1826, 19. Mai.
Mit Sulpiz Boisserée
Vor Tische zeigte mir der Alte seine Portraitsammlung von Schmeller [der Zeichnungen von Goethes[285] Freunden für diesen besorgte]; ich mußte mich setzen, er hielt mir stehend jedes Blatt vor. Wir aßen zu Mittag in dem kleinen, an den Saal anstoßenden Zimmer.
Lebhaftes Gespräch über die Symboliker. Der alte Herr ist im Zorn gegen Schorn. »Ich bin ein Plastiker,« sagte er, auf die Büste der Juno Ludovisi im Saal zeigend, »habe gesucht, mir die Welt und die Natur klar zu machen, und nun kommen die Kerls, machen einen Dunst, zeigen mir die Dinge bald in der Ferne, bald in einer erdrückenden Nähe wie Ombres Chinoises; das hole der Teufel!« Ich äußere meine Meinung, daß ich auch keineswegs mit der Ansicht und Manier von Creuzer und Görres zufrieden sei, und daß ich mit dem erstern darüber oft gesprochen, aber ich könne auch der trocknen, breiten, hölzernen Ansicht von Voß nicht beistimmen, und durchaus könne ich nicht leiden, daß man wegen Verschiedenheit der Meinungen die Personen verketzere und verleumde, wie Voß es gethan; ich will Freiheit der Meinung. Dann ging Goethe soweit zu behaupten, Personen lassen sich nicht von der Sache trennen.
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