1823, 29. September.
Mit Friedrich von Müller,
Heinrich Meyer, Friedrich Wilhelm Riemer
und Christoph Friedrich Ludwig Schultz
Von 7-11 1/2 Uhr war ich bei Goethe; auch Meyer, Riemer, Staatsrath Schultz von Berlin waren anwesend. Letzterer erschien als ein gar seiner verständiger, [280] in sich gefaßter Mann, dessen edle Physiognomie auf körperliche Leiden und Tiefe der Reflexion deuteten. Eine Mappe Kuferstiche aus Rafael's Zeit ward durchgesehen. Nach dem Souper, – das erste wieder nach langer Zeit – zeigte Goethe drei herrliche, bronzene Medaillen aus dem 15. Jahrhundert. Auf der einen wird ein Reh von jungen Adlern zerfleischt, oben thront ein großer Adler; die Umschrift lautet: »Liberalitas augusta.« Goethe besitzt an 2000 solcher bronzenen Medaillen, von denen er viele mit einem Speciesthaler bezahlte. Erst durch die Übersetzung von Cellini kam er auf die Idee, Medaillen der Päpste und ihrer Zeit zu sammeln. Von Martin V. an besitzt er eine vollständige Folge aller Köpfe. Die Ordnung derselben veranlaßte ihn, über die Kunst und Schwierigkeit zu sprechen, Briefe, Aufsätze, Merkwürdigkeiten jeder Art gehörig zu reponiren, und wie man außerdem seines Besitzes nie froh werde. Die schöne Gonzaga, deren Bild im hiesigen Museum hängt, sei an einen Trivulzio 1 zu Mantua, circa im Jahre 1500, verheirathet gewesen. Als er den Schenkischen 2 Terzinen über Canova's Tod Lob spendete, bemerkte er: »Terzinen müssen immer einen großen, reichen Stoff zur Unterlage haben, wenn sie gefallen sollen.«
[281] Nach Tische sprachen Riemer und Goethe über die Tropen und deren Durchführung. Die neuern Pedanten verlangen letztere bis zum äußersten Punkt; Goethe springt gerne ab, wie ja auch die Phantasie es thut, häuft daran mehrere, um eine durch die andere zu erklären. Riemer erläuterte an Beispielen aus dem gemeinen Sprachgebrauch, wie man ohne Vermischung der Tropen gar nicht fortkommen könne, z.B. etwas in Werk setzen.
1 Ein Irrthum, vergl. v. Zahn. Katalog des weimar. Museums 1. Ausg. pag. 26.