1809, 2. bis 4. November.


Mit Adam Oehlenschläger

Goethe empfing mich höflich aber kalt und beinahe fremd. Hatten so viele andere nachherige Ereignisse »das Andenken guter Stunden«, das mir so theuer und unvergeßlich war, in seiner Seele ausgelöscht? .... Freilich suchte ich den Schmerz zu unterdrücken, auch hoffte ich, wenn ich Goethe meinen »Correggio« vorgelesen hätte, daß das alte Verhältniß wieder eintreten sollte. Aber daraus ward nichts! Als ich ihm durch Riemer sagen ließ, ich hätte eine neue Tragödie geschrieben, die ich ihm vorzulesen wünschte, ließ er mir sagen: Ich möchte ihm das Manuscript geben, er wolle [280] es gern selbst lesen. – ich sagte: »Er kann es nicht selbst lesen, ich habe nur eine schlecht geschriebene Kladde bei mir, voll umgeschriebener Worte und Veränderungen.« Doch gab ich Riemer das Manuscript. Er brachte mir es zurück und sagte, Goethe könne es freilich nicht lesen. Das schmerzte mich, doch suchte ich mich aufrecht zu halten und guter Dinge zu sein. Goethe lud mich höflich zweimal zu Tische, und da war ich keck und satirisch, weil ich nicht kindlich und herzlich sein konnte. Unter anderm recitirte ich einpaar Epigramme, die ich nie habe drucken lassen, auf einpaar bekannte Schriftsteller. Goethe sagte hier wieder gemüthlich: »So etwas sollt Ihr nicht machen! Wer Wein machen kann, soll keinen Essig machen.« Ich: »Haben Sie denn keinen Essig gemacht, Herr Geheimrath?« Goethe: »Teufel noch einmal! weil ich es gemacht habe, ist es darum recht?« Ich: »Nein! Indeß wo Wein gemacht wird, fallen viele Trauben ab, die zum Wein nichts taugen, sie können aber einen guten Weinessig geben; und Essig ist gut gegen Fäulniß!«

[281]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1809. 1809, 2. bis 4. November. Mit Adam Oehlenschläger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A4A6-2