1830, 28. Juni.
Mit Friedrich von Müller
Über drei Stunden weilte ich bei ihm. Er war heiterer Laune und sehr mittheilend, zeigte mir eine Menge eigener Zeichnungen. »Es kann nicht Alles gerathen wie es sollte; das ist eben das Leben; was ist's nun weiter? Erhard, der Arzt, den Varnhagen 1 trefflich schildert, war eben auch ein hübsches Talent, [316] ein guter Kopf, aber einer von den unzulänglichen Menschen, die einem so viel Qual machen, weil sie sich einbilden etwas zu sein, etwas zu können, etwas zu sollen, dem sie nicht gewachsen sind, und aus ihrer Sphäre herausgehen.«
Als ich mich über Varnhagen's Productivität wunderte, sagte er: »O Gott, der Tag ist lang, man kann entsetzlich viel thun, wenn man mit Folge arbeitet und Langeweile flieht.« Als ich ihm Elsholtzens »Hofdame« 2 gab, entgegnete er: »Die guten Menschen, wenn sie nur auch was Gutes machen könnten!«
Dann erzählte er vom Aufbau des Klosters im Park und von der Wiederauffindung des darauf bezüglichen Sigmund v. Seckendorfischen Gedichtes. 3
Bonnet nannte er den wackern, guten Naturhans! »Voltaire, einer der größten Geister, hatte im hohen Alter die Schwachheit, noch ein neues Trauerspiel von sich aufführen zu lassen; ich dagegen spüre immer mehr Neigung, das Beste was ich gemacht und noch machen kann, zu secretiren.«
Er erzählte von der ehemaligen Freitagsabendgesellschaft bei sich zu literarischen Zwecken. Der Herzog habe öfters beigewohnt und einst, als ihm eine Vorlesung des Staatsraths, damaligen Hofmedicus Hufeland sehr gefallen, alsobald beschlossen, ihn zum Professor [317] in Jena zu machen. Überhaupt habe der Herzog eine wahre Passion für Jena gehabt. Jene literarische Gesellschaft, wie überhaupt alles Gemeinsame, Harmonische unter Weimars ersten Männern habe eigentlich Böttiger gestört durch seine Klatschereien. Alles was er zu sehen oder zu hören bekommen, habe er nur zu seinen egoistischen Zwecken zu benutzen gestrebt.
1 Denkwürdigk. des Philosophen und Arztes Jh. Benj. Erhard Stuttgart 1830.