht Sie haben, sondern die Arbeiter, die fallen oder ins Gefängnis wandern. Und die Schuld am Kriege haben nicht die Kapitalisten, sondern die Proletarier, die in Drecklöchern verfaulen; die Laßmanns, denen man die Augen herausgeschossen hat. Aber die wahren Tugendhaften, das sind die Schwindsüchtigen wie ich, oder die Idioten in den Narrenhäusern. Die haben ja ihren Schutzmantel – so war doch Ihre Theorie!
herp

SEEBALD.
Sie lästern, Schenk. – Sie wissen genau, daß Sie jetzt entstellen, solange Sie in dieser Verfassung sind, kann ich nicht mit Ihnen reden.
herp

SCHENK.
Es wäre auch überflüssig. Die Demonstration findet statt – mit Ihnen oder ohne Sie. Und ich werde die Arbeiter nicht nach Hause schicken, sondern sie zum Kampf aufrufen. Sie mögen tun, was Ihnen beliebt.
kittehsmile

SEEBALD.
Raffael! Ich bin Ihnen wegen der Sprache, die Sie gegen mich führen, nicht böse. Sie sind erregt. Aber wenn Sie nachher allein sind, denken Sie nach, ob nicht Ihr eigenes schlechtes Gewissen Sie ungerecht macht gegen andere.
beh

SCHENK.
Mein Gewissen ist rein.
concentrated

SEEBALD.
Das glauben Sie jetzt. – Ich bitte Sie nur noch um eines. Gehen Sie noch einmal mit sich zu Rate und tun Sie nichts, was Sie später bereuen könnten. Er will zur Tür. Währenddem tritt Frau Schenk ein.
hehehe

FRAU SCHENK.
So, Ralf, da bin ich wieder. – Oh, der Herr Professor! Grüß Sie Gott, Herr Professor! Gibt ihm die Hand. Haben Sie selbst hergeschaut nach meinem Jungen?
concentrated

SEEBALD.
Guten Tag, liebe Frau Schenk. – Ja – wir hatten eine kleine Auseinandersetzung.
monocole

FRAU SCHENK.
Müssen Sie denn schon wieder gehen, Herr Professor?
monocole

SEEBALD.
Ja. – Meinen Zweck werde ich hier doch nicht erreichen können.
Schenk hat wortlos im Hintergrund des Zimmers zugehört, nimmt das leere Milchglas vom Tisch und trägt es in die Küche, deren Tür er hinter sich schließt.
beh

FRAU SCHENK.
Was ist denn mit Ralf? – Er geht einfach aus dem Zimmer.
monocole

SEEBALD.
Haben Sie ein Auge auf ihn, Frau Schenk! Es ist nicht gut, was er vorhat.
beh

FRAU SCHENK.
Der Streik und der Umzug heute? – Nein, da kann ich ihm nicht hineinreden. Das muß er selbst wissen.
kittehsmile

SEEBALD.
Haben Sie gar keinen Einfluß auf ihn?
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Ja – das weiß ich nicht. Er sagt mir alles. Wir sind wie gute Freunde.
kittehsmile

SEEBALD.
Eben. Das habe ich schon gemerkt. – Können Sie ihn da nicht abbringen von offenbaren Unbesonnenheiten?
hehehe

FRAU SCHENK.
Unbesonnen? – Nein, das ist mein Ralf nicht – das glaub ich nicht. Und in seine Politik misch ich mich nicht. Da hör ich ihm bloß zu. Das wäre ja auch gerade, als wenn er sich um meine Küche kümmern wollte.
concentrated

SEEBALD.
Halten Sie es nicht für möglich, daß er vielleicht gerade im Augenblick unter einem gefährlichen seelischen Eindruck steht?
dude come on

FRAU SCHENK.
Ich weiß nicht, was Sie meinen, Herr Professor.
pfftch

SEEBALD.
Nun – gerade heraus: Er hält doch jetzt enge Freundschaft mit Fräulein Severin! Meinen Sie nicht, daß da ungünstige Einwirkungen stattfinden könnten?
herp

FRAU SCHENK.
Herr Professor, ich bin seine Mutter – und ich will sein Glück. Und heute früh habe ich ihn zum ersten Male glücklich gesehen. Da wüßt ich nicht, was ich da ungünstig finden sollte.
herp

SEEBALD.
Ich meine, ob sie ihn nicht vielleicht auf Wege drängt, die er aus eigenem Antrieb nicht betreten würde.
dude come on

FRAU SCHENK.
Das kann er nur selbst wissen. – Ich kann das nicht sagen.
hehehe

SEEBALD.
Aber Sie haben doch Vertrauen zu mir? Sie sind doch überzeugt, daß ich in Wirklichkeit Raffaels Freund bin?
hehehe

FRAU SCHENK.
Er wäre ja für Sie auch durchs Feuer gegangen. – Aber was ihm taugt, Herr Professor, das können Sie so wenig sehen wie ich. Dazu ist er selbst alt genug.
hehehe

SEEBALD.
Nun, ich sehe schon, daß ich in Ihnen keine Bundesgenossin finde.
hehehe

FRAU SCHENK.
Nein, Herr Professor. – Nehmen Sie's nicht übel auf.
happy

SEEBALD.
Bewahre. Ihre Liebe zu Raffael ist herrlich schön, und die will ich gewiß lassen, wie sie ist. Auf Wiedersehen, liebe Frau Schenk.
beh

FRAU SCHENK.
Grüß Gott, Herr Professor! Händedruck. Sie läßt ihn hinaus, schüttelt verwundert den Kopf, macht die Küchentür auf. Ralf, ja – hast du dich denn versteckt?
dude come on

SCHENK
tritt ein.
Ist er fort?
herp

FRAU SCHENK.
Nicht einmal adieu hast du ihm gesagt.
dude come on

SCHENK.
Ich mochte nicht. – Er hat dir wohl gesagt, du sollst mich zur Vernunft bringen?
herp

FRAU SCHENK.
Wieso? – Hast du gelauscht?
concentrated

SCHENK.
Das war nicht nötig. Ich kann's mir so denken.
herp

FRAU SCHENK.
Ja, Ralf, ich hab gar nicht recht gewußt, was er wollte. Und ich hab ihm auch gesagt, daß ich in deine Sachen nicht dreinrede.
hehehe

SCHENK.
Recht so, Mütterchen.
happy

FRAU SCHENK.
Er war so merkwürdig heute, Ralf. – Gar nicht so frei wie sonst.
hehehe

SCHENK
läuft erregt umher, hüstelt.
Ja, Mutter – man täuscht sich manchmal.
monocole

FRAU SCHENK.
Du hustest wieder, Junge. Du hast dich wohl aufgeregt bei eurem Gespräch?
happy

SCHENK.
Ziemlich. – Aber ich möchte von dir hören. Was hat er noch gesagt?
pfftch

FRAU SCHENK.
Gar nichts Bestimmtes. – Aber zuletzt meinte er, ob Flora nicht auf dich einen ungünstigen Einfluß hätte.
hehehe

SCHENK
bleibt stehen, schlägt auf den Tisch.

Hab ich's mir doch gedacht!

Läuft wieder umher, hustet stärker. Hab ich's mir doch gedacht!

hehehe

FRAU SCHENK
läuft ihm nach.
Um Gottes willen, reg dich doch nicht so auf, Kind! Wie du wieder hustest!
Klopft ihm auf den Rücken.
dude come on

SCHENK.
Nun ja – – Flora da mit hineinziehen. Starker Hustenanfall. Mich – – von – – Flora – trennen – – wollen. Er bricht unter Keuchen und Atemnot auf einem Stuhl zusammen.
herp

FRAU SCHENK.
Um Gottes willen! – Wart, Ralf – ich komme – ich bring deine Milch. Die hilft dir gleich. In die Küche.
Schenk winkt ihr ab. Der Husten legt sich allmählich. Er atmet noch schwer.
Aus der Küche zurück. Die Milch ist ja weg! – Hat Flora das Ganze getrunken?
hehehe

SCHENK
noch angestrengt.
Nein – nein, nur einen kleinen Tropfen. Das übrige hab ich Seebald gegeben.
hehehe

FRAU SCHENK.
Aber Ralf! Du weißt doch, was der Doktor gesagt hat. Daß du auch ja jeden Tag deinen viertel Liter Milch trinken sollst.
pfftch

SCHENK.
Schon gut, Mutter. – Schon gut. Es klopft. Frau Schenk zur Tür, öffnet vorsichtig.
hehehe

TESSENDORFF
tritt ein: Pelz, runder Hut.
Bin ich hier recht bei Herrn Raffael Schenk?
Schenk ihm entgegen, will sprechen. Ein Hustenanfall, den er krampfhaft bekämpft, hindert ihn.
pfftch

FRAU SCHENK.
Jawohl. – Das ist mein Sohn.
happy

SCHENK
mit Anstrengung.
Der bin ich. Was wünschen Sie?
pfftch

TESSENDORFF.
Mein Name ist Tessendorff – Polizeirat.
pfftch

FRAU SCHENK.
Können Sie nicht ein andermal –? Mein Sohn ist gerade so schlecht mit seiner Lunge.
pfftch

TESSENDORFF.
Ich höre zu meinem Bedauern. Aber es ist gar nichts von Bedeutung – ich meine, mein Auftrag. –
hehehe

SCHENK
hat den Anfall überwunden.
Mutter, geh so lange hinaus, bitte.
dude come on

FRAU SCHENK
ängstlich.
Ja, wenn du meinst – gewiß.
Rückwärts ab in die Küche.
pfftch

SCHENK.
Was führt Sie zu mir, bitte?
happy

TESSENDORFF.
Erlauben Sie, daß ich mich setze? Nimmt einen Stuhl.
monocole

SCHENK
bleibt stehen.
Bitte, Sie scheinen es nicht eilig zu haben.
herp

TESSENDORFF.
Offen gestanden – ich bin etwas müde gelaufen und bin hier heraufgekommen, nur um meine Pflicht zu tun, aber ohne große Hoffnung, den zu finden, den ich suche.
happy

SCHENK.
Sie suchen also jemanden bei mir?
concentrated

TESSENDORFF.
Allerdings. Ich habe den Auftrag, einen stellungspflichtigen Eisendreher – Stefan Klagenfurter, der heute in der Infanteriekaserne hätte einrücken sollen, aber offenbar flüchtig gegangen ist, zu verhaften und einzuliefern.
beh

SCHENK.
Ich weiß nicht, was dieser Auftrag mit Ihrem Besuch bei mir zu tun haben kann.
happy

TESSENDORFF.
Nach bestimmten Auskünften, die die Polizei erhalten hat, sollen Sie ein Freund des betreffenden Fahnenflüchtigen sein.
kittehsmile

SCHENK.
Über meine Freundschaften brauche ich ja wohl keine Rechenschaft zu geben. Jedenfalls halte ich niemand verborgen.
beh

TESSENDORFF.
Nun ja – das habe ich mir gedacht.
pfftch

SCHENK.
Wenn Sie sich überzeugen wollen. Dies ist der einzig größere Raum der Wohnung. Nebenan ist die Küche und die Kammer, wo meine Mutter schläft. Das ist alles. Meine Mutter kann Sie auch noch in den Keller führen, wenn Sie mögen.
dude come on

TESSENDORFF.
Aber ich bitte Sie, Herr Schenk. Ihre Versicherung, daß sich der Herr Klagenfurter nicht bei Ihnen aufhält, genügt mir vollständig. Hätte ich die Absicht gehabt, die Wohnung zu durchsuchen, dann wäre ich ja selbst gar nicht heraufgekommen, sondern hätte die beiden Soldaten geschickt, die die Verhaftung vorzunehmen haben.
pfftch

SCHENK.
Dann wäre unser Geschäft wohl erledigt?
pfftch

TESSENDORFF.
Ich muß natürlich noch die Frage an Sie richten: Wissen Sie, wo sich der flüchtig gegangene Dreher Stefan Klagenfurter aufhält?
happy

SCHENK.
Wenn ich es wüßte, würde ich es jedenfalls Ihnen nicht erzählen.
pfftch

TESSENDORFF.
Ganz richtig – selbstverständlich. – Ich mußte mit der Frage ja auch nur meiner formellen Pflicht genügen. Bleibt sitzen, fixiert Schenk.
Schenk trommelt nervös auf der Stuhllehne, auf die er aufgestützt steht. Hüstelt.
Sie haben es auf der Brust, Herr Schenk?
beh

SCHENK
schroff.
Interessiert Sie mein Gesundheitszustand?
concentrated

TESSENDORFF.
Aber ich bitte. – Man ist doch nebenbei auch noch Mensch.
monocole

SCHENK.
Sehr liebenswürdig. Der Arzt hat mir verordnet, nach Möglichkeit unerwünschte Unterhaltungen zu vermeiden.
pfftch

TESSENDORFF.
Gestatten Sie mir trotzdem noch ein paar Minuten. Sehen Sie, ich bin persönlich hier zu Ihnen gekommen, obwohl solche Verhaftung in der Regel natürlich die Angelegenheit subalterner Organe ist.
hehehe

SCHENK.
Wenn Sie mich etwa verhaften wollen, sagen Sie es bitte gleich.
concentrated

TESSENDORFF.
Wo denken Sie hin? – Davon ist gar keine Rede.
kittehsmile

SCHENK.
Dann sehe ich wirklich nicht ein, was Sie noch von mir wünschen. Hüstelt heftig.
kittehsmile

TESSENDORFF.
Herr Schenk, Sie sollten doch mal ein paar Wochen ausspannen und in einem Sanatorium die Lunge auskurieren lassen.
hehehe

SCHENK.
Ich möchte Sie jetzt im Ernst bitten, mir zu sagen, was Sie noch von mir wollen, und weiter kein Mitleid an mich zu verschwenden.
kittehsmile

TESSENDORFF.
Sie behandeln mich wie einen Feind, Herr Schenk. Das bin ich gar nicht. Ich möchte mich mit Ihnen ganz zwanglos unterhalten.
hehehe

SCHENK.
Aber worüber denn in aller Welt?
kittehsmile

TESSENDORFF.
Über einen Gegenstand, der uns beide im Augenblick ganz gleichmäßig interessiert.
happy

SCHENK.
Das wäre?
beh

TESSENDORFF.
Na, ich denke, es liegt nicht so ferne. – Vielleicht führt Sie der Hinweis auf die Fährte, daß ich im Polizeipräsidium das Referat für die öffentliche Sicherheit unter mir habe. Darunter fallen natürlich auch alle Arten von Streikbewegungen und Tumulten.
happy

SCHENK.
Sie kommen also wegen des Proteststreikes der Arbeiter?
monocole

TESSENDORFF.
Vor allem wegen der Demonstration heute nachmittag.
dude come on

SCHENK.
Ja – aber was hätten wir beide da – Plötzlich auffahrend. – Herr! Wollen Sie etwa von mir Auskünfte einziehen?! –
herp

TESSENDORFF.
Auskünfte? – Ach nein, die brauchen wir nicht mehr. – Ich möchte Sie nur um Ihren Rat bitten.
beh

SCHENK.
Die Polizei will meinen Rat haben?
happy

TESSENDORFF.
Ich will es Ihnen sofort erklären. Sehen Sie, Herr Schenk, wir von der Polizei beschäftigen uns natürlich nicht bloß mit Tatsachen, sondern vor allem auch mit Personen. Das bringt unsere ganze Tätigkeit so mit sich. So sind wir – und das wird Sie ja gar nicht überraschen – über die eigentlichen Leiter der gegenwärtigen Bewegung ganz genau informiert.
monocole

SCHENK.
Daß Sie Spitzel beschäftigen, ist mir nichts Neues.
happy

TESSENDORFF.
Es hätte ja auch gar keinen Zweck, wenn ich vor Ihnen Komödie spielte. Ich weiß also auch über Ihre Person vieles, was für Ihre Anschauungen und Stimmungen kennzeichnend ist. Ich glaube, über Ihre Wünsche für den heutigen Nachmittag ziemlich gut Bescheid zu wissen. Ich glaube, Sie sähen es gar nicht so ungern, Herr Schenk, wenn die Regierung – oder sagen wir, das Militär, etwas sehr Entschlossenes gegen die Arbeiter unternähme. Ich kann mir Ihren Gedankengang dabei auch recht gut vorstellen. Sie denken sich, ein blutiger Zusammenstoß zwischen Militär und Zivil in diesem Moment könnte im Lande und an der Front einen derartigen Kriegsüberdruß erregen, daß dem Reich gar nichts anderes übrigbliebe, als – so oder so – Frieden zu schließen. Vielleicht hoffen Sie auch auf das Versagen der zum Eingreifen kommandierten Truppen im entscheidenden Moment, was dann ja die offene Revolution gleich nach sich ziehen könnte.
concentrated

SCHENK.
Das alles haben Ihnen Ihre Zuträger über mich mitgeteilt?
concentrated

TESSENDORFF.
Es ist natürlich auch zum guten Teil meine eigene Kombination. Man muß doch etwas Psychologe sein in meinem Beruf – und ich lasse Sie schon recht lange beobachten und kenne viele Äußerungen von Ihnen.
concentrated

SCHENK.
Das ist ja sehr schmeichelhaft. – Aber was für einen Rat soll ich Ihnen denn geben können?
kittehsmile

TESSENDORFF.
Herr Schenk! Unsere Wünsche für den Verlauf des Unternehmens gehen gar nicht weit auseinander, natürlich aus ganz entgegengesetztem Interesse. Sie wollen eine Art Kraftprobe. – Und wir, sowohl Polizei wie Militär, sind ebenfalls bereit, es auf eine Kraftprobe ankommen zu lassen.
herp

SCHENK.
Ich muß gestehen, Herr Polizeirat, daß ich dieses ganze Gespräch außerordentlich peinlich empfinde. Wollen Sie vielleicht endlich zur Sache kommen?
concentrated

TESSENDORFF.
Ich bin mittendrin in der Sache. Wenn es doch schon einen Aderlaß geben soll, dann, meine ich, soll er nicht gar zu blutig ausfallen – und mindestens für Ihre Partei, also die Arbeiter, nicht obendrein lächerlich ausgehen.
monocole

SCHENK.
Und nun kommt sozusagen der General der einen Armee zum feindlichen Generalstab und möchte mit dem einen Schlachtplan entwerfen.
monocole

TESSENDORFF.
Warum nicht lieber einen andern Vergleich? – Vor einem ritterlichen Turnier setzen die Gegner in aller Kameradschaft die Bedingungen fest und prüfen die Chancen.
hehehe

SCHENK.
Tun Sie doch, was Sie für gut halten! – Ich habe mit Ihren frivolen Späßen gar nichts zu schaffen.
dude come on

TESSENDORFF
steht auf.
Wie Sie wünschen. – Ich will Ihnen nur sagen, was geschieht, wenn wir nicht irgendwie einig werden. Die Arbeiterzüge, die von den verschiedenen Fabriken kommen, stellen sich auf. Man verteilt rote Fahnen, und irgendwer will vielleicht eine Ansprache halten, angenommen Professor Seebald. Dann rückt eine Kompanie Soldaten an. Der Leutnant geht sehr höflich zum Redner und sagt: Bitte sehr, Herr Professor, wollen Sie mich mal durchlassen? Und bevor der Zug formiert ist, fordert er die Leute auf, auseinander zu gehen. Hinter ihm stehen die Soldaten mit angelegtem Gewehr. Glauben Sie, Ihre Arbeiter bleiben stehen? – Ich nicht. – Aber angenommen, es laufen nicht gleich alle weg. Was kommt dann? Ein Schreckschuß – und die Revolution ist aus. Völlig aus, Herr Schenk – an ihrer eigenen Lächerlichkeit verendet. Nachher kommen dann die Prozesse. – Möchten Sie den Ausgang? – Ich auch nicht.
happy

SCHENK
ist erregt umhergelaufen, bleibt stehen.
Professor Seebald wird nicht sprechen.
beh

TESSENDORFF.
Das ist ja ganz egal, wer dasteht.
kittehsmile

SCHENK.
Nein – das ist nicht egal.
Nach einem inneren Kampf – mit plötzlicher Eingebung. Herr Polizeirat, ich will Ihnen einen Rat geben!
hehehe

TESSENDORFF.
Also doch? Wir wollen uns doch hinsetzen.
Setzen sich.
pfftch

SCHENK.
Sie müssen Professor Seebald verhaften!
hehehe

TESSENDORFF.
Bitte, Herr Schenk – zum Narren halten lasse ich mich nicht gern.
happy

SCHENK.
Ich halte Sie nicht zum Narren.
kittehsmile

TESSENDORFF.
Dann erlauben Sie, daß ich gleich das Geschäftliche mit Ihnen regle. Zieht ein Briefkuvert aus der Tasche. Ich habe hier zunächst 500 Mark für Sie. Und da ist die Quittung – bitte!
happy

SCHENK
ist aufgefahren.
Was! Geld wollen Sie mir geben! – Stecken Sie das sofort wieder ein!
Er schüttelt die Fäuste.
kittehsmile

TESSENDORFF.
Ich muß wissen, daß ich nicht gefoppt werde. Ich kann doch nicht erwarten, daß Sie mir derartige Dienste um meiner schönen Augen willen leisten. Die Polizei muß in jeder Hinsicht sichergehen.
dude come on

SCHENK
lacht auf.
Ach so – das ist auch wieder wahr.
Setzt sich wieder.
kittehsmile

TESSENDORFF
gibt ihm die Quittung.
Wollen Sie hier unterschreiben? – Das Vertrauen zu unserer absoluten Verschwiegenheit haben Sie wohl.
concentrated

SCHENK
ironisch.
Durchaus. Unterschreibt. Steckt das Geld mit einer Gebärde des Abscheus in seine Brieftasche. Hüstelt.
concentrated

TESSENDORFF.
Vielleicht macht es Ihnen die Kur in einem Lungensanatorium möglich.
monocole

SCHENK.
Um die Verwendung machen Sie sich nur kein Kopfzerbrechen. – Ich darf Ihnen also jetzt meinen Plan auseinandersetzen.
herp

TESSENDORFF.
Ich bitte darum.
dude come on

SCHENK.
Welches Ansehen Seebald bei den Arbeitern genießt, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. In dem Augenblick, wo Hand an ihn gelegt wird, wird das das Signal zum Losbrechen sein. Da er wohl nicht an Ort und Stelle sein wird, ist es wahrscheinlich, daß irgendein gemäßigter Parteiführer beschwichtigen wird, und dann fällt die ganze Aktion ins Wasser. Lassen Sie ihn also als geistigen Urheber des Ganzen in seiner Wohnung festnehmen und, wenn die Masse im Wachsmannschen Vorhof versammelt ist, vorbeiführen. Dann haben Sie, was Sie wollen. Der Weg zum Gefängnis führt ja ohnehin dort vorüber.
concentrated

TESSENDORFF.
Sie meinen bestimmt, man wird versuchen, ihn zu befreien?
herp

SCHENK.
Das überlassen Sie nur mir. Wenn sie es nicht von selber tun, werde ich sie dazu veranlassen.
hehehe

TESSENDORFF
ist aufgestanden.
Ich glaube, Sie haben recht. – Da müßte ich also das Militär instruieren, vorher nichts zu unternehmen. – Wenn nun aber Seebald doch dort sein sollte?
herp

SCHENK.
Dann müßten Sie ihn eben vom Platz weg verhaften.
happy

TESSENDORFF.
Ich werde auf jeden Fall rechtzeitig dort sein. Wir können uns ja an Ort und Stelle immer noch verständigen.
dude come on

SCHENK.
Das wird wohl schlecht gehen, daß ich dort mit Ihnen rede.
hehehe

TESSENDORFF.
Oh, seien Sie ganz ruhig, den Pelz werde ich dabei nicht anhaben.
beh

SCHENK.
Noch eines: Können Sie mir versprechen, daß außer Seebald von den führenden Personen niemand festgenommen wird?
happy

TESSENDORFF.
Selbstverständlich. – Seebald genügt uns vollständig.
concentrated

SCHENK.
Sonst bin ich ja noch da, wenn Sie noch einen Rädelsführer brauchen.
happy

TESSENDORFF.
Wir werden sehen, Herr Schenk. Also wenn er nicht hinkommen sollte, wird Professor Seebald Punkt 3 Uhr 15 an der Wachsmannschen Fabrik vorübergeführt. – Das wäre wohl alles. Dann schönen guten Morgen, Herr Schenk. Streckt ihm die Hand hin, die Schenk ostentativ übersieht.
concentrated

SCHENK.
Guten Morgen.
Tessendorff ab.
Bleibt eine Weile unschlüssig stehen, öffnet dann die Tür zur Küche. Mutter, bitte meinen Mantel.
monocole

FRAU SCHENK
kommt mit dem Überzieher.
Das war ja eine lange Visite. – Du willst fortgehen, Ralf?
hehehe

SCHENK.
Ja, ich war noch gar nicht draußen heute. – Mir ist etwas eng auf der Brust.
concentrated

FRAU SCHENK.
Die Luft ist ja auch ganz dick hier im Zimmer.
hehehe

SCHENK.
Du brauchst mit dem Mittag nicht auf mich zu warten. Ich esse unterwegs etwas in der Volksküche.
happy

FRAU SCHENK.
Ja, geh nur. – Du gefällst mir heute gar nicht recht.
happy

SCHENK.
Bis ein Uhr komme ich wieder. – Also guten Morgen, Mutter. Küßt sie. Luft muß ich haben – frische Luft! Ab.
beh

FRAU SCHENK
öffnet das Fenster.

Woher mag es bloß hier so stickig sein?

Vorhang.

4. Akt

Vierter Akt

Dasselbe Zimmer. Mittags gegen ein Uhr. Die Rosen stehen vor dem Fenster. Am Tisch sitzt Frau Schenk und näht. Bei ihr Flora, die Mütze auf dem Kopf, näht sich eine Rosette ans Jackett.
happy

FRAU SCHENK.
Das hätt ich aber doch nicht gedacht, daß Sie auch so geschickt mit Nadel und Zwirn umgehen können.
kittehsmile

FLORA.
Sie haben mich wohl für einen rechten Blaustrumpf gehalten?
hehehe

FRAU SCHENK.
Das grade nicht – aber wo Sie doch so viel mit dem Kopf arbeiten.
monocole

FLORA.
Deshalb schneidere ich mir meine Kleider doch selber zusammen.
hehehe

FRAU SCHENK.
Nicht möglich! – Die Bluse haben Sie selbst gemacht?
happy

FLORA.
Freilich, selbst entworfen, selbst zugeschnitten und selbst gearbeitet. Beißt den Faden ab. – So, der Revolutionsorden sitzt fest.
concentrated

FRAU SCHENK.
Ach kann ich das Kleid mal ansehen?
Stehen auf und gehen ans Fenster.
herp

FLORA.
Der Stoff ist hübsch, nicht wahr? Eine Tante hat ihn mir zu Weihnachten geschenkt.
hehehe

FRAU SCHENK.
So einfach ist das gemacht und so geschmackvoll. Nimmt Floras Gesicht zwischen die Hände. Nicht wahr, liebes Kind, Sie sind meinem Ralf gut?
herp

FLORA.
Ja, ich habe ihn sehr gern.
happy

FRAU SCHENK.
Er ist mein ein und mein alles. Sie glauben nicht, wie gut er ist.
hehehe

FLORA.
Doch, das weiß ich.
hehehe

FRAU SCHENK.
Nur mit seiner Krankheit – er hat sie vom Vater geerbt. Aber ich denk immer, er kann doch noch gesund werden.
herp

FLORA.
Natürlich. Warum denn nicht? Er ist ja noch jung.
hehehe

FRAU SCHENK.
Nicht wahr, Sie werden ihn nicht verlassen wegen seinem Leiden?
beh

FLORA.
Behüte! Wie können Sie das denken?
happy

FRAU SCHENK.
Ja, sehen Sie – er hat das schon mal erlebt. Es ist schon über ein Jahr her. Da hatte er einen Schatz – es war ein nettes Mädel soweit, die Annie. Er hat sie auch heiraten wollen, und mit einemmal hat sie ihn stehenlassen und ist mit einem andern gegangen. Einen kranken Mann könne sie nicht brauchen, hat sie gesagt.
dude come on

FLORA.
Aber das ist abscheulich.
beh

FRAU SCHENK.
Oh, er wurde so schlimm danach. Er hat sich so aufgeregt, daß er wochenlang gehustet hat.
pfftch

FLORA.
Augenblicklich ist es nicht arg mit seiner Brust, glaube ich.
happy

FRAU SCHENK.
Heute morgen war es gar nicht gut. – Professor Seebald war hier. –
happy

FLORA.
War hier?
hehehe

FRAU SCHENK.
Ja – und da muß er sich schrecklich erregt haben. Er hat ihm nicht einmal adieu gesagt. Ich kam gerade heim, und nachher sprach der Professor noch mit mir. Ich soll Ralf vor Ihnen in acht nehmen.
beh

FLORA.
Das ist alles Mögliche.
hehehe

FRAU SCHENK.
Und wie ich ihm dies erzählt habe, hat er einen schrecklichen Anfall bekommen. Und nachher war noch einer von der Polizei da – und das muß ihn auch ziemlich mitgenommen haben.
pfftch

FLORA.
Von der Polizei? – Ach so, wahrscheinlich wegen Klagenfurter.
herp

FRAU SCHENK.
Ich weiß nicht. – Der Mann war lange da – und dann ist Ralf gleich fort. Er macht's immer so, wenn es ihm eng auf der Brust wird. Dann läuft er ein paar Stunden in den Park – und das hilft ihm. – Jetzt muß er aber wohl bald zurück sein.
hehehe

FLORA.
Um eins wollten ja doch die Genossen schon hier sein. Ach, da kommen sie wohl schon. Es läutet.
pfftch

FRAU SCHENK.
Aber Trotz und Dietrich schellen doch bei uns nicht. Na, ich sehe nach. Geht hinaus und kommt mit Lecharjow zurück.
happy

LECHARJOW.
Ist der Genosse Schenk nicht zu Hause? – Ah, guten Tag, Genossin Severin! Ich bin gelaufen, was ich können hab, zu treffen den Genossen Schenk.
monocole

FLORA.
Wir erwarten ihn jeden Augenblick. – Gibt es etwas Besonderes?
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Setzen Sie sich doch, Herr – Herr – –
concentrated

LECHARJOW.
Danke. Ich werde nicht bleiben, wenn Schenk nicht da ist.
beh

FLORA.
Aber mir können Sie doch erzählen.
dude come on

LECHARJOW.
Ob's was Besonderes gibt? – Freilich, sehr etwas Besonderes. Die Revolution verläuft programmwidrig – es scheint.
happy

FLORA.
Was soll das heißen?
happy

LECHARJOW.
Bei der Motorengesellschaft prügeln sich die Arbeiter untereinander, statt zu prügeln die kapitalistische Gesellschaft.
monocole

FLORA.
Wer prügelt – wen?
kittehsmile

LECHARJOW.
Soweit man mir hat erzählt, hat es angefangen damit, daß man hat verhindern wollen die Streikposten zu versehen ihren Dienst.
happy

FLORA.
Hat die Polizei sie verhindert?
hehehe

LECHARJOW.
Ach wo. Die Polizei ist gar nicht zu sehen, und noch weniger das Militär. – Wozu auch? Wenn ihnen die Herren Proletarier selbst abnehmen ihr Geschäft?
hehehe

FLORA.
Können Sie nicht im Zusammenhang erzählen, was vorgefallen ist?
dude come on

LECHARJOW.
Kann ich auch. – Werd ich mich erst setzen – erlauben Sie!
concentrated

FRAU SCHENK.
Wollen Sie nicht ablegen, Herr – –?
pfftch

LECHARJOW.
Lecharjow, bitte. – Wir haben uns schon kennengelernt früher.
happy

FRAU SCHENK.
Ich weiß – gewiß. Nur der Name war so schwer zu merken.
Lecharjow legt ab, setzt sich auf den Liegestuhl, will eine Zigarette nehmen.
dude come on

FLORA.
Wir wollen hier nicht rauchen. Schenk kommt gleich nach Hause. – Sie wissen – seine Lunge –
beh

LECHARJOW.
Ist wahr. Lassen wir. – Also werd ich erzählen. Ich bin gegangen durch die Stadt gegen elf Uhr, um zu sehen: Was ist mit dem Streik? Was werden machen die deutschen Arbeiter? – Zuerst ist mir gewesen wie im Bad. Als wenn es in der Welt keinen Krieg gäbe.
hehehe

FRAU SCHENK.
Wie das?
monocole

LECHARJOW.
Nu – wenn man sonst geht, ist alles feldgrau. Soldaten von allen Graden und Waffengattungen. Heute keine Uniform auf der Straße. Als ob das Militär wäre abgeschafft worden.
herp

FLORA.
Also wohl ein Straßenverbot für alle Soldaten und Offiziere.
hehehe

LECHARJOW.
Jedenfalls. Dann bin ich gegangen zur Wachsmannschen Fabrik. Alles still. Kein Schlot raucht. Ein paar Streikposten mit Rosetten.
happy

FLORA.
Und Schutzleute nicht?
concentrated

LECHARJOW.
Nicht ein Schutzmann, nicht ein Soldat. Wie ausgestorben.
hehehe

FRAU SCHENK.
Das ist aber komisch.
happy

LECHARJOW.
Bin ich weitergegangen zu Bartels & Moser. War das Bild schon anders. Auch Streikposten, auch keine Polizei – aber konnt ich deutlich erkennen, daß gearbeitet wird. Vor dem Eingang Proletarier, Männer und Frauen – und disputierten mit den Streikposten. Hab ich mich erkundigt: Die Hälfte arbeitet, die Hälfte streikt.
monocole

FLORA.
Das wußte ich. Da sind viele Christliche und Gelbe.
herp

LECHARJOW.
Gut. Die Leute haben geglaubt, nach der Mittagspause werden noch wegbleiben. – Bin ich weiter zur Motorengesellschaft. War grade Mittag gepfiffen worden. Und Leute heraus genau wie jeden andern Tag. In Arbeitskitteln, mit geschwärzten Gesichtern. Haben sich Gruppen gebildet und aufgeregt hin und her geredet. Schließlich habe ich gesehen einen Haufen Menschen stehen um ein paar Leute und haben geschlagen einen Proletarier mit rotem Abzeichen.
hehehe

FRAU SCHENK.
Geschlagen? – Aber das ist doch schändlich.
pfftch

LECHARJOW.
Wie ich hinkam, hat er am Boden gelegen und geblutet. Ich kenne ihn. Es war der Genosse Braun. Er kommt auch in den »Bund Neuer Menschen«.
herp

FLORA.
Natürlich, Braun ist ein ausgezeichneter Genosse.
hehehe

FRAU SCHENK.
Er kommt oft zu Ralf.
hehehe

LECHARJOW.
Dann hab ich gesehen, wie einer hat gesprochen zur Menge. Es war der Redakteur vom »Volksboten«.
monocole

FLORA.
Strauß?
herp

LECHARJOW.
Strauß. Hat er abgemahnt von Gewalttätigkeiten und gesagt, die Hetzer und Schürer werden schon ihre Strafe finden, sie sollen sich nur nicht verleiten lassen und ruhig ihre Arbeit tun. Dann hat sich die Menge verlaufen, und ich hab gelesen einen von den gelben Zetteln, die angeschlagen waren an der Fabrik: »Wer eigenmächtig von der Arbeit fernbleibt, ist entlassen.«
monocole

FLORA.
Das würde ihnen schwer werden, wenn die ganze Fabrik streikte.
concentrated

LECHARJOW.
Was soll ich weiter sagen? Ich bin gegangen Mittag essen in den »Schwan«. Unterwegs hab ich gesehen: Von zwanzig Proletariern hat gehabt einer die rote Schleife. Hab ich mir beim Essen überlegt: Was soll geschehen? – und bin hierher.
happy

FLORA.
Was geschehen soll? – Das steht doch fest, denke ich.
hehehe

LECHARJOW.
Ja – auf dem Programm. Aber wie wollen Sie aufführen ein Theaterstück, wenn die Schauspieler nicht auftreten?
concentrated

FLORA.
Sie wollen doch nicht sagen, daß die Demonstration nicht zustande käme. Wenn bei Wachsmann alles feiert, bei Bartels & Moser die Hälfte – dann rechnen Sie noch die kleineren und ganz kleinen Betriebe.
pfftch

LECHARJOW.
Gewiß wird die Demonstration zusammenkommen. Aber sie wird sein lächerlich geringfügig. Die Stadt hat vierhunderttausend Einwohner, macht mit Angestellten und kleineren Beamten gut hunderttausend Proletarier. Lassen Sie nun hochgerechnet dreitausend Personen teilnehmen.
dude come on

FLORA.
Wachsmann hat allein über viertausend Arbeiter.
beh

LECHARJOW.
Lehren Sie mich doch das Proletariat kennen! Ich hab mitgemacht in Rußland schon die Anfänge der Bewegung 1903. Die Arbeit niederlegen – meinetwegen, das tun sie und sagen nachher, man hat sie terrorisiert. Auf die Straße geht noch nicht der fünfte Teil von denen, die streiken. – Glauben Sie mir.
dude come on

FRAU SCHENK.
Das wäre aber für Ralf eine große Enttäuschung.
happy

LECHARJOW.
Die Bourgeoisie ist wieder klüger als das Proletariat. Sie wartet ruhig ab, bis sie die wenigen Sturmtruppen der revolutionären Arbeiterklasse beisammen hat. Und dann läßt sie hineinschießen und verhaften, was sie fassen kann. – Nun, das Proletariat wird lernen mit der Zeit.
dude come on

FRAU SCHENK.
Ach Gott, das wäre aber entsetzlich.
dude come on

FLORA.
Glauben Sie wirklich, daß das beabsichtigt ist?
beh

LECHARJOW.
Daß sie gar keine Polizei und gar kein Militär auf der Straße haben, ist kein gutes Zeichen. Aber was weiß ich.
dude come on

FLORA.
Und Sie haben Schenk raten wollen, die ganze Demonstration abzusagen?
happy

LECHARJOW.
Ich hab gar nichts raten wollen. Wie komme ich dazu? Ich habe bloß sagen wollen, was ich beobachtet habe. Kann ich wissen, ob Sie vielleicht wollen diese Wirkung des Unternehmens? Nun hab ich Ihnen gesagt. Das übrige müssen Sie selbst wissen.
happy

FLORA.
Wie sich Professor Seebald entschieden hat, wissen Sie wohl nicht?
herp

LECHARJOW.
Ich hab ihn noch nicht gesehen heute. Es klopft.
herp

FRAU SCHENK.
Herein! Es treten ein Trotz, Dietrich, Braun – dieser mit verbundenem Kopf –, Färber, Fischer, Rosa Fiebig, alle mit großen Paketen und langen Stangen. Durcheinander der Begrüßung.
concentrated

DIETRICH.
Da haben wir die Wahrzeichen der Revolution! – Wohin mit den Sachen?
hehehe

TROTZ.
Wir legen wohl am besten alles aufs Bett.
dude come on

FRAU SCHENK.
Nur ungeniert.
happy

FÄRBER.
Wo ist denn Schenk? Ist er nicht zu Hause?
happy

FRAU SCHENK.
Er muß jeden Augenblick kommen.
dude come on

ROSA.
War Rund noch nicht hier?
herp

FRAU SCHENK.
Nein, bis jetzt noch nicht.
pfftch

ROSA.
Er wollte mich hier abholen.
hehehe

FLORA.
Sie scheint man ja schlimm zugerichtet zu haben, Genosse Braun.
kittehsmile

BRAUN.
Ist nicht so arg. Ich stand Streikposten bei der Motorengesellschaft –
hehehe

FRAU SCHENK.
Ja, Herr – Herr – –
happy

LECHARJOW.
Lecharjow, Genossin.
hehehe

FRAU SCHENK.
Herr – Verschluckt den Namen. – hat uns schon erzählt.
concentrated

BRAUN.
Mit dem Messer hat der Kerl zugestochen. Es hätte bös werden können.
hehehe

DIETRICH.
Diese Bande von Streikbrechern! – Schad, daß ich nicht dabei war!
happy

TROTZ.
Da hättest du wohl auch wenig helfen können.
happy

DIETRICH.
Das fragt sich noch.
pfftch

FLORA.
Was habt ihr denn da alles mitgebracht?
monocole

TROTZ.
Vierzig rote Fahnen und zwanzig Plakate.
dude come on

DIETRICH.
Wir können ja mal ein paar herzeigen. Er packt ein Paket mit viereckigen Schildern aus. Hier! Nieder mit dem Krieg! – Da – das stecken wir oben auf die Stange. Tut es. Da werden sie's lesen, diese Gewaltmenschen!
hehehe

ROSA
öffnet den Verschluß eines Haufens Stangen, deren Tücher oben in Papier zusammengebunden sind.
Die Fahnentücher sind doch groß genug?
Breitet eine Fahne aus.
pfftch

LECHARJOW.
Sehr schönes Rot.
happy

DIETRICH.
Es wird ein Bild werden – ha! – Hier, sehen Sie her!
Liest Plakattafeln ab. Es lebe das freie Rußland! Frieden, Freiheit, Brot! Hoch die internationale Völkerverbrüderung!
Färber, Fischer und Braun sind am Bett, Trotz, Dietrich und Rosa am Tisch mit den Gegenständen beschäftigt.
kittehsmile

FLORA.
Ihr habt famos gearbeitet.
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Ralf wird sich freuen, wenn er das sieht. – Wo er nur so lange bleibt?
herp

FLORA.
Haben Sie heut morgen Klagenfurter gut untergebracht, Genosse Dietrich?
beh

DIETRICH.
Ach, das muß ich ja noch erzählen. – Sie hat ihn nicht aufgenommen, die verdammte Vettel!
beh

FLORA.
Nicht aufgenommen? – Ja, er ist doch aber in Sicherheit?
beh

DIETRICH.
Hoffentlich! – Wir haben uns nachher getrennt. Er fand es sicherer, wenn er allein ginge.
pfftch

TROTZ.
Wahrscheinlich hat Dietrich so laut auf das Frauenzimmer geschimpft, daß die Passanten aufmerksam wurden.
monocole

DIETRICH.
Da bleibe mal ruhig dabei! Wir kamen zusammen hin. Die kleine Kröte von Nichte machte uns auf, die sie gestern abend bei sich hatte. Dann kam sie selbst auf den Korridor, die Gnädige.
happy

ROSA.
Hat sie euch nicht mal ins Zimmer geführt?
kittehsmile

DIETRICH.
Keine Spur! – Na, Stefan rückte damit heraus, was er wollte – bloß bis Mittag zwei Uhr bei ihr Unterkunft haben. Ja – die beiden sehen sich an, als ob der Satan selber bei ihnen Quartier nehmen wollte. Und dann fing erst die Kleine an: Ach das geht aber nicht! – Ach, das wäre doch gefährlich für uns!
monocole

FRAU SCHENK.
Ist nicht möglich!
hehehe

DIETRICH.
Und dann die Alte! – Was wir denn eigentlich dächten! – Da käme ihr ja womöglich die Polizei ins Haus. – Ich wollte es ihr ordentlich geben, dieser Ziege – aber Stefan hatte mich schon am Ärmel, und dann waren wir froh, als wir wieder draußen waren.
concentrated

FLORA.
Ein nettes Gesindel, diese ästhetischen Damen!
concentrated

FRAU SCHENK.
Aber wo mag er denn geblieben sein?
kittehsmile

DIETRICH.
Er wollte zu Professor Seebald gehen.
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Ach Gott, den wird er nicht getroffen haben, der war ja hier bei Ralf.
dude come on

LECHARJOW.
Seebald war hier? – Hat er zugesagt?
beh

FLORA.
Es scheint nicht. Schenk war inzwischen noch nicht hier.
Die Tür öffnet sich. Schenk tritt ein.
monocole

FRAU SCHENK.
Endlich, Ralf. – Du hast dich verspätet.
hehehe

SCHENK
hüstelt nervös.
Ja, ja. – So viel Leute. – Ach so, ja, die Fahnen. – Ach, guten Tag, Flora! Schön, daß du da bist! – Und Genosse Lecharjow, Sie auch.
kittehsmile

LECHARJOW.
Sie haben gesprochen mit Mathias Seebald? – Nun?
hehehe

SCHENK
hüstelt heftiger.
Aber man kann sich ja kaum umdrehen hier. – Macht doch die Arbeit in der Küche! Er öffnet die Küchentür. Rosa, Dietrich, Trotz mit den Plakaten ab in die Küche. Die Tür bleibt offen. Du bist verwundet, Braun?
dude come on

BRAUN.
Kleines Vorpostengefecht.
monocole

SCHENK.
Warst du bei Laßmanns, Flora?
concentrated

FLORA.
Ja. Der Hausherr hat sich leider auf gar nichts eingelassen. Ich weiß noch gar nicht, was wir werden tun können.
happy

SCHENK.
Laß gut sein. – Ich hab schon Rat geschafft.
dude come on

FLORA.
Du?
hehehe

SCHENK.
Ja, doch. – Ich kann helfen. Hustenanfall.
happy

FRAU SCHENK.
Was hast du nur, Junge? Du bist ja schrecklich unruhig.
kittehsmile

SCHENK.
Es hat nichts auf sich. Nimmt sich zusammen. Wie beurteilen Sie die Lage, Genosse Lecharjow?
happy

LECHARJOW.
Was soll ich sagen? – Man wird sehen müssen.
happy

SCHENK.
Seebald wird wohl zu Hause bleiben. – Wie?
concentrated

LECHARJOW.
Das wollte ich hören von Ihnen. – Ich denke, er war hier.
happy

SCHENK.
Ja – ja, gewiß. – Nein, er hat nicht gesagt, ob er kommt. – Ich denke kaum.
kittehsmile

FLORA.
Du bist so merkwürdig nervös, Raffael. Bist du mißgestimmt?
pfftch

SCHENK.
Oh, gar nicht. Hüstelt. Nicht im geringsten. – Nur die vielen Menschen –
pfftch

FISCHER.
Gehen wir voraus!
kittehsmile

FLORA.
Ja? – Wäre dir das lieber?
happy

SCHENK.
Du? – Du nicht! – Bitte, bleib!
happy

FÄRBER
ruft in die Küche.
Macht euch fertig! Wir gehen.
kittehsmile

DIETRICH
in der Tür.
Hast du die Plakate gesehen, Schenk? – Prächtig – was? Es wird ein Fest werden!
hehehe

SCHENK.
Ja, es ist alles sehr gut. Es klopft. Herein! Es tritt Rund ein.
happy

FRAU SCHENK.
Guten Tag, lieber Herr Rund. – Rosa ist in der Küche.
hehehe

ROSA
in der Küchentür.
Gleich, Fritz. Wir packen eben wieder zusammen.
pfftch

RUND.
Ich habe eine sehr schlechte Nachricht.
pfftch

FLORA.
Was ist passiert?
herp

RUND.
Klagenfurter ist verhaftet.
monocole

SCHENK.
Teufel!
concentrated

RUND.
Ich hätte ja gar nicht auf die Straße dürfen in Uniform. Es ist streng verboten. Aber ich mußte euch doch Bescheid bringen.
monocole

FÄRBER.
Woher weißt du es?
herp

RUND.
Ich war ja in der Kaserne, als er eingeliefert wurde. Schon vor zwei Stunden. Er hat sich geweigert, die Uniform anzuziehen. Man wollte ihn sofort einkleiden.
hehehe

BRAUN.
Und was hat man mit ihm gemacht?
hehehe

RUND.
Dunkelarrest. – Ich fürchte, es wird ihm böse gehen.
kittehsmile

LECHARJOW.
Da haben Sie eine Parole für die Arbeiter heute.
dude come on

FLORA.
Das ist wahr. – Genossen! Alle, auch die aus der Küche, bilden einen Halbkreis um Flora, die mit Schenk, Frau Schenk und Lecharjow im Vordergrund rechts steht. Genosse Klagenfurter ist verhaftet und weigert sich, Militärdienst zu tun.
happy

DIETRICH.
Bravo, Klagenfurter!
monocole

FLORA.
Er ist doch bekannt unter den Arbeitern?
hehehe

TROTZ.
Jeder kennt ihn. Er ist der Führer der Opposition bei den Metallarbeitern.
happy

FLORA.
Der Fall muß sofort allgemein bekannt werden. Es ist ungeheuer wichtig, daß dadurch eine Forderung von lokaler und unmittelbarer Bedeutung aufgestellt werden kann.
hehehe

TROTZ.
Die Arbeiter müssen erklären: Die Arbeit wird nicht eher wieder aufgenommen, ehe nicht Klagenfurter frei ist.
happy

LECHARJOW.
Jetzt bekommt die ganze Aktion Hand und Fuß!
herp

SCHENK.
Wir müssen ihn herausholen!
pfftch

LECHARJOW.
Herausholen ist schnell gesprochen. Da muß man wissen, wie sich verhalten werden die Soldaten.
herp

RUND.
Das ist ganz unsicher. – Viele schimpfen auf den Streik und besonders auf Seebald.
beh

SCHENK.
Aber ich glaube, daß die meisten doch schließlich zu uns herüberkommen werden.
herp

FLORA.
Wer will das voraussehen? – Aber es ist keine Zeit zu verlieren. Bringt die Fahnen an Ort und Stelle, klärt die Leute auf, die schon dort sind, schickt den anmarschierenden Gruppen Genossen entgegen, so daß jeder Arbeiter weiß, was geschehen ist.
herp

BRAUN.
Vielleicht können wir manchen damit noch jetzt für den Streik gewinnen.
beh

DIETRICH.
Marsch! Marsch! – An die Gewehre! Dietrich, Färber, Fischer, Braun, Trotz, Rosa nehmen die Pakete und Stangen.
happy

TROTZ.
Komm, mach dich fertig, Schenk!
happy

SCHENK.
Laßt mich noch! – Ich komme rechtzeitig hin.
hehehe

FÄRBER.
Wozu haben wir dann das ganze Zeug erst hergeschleppt?
dude come on

FRAU SCHENK.
Laßt ihn! Er ist nicht recht auf dem Posten. – Bleiben Sie noch ein bißchen bei ihm, Flora!
pfftch

SCHENK.
Wir gehen nachher zusammen, nicht wahr?
beh

FLORA.
Eigentlich –
hehehe

TROTZ.
Bleiben Sie nur, Flora. – Es genügt, wenn Sie zur Zeit dort sind.
happy

FLORA.
Also gut.
beh

RUND.
Laßt mich zuerst gehen. Komm mit, Rosa. – Mit euch allen zusammen würde ich noch mehr auffallen in der Uniform.
hehehe

ROSA.
Auf Wiedersehen! Mit Rund ab.
kittehsmile

DIETRICH.
So. – Hat jeder sein Bündel? – Auf in den Kampf!
concentrated

TROTZ
klopft Schenk auf die Schulter.
Du mußt heute noch aushalten, Junge. Wir brauchen dich. Aber wenn wir es geschafft haben, wird's Zeit, daß du dich mal ordentlich erholst.
monocole

SCHENK
mit Anstrengung lächelnd.
Ich werde schon noch aushalten heute.
hehehe

BRAUN.
Also los, Genossen!
herp

FISCHER.
Pünktlich sein! Braun, Färber, Trotz, Dietrich, Fischer ab.
concentrated

FRAU SCHENK.
Willst du dich nicht ein Weilchen aufs Bett legen, Ralf? Du bist draußen sicher zu schnell gelaufen.
happy

SCHENK.
Nein, Mutter, ich hab gar nichts, wirklich nicht. Es ist nur – die Vorfreude.
hehehe

LECHARJOW.
Man muß sich nicht kümmern. Es wird sein Lampenfieber, die Aufregung vor einer Prüfung.
pfftch

SCHENK.
Ja, so was mag es wohl sein.
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Ich muß jetzt aber in meine Küche. Ich schau schon wieder herein. Ab.
concentrated

FLORA.
Sagen Sie, Genosse Lecharjow: Hätten Sie nicht Lust, statt Seebald zu sprechen?
beh

LECHARJOW.
Das möcht gut werden, mit meinem Radebrechen.
beh

SCHENK.
Nein – Flora muß reden.
pfftch

FLORA.
Das hat er sich so in den Kopf gesetzt.
kittehsmile

SCHENK.
Du weißt, worauf es ankommt. Die Masse muß vorgehen gegen das Militär.
concentrated

LECHARJOW.
Wenn da sein wird Militär. Wenn es den Zug nicht abwartet unterwegs.
hehehe

SCHENK.
Nein, es kommt zur Wachsmannschen Fabrik.
happy

FLORA.
Weißt du das sicher?
kittehsmile

SCHENK.

Ja.

Nach einer Pause. Der Polizeirat hat es mir gesagt.

concentrated

FLORA.
Der Polizeirat war hier?
hehehe

SCHENK.
Er wollte Klagenfurter suchen.
kittehsmile

LECHARJOW.
Der Mann hat Ihnen aufgedeckt seine Karten? Nicht schlecht!
beh

SCHENK
hüstelt.
Er hat es angedeutet.
beh

FLORA.
So erzähl doch. Was hat er gesagt?
pfftch

SCHENK.
Er wollte wissen, ob – ob Seebald dort sein würde.
happy

FLORA.
Du hast dich doch auf keine Unterhaltung eingelassen?
pfftch

LECHARJOW.
Sie werden ihm doch nicht Auskünfte gegeben haben?
concentrated

SCHENK
betreten.
Nein – natürlich nicht. Aber ... Es klopft. Herein!
dude come on

SEEBALD
tritt ein.
Sie sind noch da, Raffael. – Das ist gut.
pfftch

LECHARJOW
ihm entgegen.
Grüß dich, Mathias. Was wird werden?
beh

SEEBALD.
Das wissen die Götter. Ich ahne nichts Gutes.
kittehsmile

FLORA.
Kommen Sie hin?
happy

SEEBALD.
Ja. Ich habe mich entschlossen.
concentrated

FLORA
drückt ihm die Hand.
Das ist recht, Professor. Das freut mich. Raffael, hörst du? Professor Seebald kommt.
beh

SCHENK
steht mit verschränkten Armen in der Nähe des Ofens.
Meinetwegen.
monocole

SEEBALD.
Raffael Schenk! Wir wollen wieder Freunde sein. Heute früh – das war häßlich. Wir wollen es vergessen. Sie haben mich überzeugt.
monocole

SCHENK.
Überzeugt – wovon?
kittehsmile

SEEBALD.
Daß das, was jetzt vorgeht, letzten Endes mein Werk ist. Deshalb darf ich nicht abseits bleiben. Mag daraus werden, was will.
pfftch

SCHENK.
Und was wollen Sie den Arbeitern sagen?
pfftch

SEEBALD.
Daß sie standhalten sollen in ihrer Weigerung, für den Krieg zu arbeiten. Ich werde ihnen zeigen, welcher Lohn ihnen winkt, wenn sie mit ihrer gewaltlosen Tat die Gewalt gebrochen haben werden.
kittehsmile

SCHENK.
Das heißt, Sie wollen jetzt, wo die Masse aufsteht, dieselbe Volksrede halten, die sie vorher schon ein dutzendmal von Ihnen gehört hat.
hehehe

FLORA.
Raffael!
hehehe

SEEBALD.
Was soll ich darauf antworten?
pfftch

FLORA.
Es ist ein neues Ereignis eingetreten, Professor. Genosse Klagenfurter hat heute früh den Befehl erhalten, sofort zum Militärdienst anzutreten. Er ist geflüchtet. Man hat ihn aber verhaftet und wollte ihm gleich die Uniform anziehen. Dem hat er sich widersetzt, und nun sitzt er in Dunkelarrest. Daran müssen Sie Ihre Rede anschließen.
dude come on

SEEBALD.
Das hat er getan? – Oh, das ist schön, das ist herrlich! Ja, das muß ich ihnen als Vorbild hinstellen!
monocole

SCHENK.
Nein, damit ist nichts geschehen. Sie müssen sie aufrufen, Klagenfurter zu befreien!
hehehe

SEEBALD.
Aber das hieße ja geradezu die Gewalt predigen. Das tu ich nicht. Das kann ich nicht.
happy

SCHENK.
Dann wirst du es tun, Flora – oder der blinde Laßmann wird es tun.
herp

SEEBALD.
Raffael! Verlangen Sie nichts Unmögliches. Wollen Sie es denn wirklich verantworten, Ihre Klassengenossen, Ihre Arbeitsgefährten geradewegs in den Tod zu treiben? Ist es noch nicht genug mit dem Jammer und dem Blut draußen im Felde? Muß auch noch unter denen, die noch im Lande sind, gemetzelt und getötet werden?
dude come on

FLORA.
Ein friedlicher Spaziergang durch die Stadt würde es auch dann kaum werden, wenn Sie der Demonstration kein bestimmtes Ziel setzen. Und wollen Sie denn Klagenfurter einfach seinem Schicksal überlassen?
happy

SEEBALD.
Aber Sie als Frau müßten doch vor dem Äußersten zurückschrecken!
concentrated

LECHARJOW.
Ich verstehe gut deinen Standpunkt. Ich verstehe auch Flora und Schenk. Es wird nicht darauf ankommen, ob du willst Blutvergießen vermeiden um jeden Preis. Es wird auch nicht darauf ankommen, ob die andern riskieren wollen das Letzte. Sondern es wird darauf ankommen, ob die Demonstranten werden kämpfen mögen für ihre Zukunft oder ob sie werden vorsichtig sein. Und davon wird auch abhängen das Verhalten der Soldaten.
beh

FLORA.
Sie glauben nicht, daß die Soldaten auf jeden Fall schießen werden?
kittehsmile

LECHARJOW.
Kein Mensch tut etwas auf jeden Fall. Sind die Soldaten nicht Proletarier? Sie sind Fleisch von ihrem Fleisch und Blut von ihrem Blut. Wie die einen sind, sind auch die andern. Wenn sie sehen werden Entschlossenheit, Todesmut, Begeisterung bei den Arbeitern für den Frieden und die Freiheit, so wird auch bei ihnen lebendig werden das Gefühl für Frieden und Freiheit, und sie werden den Mut haben zur Solidarität. Wenn sie aber sehen werden Zögern und Angst und Vorsichtigkeit, so wird das sein ein Zeichen, daß das Proletariat noch nicht frei ist von der Unterwürfigkeit, und so werden sie auch nicht frei sein von der Unterwürfigkeit und werden tun, was befehlen werden die Offiziere.
beh

FLORA.
Danach läge es an Ihnen, Professor Seebald, so zu den Massen zu sprechen, daß sie die Angst vergessen und um jeden Preis alles wagen.
kittehsmile

SEEBALD.
Und ich sollte sie zum Sturm aufrufen auf das Militärgefängnis – die unbewaffneten Arbeiter?
hehehe

SCHENK.
Nein, zum Sturm auf das Zeughaus – und dann die bewaffneten Arbeiter zur Kaserne und zum Schloß.
concentrated

SEEBALD
läuft unruhig umher.
Nein! – Das – geht nicht! – Dazu gebe ich mich nicht her.
hehehe

SCHENK.
Dann bleiben Sie doch lieber zu Hause! – Da schaden Sie wenigstens nichts.
kittehsmile

SEEBALD
bleibt vor Schenk stehen, erregt.
Jetzt muß ich Ihnen denn doch verbieten, in diesem Ton mit mir zu sprechen. Sie haben kein Recht, mir vorzuwerfen, daß ich der Friedensbewegung des Volkes schaden könne. Heute morgen haben Sie mich darüber belehrt, wo mein Platz ist, da das ganze Unternehmen von mir angetrieben sei. Ich habe diese Belehrung von Ihnen angenommen und werde da stehen, wo meine Pflicht mich hinstellt. Und dort werde ich so handeln, wie meine Pflicht es von mir verlangt.
dude come on

SCHENK.
Vielleicht warnen Sie die Masse dann auch vor ungünstigen Einflüssen!
kittehsmile

FLORA.
Raffael! – Ich bitte dich!
concentrated

SEEBALD.
Ach, ist das der Grund Ihres Zornes – was ich mit Ihrer Mutter gesprochen habe?
happy

SCHENK.
Vor dir gewarnt hat er sie, Flora! – Du wärst mein Verhängnis –.
dude come on

SEEBALD.
Das hab ich nicht gesagt.
dude come on

SCHENK
in heftigem Ausbruch.
Da gibt es nichts zu beschönigen, Herr Professor! Aber Sie täuschen sich, wenn Sie meinen, den Proletarier da kann man am Draht ziehen, wohin man mag. Ich brauche Ihre Erziehung nicht – verstehen Sie mich? Ich weiß selbst, wo ich hingehöre, und was dem Proletariat not tut, weiß ich besser als Sie – viel besser.
happy

FLORA.
Erreg dich nicht so, Raffael! – Bitte nicht!
Legt ihm die Hand auf die Schulter.
happy

SCHENK
macht sich frei.
Laß mich! Da muß einmal Klarheit werden zwischen dem da und mir. – Ja, sehen Sie mich nur an!
concentrated

SEEBALD.
Beruhigen Sie sich doch. – Ich weiß doch, Sie sind ein guter Mensch.
herp

SCHENK.
Ich bin gar kein guter Mensch. Aber ich kenne meinen Weg – und der geht geradeaus, Herr Professor Seebald! Geradeaus – und wenn es über Leichen ginge! – Und wenn es über Sie hinüberginge! – Vielleicht erleben Sie es. – Ich habe nichts zu schaffen mit Ihrer sanften Friedenszirperei, nicht das geringste. – Wenn Sie es wissen wollen: Ich will, daß Blut fließt heute! Ich wünsche, daß hineingeschossen wird in die Masse! – Das Proletariat soll es spüren, daß Revolution kein Tanzvergnügen ist – sondern Blut kostet – Blut!!
hehehe

SEEBALD
stark.
Hören Sie auf mit diesem grauenhaften Bekenntnis, Mensch!
dude come on

SCHENK.
Aha! Das klingt Ihnen nicht lieblich in die Ohren, nicht wahr? – Aber Sie werden es auch nicht begreifen. Sie können mich überhaupt nie verstehen. – Und warum nicht? Passen Sie auf! Ich will es Ihnen sagen: Weil ich ein Proletarier bin – und Sie sind – ein Bourgeois!
hehehe

SEEBALD
nimmt seinen Hut.
Leben Sie wohl, Schenk! Ich hoffe, Sie werden mich noch einmal anders beurteilen – vielleicht noch heute. Will gehen.
pfftch

LECHARJOW.
Ich werde dich begleiten, Mathias. – Zu Schenk. Der Mensch muß sich nicht gehenlassen zu weit. Vielleicht haben Sie recht in der Sache, aber Sie haben unrecht, so zu reden mit Mathias Seebald. Wie wollen wir Krieg führen gegen den Kapitalismus, wenn wir nicht Frieden halten miteinander? Schenk schweigt. Nun – überlegen Sie sich's. Adieu, Genosse Schenk. Gibt ihm die Hand. Die Genossin Severin bleibt wohl noch hier – wie?
kittehsmile

FLORA.
Ich glaube, Raffael, für dich ist es das beste, du bleibst noch ein halbes Stündchen allein.
dude come on

SCHENK.
Willst du auch fortgehen?
happy

FLORA.
Leg dich ein wenig nieder. Ich werd der Mutter sagen, daß sie dich um halb drei rufen soll. – Ja?
happy

SCHENK
gibt ihr die Hand.
Wenn du meinst. – Ich bin ein wenig abgespannt.
Seebald und Lecharjow gehen voraus aus der Tür.
kittehsmile

FLORA
blickt nach ihnen aus.
Dann küßt sie Schenk. Stark sein, mein Liebster! – Wir beide müssen stark sein heute!
dude come on

SCHENK
küßt lange ihre Hand.
Du hast recht.
dude come on

FLORA
öffnet die Küchentür.
Mutter Schenk!
herp

FRAU SCHENK.
Ja, liebes Kind.
dude come on

FLORA.
Wir wollen Ralf ein wenig allein lassen. Aber erinnern Sie ihn pünktlich um halb drei Uhr, daß er nachkommt. Ab.
dude come on

FRAU SCHENK.
Willst du dich hinlegen, mein Junge?
monocole

SCHENK.
Nein, Mutter, setz dich zu mir! Er schlägt den Feldstuhl auseinander, so daß er in halbliegender Stellung darauf sitzt. Frau Schenk zieht einen Stuhl daneben. Ich muß mir etwas vom Herzen reden.
hehehe

FRAU SCHENK.
Und da schickst du deine Flora weg und holst deine alte Mutter?
concentrated

SCHENK.
So wie du würde sie mich vielleicht doch nicht verstehen.
hehehe

FRAU SCHENK.
Ja, mein Gott – bis aus Liebe Vertrauen wird, das braucht Zeit.
concentrated

SCHENK.
Nein – nein. Ich habe alles – das größte Vertrauen zu Flora. – Ich möchte es ihr auch sagen. Aber erst sollst du es wissen.
happy

FRAU SCHENK.
Sprich nur. Es wird nichts Unredliches sein.
concentrated

SCHENK.
Das will ich eben von dir erfahren.
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Nein, das weiß ich vorher. Etwas Unredliches tust du nicht.
concentrated

SCHENK.
Mutter, bis jetzt hast du doch immer noch alles verstanden, was ich getan habe?
concentrated

FRAU SCHENK.
Soviel ich es mit meinem kleinen Verstand konnte – immer.
hehehe

SCHENK.
Was würdest du aber sagen, wenn ich etwas täte, was ganz so aussähe wie eine große Schlechtigkeit?
pfftch

FRAU SCHENK.
Was so aussieht, braucht doch noch nichts Schlechtes zu sein!
happy

SCHENK.
Das denke ich auch, Mutter! – Aber kannst du dir denken, daß ein Mensch Gewissensbisse hat für etwas, was er getan hat, obgleich er es recht findet, daß er es tat?
hehehe

FRAU SCHENK.
Ja – das wird wohl davon abhängen, wie es ausgegangen ist. Dann zeigt es sich manchmal, daß es nicht das richtige war.
happy

SCHENK.
Nein, Mutter – vorher; wenn man die Folgen noch gar nicht kennt.
hehehe

FRAU SCHENK.
Wo sollen dann wohl die Gewissensbisse herkommen? Nein, das glaub ich nicht.
monocole

SCHENK.
Doch, Mutter, es ist aber so.
dude come on

FRAU SCHENK.
Gewissensbisse hat man doch nur, wenn man seine Handlung selber schlecht findet.
kittehsmile

SCHENK.
Hör mir mal zu, Mütterchen. – Ich habe etwas getan, weil ich es tun mußte und weil ich glaube, daß es nötig war. Aber für einen, der da nicht ganz genau alles weiß, wie man dazu kommt und warum das so sein muß, ist es vielleicht das Schlimmste, was ein Mensch überhaupt tun kann.
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Ja, mein Junge, ich weiß doch nicht –
herp

SCHENK.
Du brauchst auch nicht zu wissen. Aber kannst du das fühlen, wie mir da zumute ist. – Sieh, wenn ich von irgendeinem andern, von meinem nächsten Freund, erführe, er hätte das getan, was ich getan habe – da würde ich gar nichts mehr fragen, da würde ich sagen: Der Lump! Und nie wieder etwas mit ihm zu schaffen haben wollen.
monocole

FRAU SCHENK.
Aber, Kind, du machst mir ja ganz angst.
pfftch

SCHENK.
Nicht doch! Ich will ja nur wissen, ob du mich recht verstehst. – Es sind Gewissensbisse, die bloß daher kommen, daß ich mich frage: Wie würdest du selbst das aufnehmen, wenn es ein anderer täte. Und ich könnte es auch gar niemandem begreiflich machen nachher – ich könnte mich gar nicht entschuldigen.
hehehe

FRAU SCHENK.
Auch bei Flora nicht?
hehehe

SCHENK.
Flora? – Die hätte in derselben Lage vielleicht dasselbe getan. – Vielleicht natürlich auch nicht. – Aber ob sie es trotzdem von mir begreifen würde –?
hehehe

FRAU SCHENK.
Würdest du es denn begreifen, wenn sie es getan hätte?
herp

SCHENK
nach längerem Besinnen.
Ich weiß nicht, Mutter. Ich glaube eher nicht.
dude come on

FRAU SCHENK.
Vielleicht erleichtert es dich, wenn du es ihr noch sagst.
concentrated

SCHENK.
Wenn alles vorbei ist und gut ausgegangen ist, dann will ich es ihr auch sagen.
beh

FRAU SCHENK.
Flora versteht dich gewiß. – Ich meine fast, die hat dir der Himmel geschickt.
concentrated

SCHENK.
Das glaube ich selbst. – Aber ob ich mal so werde mit ihr über alles sprechen können wie mit dir – das weiß ich doch nicht.
beh

FRAU SCHENK.
Aber warum denn nicht, mein Junge?
happy

SCHENK.
Ach, Mutter, du weißt nicht, wie gut das ist, daß du nie nach etwas fragst.
happy

FRAU SCHENK.
Das mußt du ja auch selbst bestimmen, wieviel du mir sagen willst.
happy

SCHENK.
Komm, Mutter, ich muß dir einen Kuß geben.
Sie beugt sich über ihn.
– So. Nun weiß ich alles, was ich wissen wollte – du wirst nie an mir zweifeln, Mutter – nicht?
concentrated

FRAU SCHENK.
Nein, gewiß nicht, Ralf.
happy

SCHENK.
Auch nicht, wenn alle – auch die Genossen – und sogar Flora mich verurteilen?
kittehsmile

FRAU SCHENK.
Nein, niemals. Ich kenne dich doch. – Aber das wollen wir doch nicht hoffen, wie?
monocole

SCHENK.
Wer kann am Mittag bis zum Abend sehen!?
concentrated

FRAU SCHENK.
Fühlst du dich jetzt besser, mein Sohn? – Du warst vorhin so nervös.
dude come on

SCHENK
steht auf.
Jetzt ist's mir wieder gut. – Jetzt habe ich das herunter von der Seele, was darauf lag. Mein Gewissen ist wieder frei.
beh

FRAU SCHENK.
Wem das Gewissen frei ist, der tut wohl auch das Rechte.
happy

SCHENK
nimmt eine Rose aus der Vase.
So, Mütterchen, die steck dir an – Befestigt sie an ihrem Schürzenband. –, sie ist von der, die ich lieb hab.
beh

FRAU SCHENK
küßt ihm die Stirn.
Sie soll dich recht, recht glücklich machen!
hehehe

SCHENK.
Geh nun in deine Küche und mach dir um mich keine Gedanken mehr, hörst du? Zieht den Mantel an.
herp

FRAU SCHENK.
Für heute abend hab ich was Gutes für dich – drei Eier hab ich bekommen. Nickt ihm zu, ab in die Küche.
hehehe

SCHENK
ihr nachblickend.
Du Gute, Liebe! Will abgehen, besinnt sich bei der Tür und geht zurück. Die Waffe! Er nimmt mit Seitenblick zur Küchentür rasch einen Browning aus der Kommode und steckt ihn ein. Schnell ab.
Vorhang.

5. Akt

Fünfter Akt

Nachmittag desselben Tages. Platz vor der Wachsmannschen Fabrik, deren Fassade an der linken Seite der Bühne zum Teil sichtbar ist. Großer Vorhof, um den sich vorn bis etwa zur Hälfte ein auf Zement aufgebautes Eisengitter schließt. Wo die Gitterpforte stehen sollte, hört die Umschließung auf. Die Pforte ist durch zwei vierkantige Steine angedeutet, deren einer freisteht. Vom Hintergrunde links führt eine Straße schräg in den offenen Vorhof hinein; auf beiden Seiten Laternen. Weit hinten sieht man Häuser und Schornsteine. Vorn links führt eine schmale Straße am Gitter vorbei. Im Hintergrund Bäume mit Schneeresten. Rechts hinten eine Hausecke, bei der eine Straße in den Platz mündet, in die der Ausblick durch einen Straßenbahnwagen mit zerbrochenen Scheiben und freihängender Stange verdeckt ist. Die Schienen führen über den Platz. Trambahndrähte sind ausgespannt. Rechts zurückliegend Häuser, vorn ein Wirtshaus, durch eine Traube gekennzeichnet, eine Freitreppe bezeichnet den Eingang. Die Straße links vorn setzt sich nach rechts, vor dem Wirtshaus vorbei, fort. Im Vorhof der Fabrik viele Menschen mit roten Rosetten. Man sieht rote Fahnen und Plakate. Ein Haufen Men schen steht um den Straßenbahnwagen herum.
Im Vordergrund etwas links eine Gruppe Arbeiter, darunter Trotz, Dietrich, Färber, Fischer, Braun, Rosa, Rund und ein Trambahnführer.
monocole

BRAUN.
Ja, lieber Freund, da dürfen Sie sich nicht beklagen, wenn Sie am Streiktag fahren –
dude come on

TROTZ.
Und dann noch mitten hinein, wo die Arbeiter sich sammeln!
happy

TRAMBAHNFÜHRER.
Ich konnte doch das nicht wissen, daß man mir gleich den Wagen entzweischmeißen würde!
hehehe

DIETRICH.
Ganz recht ist's geschehen. – Wer sich zum Streikbrecher hergibt!
hehehe

TRAMBAHNFÜHRER.
Es sind doch alle ausgefahren!
happy

FÄRBER.
Das ist traurig genug!
happy

TRAMBAHNFÜHRER.
Man will doch leben.
hehehe

TRAMBAHNSCHAFFNERIN
mit Rosette drängt sich vor.
Das ist Quatsch. Ich weiß, wo ich hingehöre an solchem Tag. Da hättest du auch deinen Wagen stehenlassen können.
concentrated

DIETRICH.
Bravo! – Ja, die Weiber!
kittehsmile

SCHAFFNERIN.
Mein Mann ist drei Jahre draußen und schon zweimal verwundet, und jetzt ist er schon wieder in Flandern. Ich hab's satt mit den Kindern!
dude come on

TROTZ.
Wir sind doch alle Proletarier. Wir gehören doch zusammen.
kittehsmile

TRAMBAHNFÜHRER.
Na ja. – Mir kann's ja gleich sein. Ab in den Hintergrund.
beh

SCHAFFNERIN.
So sind sie alle. Bloß daß der Lohn nicht mal einen Tag ausfällt! Die Umstehenden verlaufen sich. Von rechts vorn treten auf Seebald, Lecharjow und Flora.
beh

DIETRICH.
Ah! Da kommen ja unsere Freunde. –
pfftch

LECHARJOW
hält Umschau.
Es sind noch weniger, als ich geglaubt habe.
concentrated

TROTZ.
Es macht nichts. Es ist ein Anfang.
pfftch

LECHARJOW.
Ist auch mehr. Wenn ein Scheintoter rührt den kleinen Finger, sieht man, daß man ihn noch kann erwecken.
concentrated

FLORA.
Was ist denn mit dem Trambahnwagen?
beh

FÄRBER.
Die Leute haben ihn angehalten. Die Passagiere mußten heraus, und weil der Führer nicht absteigen wollte, haben sie ihn heruntergeholt und die Scheiben eingeschlagen.
dude come on

DIETRICH.
Jawohl! Und den Kontakt haben wir ausgehoben. So muß es mit allen Streikbrechern gemacht werden, diesen Schuften!
kittehsmile

SEEBALD.
Man soll niemanden zwingen, gegen seinen Willen zu handeln.
happy

BRAUN.
Aber wenn er doch mitten durch die Streikenden fährt!
concentrated

SEEBALD.
Gewalt ist nie das richtige Mittel. – Aber was haben Sie denn am Kopf? Sind Sie verwundet?
hehehe

BRAUN
lacht.
Ja, da haben die andern Gewalt gebraucht, weil ich Streikposten gestanden hab.
beh

FLORA.
Aber Rund, Sie sollten sich in Ihrer Uniform doch mehr unter der Menge halten.
herp

RUND.
Oh, es sind noch eine Menge Soldaten dabei. – Sehen Sie nur.
hehehe

ROSA.
Aber meistens bloß Verwundete.
happy

RUND.
Es macht nichts. Wenn alles gut geht, können sie mir nicht mehr viel anhaben.
concentrated

TROTZ
zu Flora.
Was ist denn mit Schenk? Er kommt doch?
happy

FLORA.
Natürlich. Er muß jeden Augenblick hier sein. Wir wollten ihn nur ein paar Minuten ausruhen lassen.
kittehsmile

BRAUN.
Er war heute gar nicht gut beisammen.
beh

TROTZ.
Der arme Kerl. Mit seiner Lunge will's gar nicht ordentlich werden. Seine Arbeit ist auch nichts für ihn. Immer am Setzkasten und den Bleistaub einatmen. –
dude come on

FÄRBER.
Und dann noch die Aufregungen heute.
concentrated

SEEBALD.
Leider hab ich sie noch gesteigert. Hoffentlich wird sein Groll nicht anhalten.
hehehe

FLORA
abseits zu Trotz.
Wissen die Leute Bescheid über Klagenfurter?
kittehsmile

TROTZ.
Ja. Sie meinen alle, man müßte ihn heraus holen.
happy

FLORA.
Das ist gut. Zurück zu den übrigen. Von hinten her tritt auf Laßmann am Arm seine Frau.
happy

FRAU LASSMANN.
Da stehen sie ja alle.
kittehsmile

DIETRICH.
Unser Anführer! – Laßmann, wo hast du die Fahne?
kittehsmile

LASSMANN.
Ja! – Gebt her eine rote Fahne! Tastet um sich.
concentrated

TROTZ.
Du bekommst eine, Ernst, wir gehen gleich in den Hof. Es liegt schon eine bereit für dich.
happy

LASSMANN.
Ist Professor Seebald gekommen?
monocole

SEEBALD.
Ja, Freund Laßmann, ich bin hier. Faßt seine Hand.
hehehe

LASSMANN.
Er ist da, Thilde. Ja, wir beide wollen vorangehen, Sie und ich – und ich werde die Fahne tragen. – Das ist ein Glückstag heute. Mir ist, als ob ich mein Augenlicht wiederkriegen sollte.
concentrated

SEEBALD.
Man darf nie die Hoffnung aufgeben.
happy

LASSMANN.
Oh, ich bin glücklich! – Es lebe die Freiheit! Es lebe der Friede!
Leute sammeln sich um die Gruppe.
beh

DIETRICH.
Es lebe die Revolution!
happy

LASSMANN.
Und Professor Seebald soll leben!
concentrated

EIN ARBEITER.
Seebald ist da, Genossen! – Mathias Seebald! –
hehehe

VIELE STIMMEN.
Hoch Seebald! Hoch! Viele kom men gelaufen, umdrängen Seebald. Hoch unser Führer! Hoch!
dude come on

SEEBALD.
Ich danke Ihnen, Freunde, aber auf meine Person kommt's nicht an. Wir müssen für den Frieden arbeiten.
hehehe

STIMMEN.
Es lebe der Friede! – Nieder mit dem Krieg!
kittehsmile

FLORA.
Es ist drei Uhr vorbei. – Die Leute müssen sich aufstellen.
beh

LASSMANN.
Meine Fahne!
happy

TROTZ.
Ja, wir gehen jetzt. Kommen Sie, Mathilde!
Alle ab in den Fabrikhof. Der ganze Platz leert sich dorthin. Große Bewegung im Hof. Von links tritt auf Strauß, der von der Ecke aus die Vorgänge beobachtet. Er bemerkt Tiedtken allein auf dem Platz.
hehehe

STRAUSS
tritt auf ihn zu.
Guten Tag, Herr Tiedtken – auch hier?
herp

TIEDTKEN.
Mich überrascht es, Sie hier zu sehen.
kittehsmile

STRAUSS.
Pflicht! Ich muß doch versuchen, die Leute vor Dummheiten zu bewahren.
pfftch

TIEDTKEN.
Sie halten das Ganze für eine Dummheit?
concentrated

STRAUSS.
Noch schlimmer: für ein Verbrechen.
monocole

TIEDTKEN.
Ich meine aber doch, wenn ein Mann wie Professor Seebald sich an die Spitze stellt, dann kann es doch wohl nur dem Guten dienen.
hehehe

STRAUSS.
Sie sind ein harmloser Mensch, Herr Tiedtken. Sie leben in Ihrer Welt der Schönheit und der Kunst. Da gehen Ihnen die schönen Worte Seebalds wie Honig ein. Ich sage Ihnen: Der Mann ist ein höchst gefährlicher Intrigant.
hehehe

TIEDTKEN.
Sie kennen ihn doch wohl nicht. Er hat wirklich ein Herz für die Arbeiter.
happy

STRAUSS.
Nicht wahr? Und wir sind die Verräter am Proletariat!
kittehsmile

TIEDTKEN.
Ich muß Ihnen ehrlich gestehen: Der Aufruf von Partei und Gewerkschaften auf demselben Blatt wie die Drohungen des Generals Lychenheim hat mir sehr mißfallen.
kittehsmile

STRAUSS.
Wir mußten es den Arbeitern ganz deutlich machen, daß sie bei diesem frevelhaften Spiel auf ihre Organisationen nicht im geringsten rechnen können.
herp

TIEDTKEN.
Soweit ich die Arbeiter gehört habe, waren sie aber äußerst ungehalten.
dude come on

STRAUSS.
Wieviel Arbeiter haben Sie denn im ganzen gesprochen? – Und ich kenne ja die Sorte, mit der Sie Fühlung haben. Ich weiß, welche Fäden Sie überhaupt nur mit Proletariern verbinden.
hehehe

TIEDTKEN.
Ach, was Sie meinen, trifft nicht mehr zu. Diese Fäden habe ich zerrissen.
happy

STRAUSS.
Das war gescheit. Sie sollten aber auch den Verkehr mit Seebald aufgeben. Das ist ein ausgemachter Scharlatan.
hehehe

TIEDTKEN.
Aber, ich bitte Sie, Herr Strauß. – Eine Persönlichkeit von solchem Ansehen!
hehehe

STRAUSS.
Was wissen denn Sie? Wen hat er denn hinter sich? Ein paar leichtgläubige Literaten – nehmen Sie mir die Offenheit nicht übel; ein paar unbefriedigte Hysterikerinnen und ein paar nervös gewordene Arbeiter. Und jeder verehrt ihn für was anderes: Ihr Ästheten für seine transzendentale Philosophasterei; – die alten Schachteln, weil er mit seinem mystischen Augenverdrehen ihre Geilheit kitzelt, und die Wirrköpfe von Arbeitern wegen seiner anarchistelnden Anführer-Allüren.
dude come on

TIEDTKEN.
Aber jeder Mensch rühmt doch seinen Idealismus.
pfftch

STRAUSS.
Glauben Sie? – Ich wünschte nur, Sie könnten mal die Soldaten über ihn reden hören.
hehehe

TIEDTKEN.
Sie meinen wohl die Offiziere?
happy

STRAUSS.
Nein – die Soldaten. Die wissen ganz genau, daß jetzt alles darauf ankommt, die letzten Kräfte zusammenzunehmen – und durch! Wissen Sie, die haben den Krieg bis zum Halse, und wenn Ihnen jetzt einer dazwischenkommt, gerade wo es dem Abschluß zugeht, und predigt ihnen Passivität, Desertion, Feindesliebe, kurzum, lauter Dinge, die zu Rückschlägen führen und dadurch den Krieg ins Grenzenlose verlängern, da geht ihnen die Galle hoch. Das kann ich Ihnen sagen.
happy

TIEDTKEN.
Die meisten glauben aber doch nicht mehr an den Sieg.
pfftch

STRAUSS.
Einige, die von diesen Phrasenhelden benebelt sind. Aber die andern – die große Mehrzahl! Mein Lieber, zu uns kommen sie doch, zu uns haben sie Vertrauen. Da hab ich mehr als einmal gehört: Wenn wir den Kerl, den Seebald, mal unter die Fäuste kriegen – der kommt uns nicht heil wieder heraus!
Von rechts tritt Schenk auf, bemerkt die beiden, bleibt stehen.
monocole

TIEDTKEN.
Nein – das hätte ich aber nicht gedacht.
beh

STRAUSS.
Ja, schimpfen auf die Arbeiterführer ist leicht. Aber unsereiner, der von jung auf die Kleinarbeit gemacht hat in der Partei, der die Organisation mit hat aufbauen helfen von ihren kümmerlichen Anfängen an – der kennt das Proletariat, der weiß, wo es der Schuh drückt. Das dürfen Sie glauben. Wir haben die Erfahrung. Wir wissen auch jetzt, wie wir das Volk am heilsten durch diese verworrene Zeit bringen. – Realpolitik, mein Verehrter – darauf kommt es an; nicht auf Redensarten und solche Lächerlichkeiten wie das da! – Kommen Sie mit? Ich möchte ein bißchen herumhören.
dude come on

TIEDTKEN.
Wollen wir gleich zur Fabrik hinein?
kittehsmile

STRAUSS.
Ich werde mich hüten. Nein, der Moment kommt noch. Faßt Tiedtken unter. Beide ab in den Hintergrund. Schenk kommt langsam vor, geht am Wirtshaus vorbei. Aus dem Wirtshaus tritt Tessendorff, unauffällig gekleidet.
beh

TESSENDORFF.
Herr Schenk!
monocole

SCHENK
dreht sich um.
Ach so, Sie sind es.
hehehe

TESSENDORFF.
Lassen Sie uns hier vortreten, da sieht man uns nicht. Sie stehen vor der Freitreppe, die sie deckt. Seebald ist hier!
happy

SCHENK.
Ich weiß.
pfftch

TESSENDORFF.
Ja, was meinen Sie denn nun?
concentrated

SCHENK.
Was soll denn ich dazu noch meinen?
happy

TESSENDORFF.
Keine Umstände bitte. Punkt drei Uhr rückt das Militär an. Die Verhaftungen werden von Soldaten vorgenommen.
hehehe

SCHENK.
Was für Verhaftungen?
happy

TESSENDORFF.
Na, Seebald – und was weiß ich!
pfftch

SCHENK.
Sie hatten mir zugesagt, daß außer ihm niemand festgenommen werden soll.
herp

TESSENDORFF.
Sie hatten sich selbst auch eventuell zur Verfügung gestellt. Den geeigneten Moment gegen Seebald müssen Sie kenntlich machen.
dude come on

SCHENK.
Ich? Wie komme ich denn dazu? – Die saubere Arbeit machen Sie gefälligst allein!
hehehe

TESSENDORFF.
Herr Schenk, ich habe eine Quittung von Ihnen bei mir.
dude come on

SCHENK.
Und da meinen Sie, Sie haben mich jetzt in der Hand? Sie können das Geld wiederhaben, Herr Polizeirat!
happy

TESSENDORFF.
Die Polizei macht abgeschlossene Geschäfte nicht rückgängig. Übrigens waren Sie doch heute früh selbst noch der Meinung, daß wir im Falle der Anwesenheit Seebalds einen neuen Plan verabreden müssen. Wollen Sie jetzt, daß er die Leute heimschickt? Es ist doch wohl keine Frage, in welchem Sinne er sprechen wird. Er wird abwiegeln.
dude come on

SCHENK.
Das ist gar nicht sicher.
happy

TESSENDORFF.
Das müssen Sie eben vorher herausbekommen. Wenn er selbst zum Vorgehen aufruft, um so besser! Dann brauchen wir ihn gar nicht festzunehmen. Dann könnten wir mit seiner Verhaftung nur schaden. Sie müssen deshalb vorher mit ihm sprechen und mir, wenn er bremsen will, ein Zeichen machen.
dude come on

SCHENK.
Was für ein Zeichen denn?
happy

TESSENDORFF.
Irgendeins. – Sie könnten ihm zum Beispiel die Hand auf die Schulter legen.
concentrated

SCHENK.
Ich könnte ihm ja auch gleich einen Kuß geben.
herp

TESSENDORFF.
Wenn Sie das lieber wollen.
beh

SCHENK.
Nein, nein! – Es fiel mir nur so ein, vergleichsweise. Also gut, ich werde ihm die Hand auf die Schulter legen.
herp

TESSENDORFF.
In dem Augenblick schicke ich Soldaten vor zu seiner Festnahme. Und dann können Sie ja Ihre Freunde zu Hilfe rufen.
herp

SCHENK.
Daran soll es nicht fehlen.
kittehsmile

TESSENDORFF.
Ich kann mich also auf Sie verlassen.
hehehe

SCHENK.
Aber bilden Sie sich bitte nicht ein, daß ich jetzt einer der Ihrigen bin.
dude come on

TESSENDORFF.
Auf ihre Sympathie legt die Polizei keinen Wert. – Aber ich möchte Sie noch auf eins aufmerksam machen: Handeln Sie gegen die Abrede, das heißt, bekommen Sie selbst Angst vor Ihrer Courage, oder wie man das so nennt – Gewissensbisse –
happy

SCHENK.
Bitte bemühen Sie sich nicht um meine Seele.
beh

TESSENDORFF.
Nicht im mindesten. Ich will Ihnen nur sagen: es kommt genügend Militär, um den ganzen Platz zu umstellen. Es ist beabsichtigt, nur Handwaffen zu gebrauchen. Gehen die Dinge aber nicht nach Wunsch, so sind für alle Fälle auch Maschinengewehre dabei und für den äußersten Fall Flammenwerfer. Was dann noch mit dem Leben davonkommt, wird eingesperrt. Sie wissen jetzt Bescheid.
happy

SCHENK.
Es ist gut.
Tessendorff ab in die Straße hinten rechts. Schenk geht quer über den Platz auf die Fabrik zu. Eine Anzahl Arbeiter kommen ihm entgegen, darunter Marie Klagenfurter.
concentrated

MARIE.
Ich hab's ja erst vor einer Stunde erfahren. Mein Gott, wenn sie ihn nur nicht erschießen!
hehehe

SCHENK.
Sie sind es, Marie!
beh

MARIE.
Gott sei Dank, Schenk! – Sie wissen, daß sie Stefan gefangen haben?
monocole

SCHENK.
Ja, seien Sie nur ganz ruhig. Wir holen ihn heraus.
monocole

ARBEITER.
Jawohl. Wir ziehen zum Militärarrest. – Klagenfurter muß frei werden! Es sammeln sich mehr um die Gruppe.
happy

MARIE.
Meinen Sie nicht, daß ihm dabei etwas passieren kann?
hehehe

SCHENK.
Unsinn. – Nur Ruhe! – Gehen Sie heim und regen Sie sich nicht unnötig auf.
dude come on

FLORA
tritt vor.
Raffael, endlich! – Was steht ihr hier herum? Es ist höchste Zeit! Marie verläuft sich mit vielen andern.
kittehsmile

SCHENK.
Wo ist Seebald?
happy

FLORA.
Ich habe ihn eben noch gesehen. – Wie fühlst du dich?
herp

SCHENK.
Danke, ich bin ganz frisch.
concentrated

FLORA.
Was hältst du davon, daß keine Polizei da ist?
beh

SCHENK
sieht nach der Uhr.
Es wird gleich Militär kommen.
herp

FLORA.
Wieso denkst du?
happy

SCHENK.
Punkt halb vier Uhr wird anmarschiert. Sie können jeden Augenblick hier sein.
happy

FLORA.
Aber woher willst du denn wissen?
pfftch

SCHENK.
Ich weiß es eben.
concentrated

FLORA
sieht ihn scharf an.
Raffael! – Das ist mir unheimlich. Man hört eine Uhr zweimal anschlagen. Aus den Bäumen heraus laufen Arbeiter über den Platz.
kittehsmile

ARBEITER.
Militär kommt! – Militär!!
Großer Aufruhr. Aus dem Fabrikhof strömen Arbeiter heraus. Seebald, Lecharjow, Dietrich, Trotz werden sichtbar. Laßmann, von seiner Frau geführt, trägt eine rote Fahne.
hehehe

LASSMANN.
Mir nach, Genossen!
Niemand kümmert sich um ihn.
Mir nach!
Wird abseits gedrängt.
dude come on

DIETRICH.
Vorwärts, Genossen! Werft den Trambahnwagen um!
hehehe

VIELE.
Den Trambahnwagen! – Barrikaden!
hehehe

LECHARJOW.
Sie sind nicht bei Trost! Was wollen Sie bauen Barrikaden, wenn Sie keine Waffen haben!
dude come on

SEEBALD.
Ich werde den Soldaten entgegengehen – mit ihnen sprechen.
monocole

SCHENK.
Nein, Professor! – Lassen Sie die Leute!
Eine Menge Arbeiter stürzen auf den Trambahnwagen zu, versuchen ihn aus dem Geleise zu heben. Man hört die Tritte anmarschierender Soldaten aus der Straße hinten rechts. Ein Leutnant tritt beim Trambahnwagen vor. Hinter ihm taucht Tessendorff auf.
hehehe

LEUTNANT.
Zu-rück!
Die Masse flüchtet in den Fabrikhof. Wenige stehen vor dem Gitter, darunter Seebald, Lecharjow, Schenk, Flora, Trotz, Dietrich. Soldaten nehmen Gewehr bei Fuß Aufstellung vor der Häuserreihe. Rechts, hinter dem Straßenbahnwagen sieht man zahllose Helme. Der Leutnant, neben ihm Tessendorff, steht vor dem Wagen.
monocole

TROTZ
geht auf die Soldaten zu.
Ihr werdet doch nicht auf eure Volksgenossen schießen!
kittehsmile

UNTEROFFIZIER.
Weg da! – Hier wird nicht verhandelt!
monocole

FLORA.
Wollt ihr Wehrlose angreifen!
beh

SOLDATEN.
Halt 's Maul, Drecksau!
herp

SCHENK
zieht Seebald beiseite.
Jetzt muß es gewagt werden!
hehehe

SEEBALD.
Was! Sie wollen die Menge gegen diese Horde treiben?
monocole

SCHENK.
Nein – Sie müssen es tun. Das wird Eindruck machen!
herp

SEEBALD.
Niemals! Schenk redet weiter auf ihn ein, werden von anderen verdeckt.
kittehsmile

DIETRICH
springt auf den Stein am Eingang.
Zu den im Hof Versammelten. Genossen! Sie haben es gewagt, Soldaten gegen die unbewaffnete Arbeiterschaft loszulassen!
kittehsmile

RUFE.
Pfui! – Nieder!
pfftch

DIETRICH.
Aber sie werden es nicht wagen, auf uns zu schießen, wenn die roten Fahnen uns voranwehen. Denkt an den Genossen Klagenfurter! – Wollt ihr ihn in den Klauen der Militärbestie lassen?
herp

RUFE.
Nein! Nein! – Klagenfurter muß heraus.
dude come on

FLORA
tritt neben Dietrich.
Zum Zeughaus, Genossen! – Wir müssen Waffen haben!
pfftch

RUFE.
Zum Zeughaus! – Zum Zeughaus! Die Menge drängt ungeordnet vor und steht jetzt zum Teil mitten auf dem Platz, den Soldaten gegenüber. In der Mitte vorn Schenk und Seebald.
monocole

SCHENK
zieht einen Revolver aus der Tasche.
Sie sehen doch, Sie können die Menge doch nicht mehr halten. – Nehmen Sie! Gehen Sie voran!
pfftch

SEEBALD.
Behalten Sie Ihre Waffe! – Ich trage keine Waffen!
pfftch

SCHENK.
Ich beschwöre Sie, Mathias Seebald! Legt ihm die Hand auf die Schulter.
happy

SEEBALD.
Nein! Unter keinen Bedingungen!
dude come on

TESSENDORFF
mit sechs bis acht Soldaten auf Seebald zu.
Hier. Das ist er! – Der hat alles verschuldet. Das ist Professor Seebald. – Ich erkläre Sie für verhaftet. Zeigt seinen Ausweis. Soldaten packen Seebald, stoßen ihn mit dem Kolben zurück gegen die Mitte.
dude come on

SEEBALD
zu Schenk.
Raffael! Raffael! – Das hätten Sie nicht tun sollen!
herp

SCHENK.
Hierher! Hierher!! – Sie schleppen Seebald fort!!
monocole

DIETRICH.
Befreit ihn! – Befreit Seebald!! Man hört Kommandorufe. Die Soldaten legen die Gewehre an. Die Menge weicht langsam.
concentrated

DIETRICH.
Angefaßt, wer kein Feigling ist! Faßt Seebald an, versucht ihn herauszuzerren.
pfftch

LEUTNANT.
Feuer!
Salve. Die Menge stiebt in wilder Flucht auseinander, die meisten in den Fabrikhof, viele zwischen die Bäume und in den Hintergrund. Die Soldaten schießen weiter. Dietrich fällt. Man sieht Fliehende stürzen. Flora sinkt vorn am Gitter um. Vom Hintergrund kommt Strauß, ein weißes Tuch schwenkend. Das Feuern hört auf.
beh

STRAUSS.
Es ist genug! Nicht mehr schießen!
Aus dem Kreis der Soldaten wird Seebald wieder vorgestoßen. Die Leiche Dietrichs liegt vorn rechts. Trotz und Fischer treten an sie heran, Schenk schwankt allein ganz fassungslos umher.
kittehsmile

TROTZ
nimmt den Hut ab, ebenso Fischer.
Dietrich! – Er ist für seine Sache gestorben. – Warum hat's mich Alten nicht treffen können? – Er sieht in den Himmel, als begriffe er es noch gar nicht, daß wir verloren haben.
hehehe

FISCHER.
Ich will ihm die Augen zumachen. Tut es.
dude come on

STRAUSS
hat inzwischen mit dem Leutnant verhandelt.
Lassen Sie mich mal vorbei! – Ich muß reden!
beh

TROTZ.
Ist der auch noch hier?
dude come on

STRAUSS
steigt auf den Stein.
Genossen! Ihr braucht keine Furcht mehr zu haben. Ich habe dafür gesorgt, daß nicht mehr geschossen wird. Die Schuldigen werden natürlich zur Verantwortung gezogen. Ihr übrigen wart verhetzt. Die Partei wird veranlassen, daß niemand gemaßregelt wird, der morgen die Arbeit wieder aufnimmt. Geht jetzt in Ruhe nach Hause. Ihr habt jetzt gesehen, daß das nicht das Mittel ist, den Krieg zu beenden. Noch kurze Zeit durchhalten – und Vertrauen zu euern Führern! Dann wird bald Friede sein.
Die Arbeiter zerstreuen sich langsam. Ein paar Fahnen lehnen am Gitter, andere liegen am Boden. Im Vordergrund links machen sich einige, darunter Rosa und Braun, um die verwundete Flora zu schaffen. Trotz und Fischer treten zu ihnen. Lecharjow steht mit verschränkten Armen am Gitter daneben. Seebald, in der Mitte des Platzes, wird von Soldaten beschimpft und bedroht, Schenk in der Mitte allein.
concentrated

STRAUSS
geht auf Seebald zu.
Das ist Ihr eigenes Werk, Herr Professor Seebald!
happy

SEEBALD.
Darüber wollen wir nicht rechten.
Tessendorff geht mit einigen Soldaten umher, weist auf verschiedene Personen, die verhaftet in die Mitte des Platzes geführt werden. Es steht schon ein ganzer Zug beieinander, man bemerkt viele Verwundete und Soldaten, auch Rund unter ihnen.
dude come on

SCHENK
schaut geistesabwesend um sich, schrickt plötzlich auf, stürzt auf Flora zu.
Flora! – Was ist dir?
beh

FLORA
schwach.
Es wird wohl aussein!
dude come on

SCHENK
sinkt bei ihr nieder.
Flora! – Meine –
happy

STRAUSS
zu den Soldaten.
Da, den Rothaarigen – das ist einer der Haupthetzer, den nehmt fest!
pfftch

TESSENDORFF.
Halt! Herrn Schenk geschieht nichts. – Der steht im Dienste der Polizei.
hehehe

SCHENK.
Das ist nicht wahr!
hehehe

TESSENDORFF.
Soll ich die Quittung vorzeigen?
herp

TROTZ
weicht entsetzt zurück.
Aber das – kann doch nicht möglich sein?
herp

SCHENK
beugt sich schluchzend über Flora.
Flora – verstehst du mich?
monocole

FLORA.
Ich mag dich nicht verstehen. Warum hast du kein Vertrauen zu mir gehabt? Sie wird ohnmächtig.
herp

ROSA.
Kommt denn kein Arzt? – Wir können sie doch nicht so hier liegenlassen.
herp

TESSENDORFF.
Da, den Alten nehmt mit und den mit dem verbundenen Kopf, und das Frauenzimmer da.
Trotz, Braun und Rosa werden abgeführt.
happy

SCHENK.
Halt! Sie haben mir versprochen, keiner wird verhaftet.
dude come on

TESSENDORFF.
An solche Pakte fühlt sich die Polizei nicht gebunden. Nur schriftliche Abmachungen gelten.
pfftch

TROTZ.
Wir brauchen deine Fürsprache nicht. Schäm dich, wenn du es noch kannst.
pfftch

FISCHER.
Judas!
Alle machen Schenk mit Zeichen des Ekels und Abscheus Platz, der nach rechts schwankt. Vom Hintergrund kommen Sanitäter mit Tragbahren. Man sieht Soldaten mit Bajonett noch einzelne Gruppen vertreiben.
hehehe

LASSMANN
kommt am Arm seiner Frau von hinten rechts zum Vordergrund.
Sag doch, Thilde – sind viele tot?
hehehe

FRAU LASSMANN.
Ich weiß doch auch nichts. Komm nur, komm! – Ach, es ist schrecklich. – Und morgen auch noch die Wohnung. –
herp

SCHENK
holt sie vor dem Wirtshaus ein, winkt ihr, zu schweigen.
Hier nehmen Sie, Frau Laßmann, für den Hausherrn und für die nächste Zeit. Holt die Brieftasche heraus, gibt ihr das Geld.
herp

FRAU LASSMANN.
Ja, aber nein – soviel Geld! Schenk legt die Hand auf den Mund. Laßmann nach rechts vorn ab.
dude come on

SCHENK
lacht auf.
Die dreißig Silberlinge! Er kommt an die Soldatengruppe, in deren Mitte Seebald steht.
kittehsmile

SOLDATEN.
Schlagt ihm doch gleich den Schädel ein, dem Volksverräter.
kittehsmile

SEEBALD.
Ich bin kein Verräter. Er erhält Kolbenstöße und stolpert.
pfftch

SCHENK.
Schlagt ihn nicht! – Nehmt mich für ihn! – Er ist der Edelste und Beste!
herp

SOLDATEN.
Was will der Kerl? – Ach, das ist der, der seine eigenen Kameraden verraten hat. Gelächter und Gejohle.
kittehsmile

SCHENK.
Mathias Seebald! – Verzeihen Sie mir!
kittehsmile

SEEBALD.
Sie haben es anders gewollt – ich weiß es, Raffael. Er wird unter Geschrei nach rechts gestoßen. Man sieht ihn unter einem Gewehrkolben stürzen. Er wird fortgeschleift.
dude come on

UNTEROFFIZIER
zu den Gefangenen in der Mitte des Platzes.
Hände hoch! Sie gehen mit erhobenen Händen nach rechts hinten ab. Schenk sieht zu, wie Dietrichs Leiche auf eine Bahre gelegt und weggetragen wird. Er steht vor der Freitreppe des Wirtshauses und sieht, wie Sanitäter auch bei Flora eine Tragbahre niederstellen. Nur dort stehen noch Menschen. Weiter zurück sieht man noch Tote liegen. Schenk zieht seinen Revolver aus der Tasche, geht dann nach rechts vorn ab. Unmittelbar darauf fällt ein Schuß.
happy

FLORA
kommt wieder zur Besinnung.
Raffael! Ist Raffael nicht da?
hehehe

LECHARJOW.
Er wird wiederkommen vielleicht.
herp

TIEDTKEN
von rechts, außer Atem.
Flora ist durch die Umstehenden vor ihm verdeckt. Es ist schrecklich! Schrecklich!
monocole

FÄRBER.
Was ist geschehen?
pfftch

TIEDTKEN.
Professor Seebald ist erschlagen worden von den Soldaten – und Schenk hat sich gleich da vorn erschossen.
beh

FLORA.
Er ist tot? – Raffael! – Ich hätte ihn so gerne noch einmal geküßt.
kittehsmile

TIEDTKEN.
Flora! – Du?! –
dude come on

FLORA.
Geh fort! – Geh! – Was hast du mit meinem Tod zu schaffen!
concentrated

LECHARJOW.
Gehen Sie! – Sie will Sie nicht ansehn, jetzt!
Tiedtken tritt zurück.
happy

DR.
KARFUNKELSTEIN tritt von links vorn auf, Notizbuch in der Hand, zu Lecharjow. Entschuldigen Sie bitte! Kann ich mich an Sie wenden um Auskunft?
happy

LECHARJOW.
Schweigen Sie, Mann!
hehehe

FLORA
richtet sich auf.
Verliert den Glauben nicht. – Die Revolution kommt. Der Kommunismus – – Stirbt.
herp

LECHARJOW.
Sie ist hinüber.
hehehe

DR.
KARFUNKELSTEIN. Ja, kann mir niemand Auskunft geben?
happy

FÄRBER.
Donnerwetter, was wollen Sie denn von uns?
hehehe

DR.
KARFUNKELSTEIN. Mein Name ist Dr. Karfunkelstein. Ich bin Korrespondent der Berliner Morgenzeitung. Ich muß den Bericht noch vor sechs hinübergeben. Sonst kommt er nicht mehr rechtzeitig ins Blatt.
happy

LECHARJOW.
Sie wollen hören von uns, was geschehen ist?
beh

DR.
KARFUNKELSTEIN. Ja, ich wäre für recht genaue Details sehr dankbar.
happy

LECHARJOW.
Gut. Schreiben Sie! – Das deutsche Proletariat hat vergossen das erste Blut für den Sieg von Frieden und Freiheit. – Es hat beschritten den Passionsweg der sozialen Revolution und hat besiegelt mit seinem Blut das Bündnis mit seinen kämpfenden Brüdern in Rußland.
Vorhang.

Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2021). Finest Drama Selection. Judas. Ein Arbeiterdrama. Rage Drama. TextGrid. https://hdl.handle.net/21.T11991/0000-001B-947E-F