1830, 2. Juli.
Mit Friedrich von Müller
Er lobte meine Rede am Johannisfest. 1 Ein mäßiger Enthusiasmus, wie er sich nothdürftig rechtfertigen läßt; alles wohl zusammen gestellt, gute rhetorische Motive: »Ich bin alt genug, um das, was mir zu Ehren geschrieben wird, wie ein Unparteiischer beurtheilen und loben zu können.«
Sodann zeigte er eine herrliche Handzeichnung von Ludwig Carracci, ein Wunder mit verwandelten Rosen vorstellend, und stimmte in mein Lob über L'âne mort et la femme guillotinée [von J. Janin].
»Der ärgerliche Fall 2 mit Reinhard's Schwiegersohn ist ein wahrhaft tragischer; denn tragisch nenne[319] ich eine Situation, aus der kein Ausgang war, keine Composition gedenkbar ist.«
Zufriedenheit mit meinen Äußerungen über die Geschichte seines botanischen Studiums.
»Man darf die Grundmaxime der Metamorphose nicht allzu breit erklären wollen; wenn man sagt: sie sei reich und productiv wie eine Idee, ist das beste. Man muß lieber sie an einzelnen Beispielen verfolgen und anschauen.
Das Leben kehrt eben so gut in der kleinsten Maus wie im Elephanten-Koloß ein und ist immer dasselbe; so auch im kleinsten Moos wie in der größten Palme.«
Als ich sagte: das unendlich üppige Entfalten des kleinsten Samenkorns zu einem riesenhaften Baume sei wie eine Schöpfung aus Nichts, erwiederte er: »Ja, aus Etwas. Verstünde die Natur nicht, auch das Kleinste, uns gänzlich Unmerkbare im Raume zusammen zu ziehen und zu consolidiren, wie sollte sie es da anfangen, ihren unendlichen Zwecken zu genügen?«
1 In der Loge Amalia zur Feier des 50jährigen Maurerjubiläums.