1830, 5. Februar.
Mit Friedrich von Müller
Von 4 1/2 bis 6 Uhr war ich bei Goethe, zum Theil mit Ottilie. Er war sehr aufgeweckt und wir sprachen viel von der jüngsten Hofmaskerade, was denn zu lebhaften Erinnerungen an den Aufzug von 1810 Anlaß gab. »Mein Gott,« sagte ich, »schon volle 20 Jahre!« »Ja,« erwiederte er, »wenn die Zeit nicht noch so geschwinde liefe, wäre sie gar zu absurd.
›Du gehest vorüber, eh' ich's merke, und verwandelst dich, eh' ich's gewahr werde‹, steht im Hiob; ich hab' es zum Motto meiner Morphologie genommen.«
Er war sehr böse, ja zornig, daß man wagen wollte, der Großherzogin-Mutter den Maskenzug vorzuführen; »wenn man 80 Jahr alt ist, darf man grob sein, und ich will es auch sein.«
Er zeigte mir eines Berliner Professors 1 neuestes[201] Werk über die Weisheit des Empedokles, lobte es, fügte aber alsbald hinzu: »Glücklich alle, die sich nicht mit solchem abstrusen Zeug abzugeben haben!«
1 Verwechslung! Damals war ›Faust‹ ja schon sogar in Weimar aufgeführt gewesen! Überhaupt fordert Förster's Erzählung zersetzende Kritik heraus.