1798, September (?).


Bei Proben zu »Wallensteins Lager«

Goethes Thätigkeit bei der Inscenirung war unermüdlich. Hofrath Meyer mußte alle möglichen Holzschnitte, welche Scenen aus dem Lagerleben des dreißigjährigen Krieges darstellten, herbeischaffen, um die Gruppen auf der Bühne darnach zu stellen; sogar eine alte Ofenplatte, worauf eine Lagerscene aus dem siebzehnten Jahrhundert sich befand, wurde einem Kneipenwirth [193] in Jena zu diesem Zweck entführt. Goethe leitete das Studium der Schauspieler und stattete an Schiller (nach Jena) genauen Bericht ab; bis zur letzten Probe veränderte Schiller noch dieses und jenes. Mir [Anton Genast] war der Dragoner zugetheilt worden. Eines Tages jedoch ließ mich Goethe zu sich rufen und theilte mir mit, daß Schiller gesonnen sei, noch einen Kapuziner in das Lagerleben hineinzubringen, der den Soldaten predigen sollte; da Schiller dabei um Rath frage, so habe er ihm einen Band des Abraham a Sancta Clara gesandt und mich zum Darsteller der drastischen Figur, welche der Kapuziner abgeben würde, vorgeschlagen. »Da Ihr,« sagte er »viel mit solchen Kuttenmännern in Berührung gekommen seid, so werdet Ihr gewiß den Ton treffen, der zu einem solchen Feldpfaffen gehört. Schickt Euren Dragoner in meinem Namen an Benda.«

– – –

Meinem Collegen Becker hatte Goethe den zweiten Holk'schen Jäger zugetheilt. Obgleich Becker von Anfang an mit dieser untergeordneten Rolle sehr unzufrieden war und weit lieber den Wachtmeister gespielt hätte, getraute er sich doch nicht, die Annahme desselben zu verweigern, so lange ich in Besitz einer ähnlichen war; kaum hörte er aber von dem mir übertragenen Kapuziner, so erklärte er mir auch schon, daß er den Jäger nicht spielen würde und beauftragte mich als fungirenden Wöchner, dies dem Herrn Geheimen Rath [194] zu melden. Mir ward nicht wohl bei der Commission, und ich kleidete sie wenigstens in die etwas gefälligere Form einer Bitte meines Collegen. Nichts destoweniger gerieth Goethe in den heftigsten Zorn, bestand darauf, daß Becker die Rolle spielen müsse und setzte hinzu: »Sagen Sie dem Herrn Becker: wenn er sich dennoch weigern sollte, so würde ich die Rolle selber spielen.« Becker weigerte sich aber nicht mehr.

[195]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1798. 1798, September (?). Bei Proben zu »Wallensteins Lager«. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A7A6-8