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Nachts um 3 Uhr reiste ich von Naumburg ab, kam .... [den 11. December] Mittags um 3 Uhr allhier an. Ich zog mich gleich an und ließ mich nach Goethes Haus führen, das sehr nett und schön da steht. Er war aber krank, vorher bedeutend krank gewesen und jetzt in der Besserung, daß er mich nicht annehmen konnte, also gab ich Arnim's Brief ab. Ich ging dann zu der Dame Schopenhauer, die hier die Honneurs macht, und überreichte meinen Brief; wohin bald Goethes Bedienter kam und mir sagte, Herr Doctor Riemer, Goethes Sekretär, werde mich in die Comödie abholen. Das geschah dann und wir gingen in Goethes Loge, die unter der fürstlichen ist .... Goethes Bedienter bat mich, den andern Tag erst auf die Bibliothek zu gehen und dann um 12 Uhr zu dem Geheimen Rath zu kommen. Auf der Bibliothek wurde ich artig genug empfangen und um 12 Uhr ging ich dann hin .... Hier mußt' ich einige Zeit warten, daraus trat er selbst hinein, ganz schwarz angezogen mit den bei den Orden und ein wenig gepudert. Ich hatte nun sein Bild oft gesehen und wußte es auswendig, und dennoch, wie wurde ich überrascht über die Hoheit, Vollendung, Einfachheit und Güte dieses Angesichts. Er hieß mich [287] sehr freundlich sitzen und fing freundlich an zu reden; was er gesagt, sag' ich Dir mündlich wieder, aufschreiben kann ich es nicht: er sprach von dem Nibelungenlied, von der nordischen Poesie, von einem Isländer Ar[e]ndt, der eben dagewesen und ein vollständiges Manuscript der Edda Saemundina gehabt, aber höchst bizarr und ungenießbar und starr gewesen, von Oehlenschläger, von den alten Romanen, er lese eben den »Simplicissimus«, und dergleichen, und ich mußte ihm meine Übersetzung der »Kämpe Viser« geben. Ich blieb fast eine Stunde da, er sprach so freundlich und gut, daß ich dann immer nicht daran dachte, welch ein großer Mann es sei, als ich aber weg war oder wenn er still war, da fiel es [mir] immer ein, und wie gütig er sein müsse und wenig stolz, daß er mit einem so geringen Menschen, dem er doch eigentlich nichts zu sagen habe, reden möge.