1827, 16. Februar.
Mit Johann Peter Eckermann
Ich erzählte Goethen, daß ich in diesen Tagen Winckelmann's Schrift ›Über die Nachahmung griechischer Kunstwerke‹ gelesen, wobei ich gestand, daß es mir oft vorgekommen als sei Winckelmann damals noch nicht Völlig klar über seine Gegenstände gewesen.
»Sie haben allerdings recht,« sagte Goethe, »man trifft ihn mitunter in einem gewissen Tasten; allein, was das Große ist, sein Tasten weist immer auf etwas hin; er ist dem Columbus ähnlich, als er die Neue Welt zwar noch nicht entdeckt hatte, aber sie doch schon ahnungsvoll im Sinne trug. Man lernt nichts wenn man ihn liest, aber man wird etwas.
Meyer ist nun weiter geschritten und hat die Kenntniß der Kunst auf ihren Gipfel gebracht. Seine ›Kunstgeschichte‹ ist ein ewiges Werk, allein er wäre das nicht geworden, wenn er sich nicht in der Jugend an Winckelmann hinaufgebildet hätte und auf dessen[61] Wege fortgegangen wäre. Da sieht man abermals, was ein großer Vorgänger thut, und was es heißt, wenn man sich diesen gehörig zunutze macht.«
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