i.

Von Lessing's Verdienst, Talent und Scharfsinn, und wie derselbe allem höhern Bestreben in Deutschland, Friedrich dem Großen, Voltaire, Gottsched und allen Verehrern des französischen Theaters gegenüber in seiner »Hamburgischen Dramaturgie« die Bahn brach und zugleich durch Einführung des Shakespeare eine neue Periode begründete, die mit dem künftigen Aufschwunge unserer Litteratur auf's Innigste zusammenhing, sprach Goethe mit der größten Anerkennung. Als Exposition habe vielleicht die ganze neue dramatische Kunst nichts so Unvergleichliches aufzuweisen, als die ersten beiden Aufzüge der »Minna von Barnhelm«, wo Schärfe des Charakters, ursprünglich deutsche Sitte mit einem raschen Gange in der Handlung auf's Innigste verbunden sei. Nachher sinke freilich das Stück und vermöge kaum nach dem einmal angelegten Plane sich in solcher Höhe zu behaupten; das könne aber dies Lob weder schmälern, noch solle man es deshalb zurücknehmen. In der »Emilia Galotti« sei ebenfalls das Motiv meisterhaft und zugleich höchst charakteristisch, daß der Kammerherr dem Prinzen Emilia Galotti [354] sicher auf seinem Wege zugeführt haben würde, daß aber der Prinz dadurch, daß er in die Kirche geht und in den Handel hineinpfuscht, dem Marinelli und sich selber das Spiel verdirbt. Nicht immerdar schön sei die Art, wie Lessing das Schicksal in der »Emilia Galotti« einführt. Ein Billet, das der Prinz an seine ehemalige Geliebte, die Gräfin Orsina, schrieb, und worin er sich ihren Besuch auf morgen verbittet, wird eben dadurch daß es zufällig liegen blieb, – wenn Zufall, wie die Gräfin selbst sogleich hinzusetzt, in solchen Dingen nicht Gotteslästerung genannt werden müßte – die gelegentliche Ursache, daß die gefürchtete Nebenbuhlerin, weil man ihr nicht abgesagt, gerade in demselben Augenblicke ankommt, wo Graf Appiani erschossen, die Braut in das Lustschloß des Fürsten durch Marinelli eingeführt und so dem Mörder ihres Bräutigams in die Hände geliefert wird. »Dies sind Züge einer Meisterhand, welche hinlänglich beurkunden, wie tiefe Blicke Lessing in das Wesen der dramatischen Kunst vergönnt waren. Auch seid versichert: wir wissen recht wohl, was wir ihm und seinesgleichen, insbesondere Winckelmann schuldig sind.«

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. Zeitlich ungewiß. 915. * : Erzählungen von Johann Daniel Falk. i.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A70D-F