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»Der Mensch ist brevis aevi,« liebte Goethe besonders oft zu sagen, wenn er überhaupt auf das Unvollendete, Unzulängliche, Unerreichte im menschlichen Leben, Thun und Treiben hindeuten wollte, aber zugleich auch auf sein eigenes Streben, nur bald mit etwas fertig zu werden, nicht erst lange Entwürfe auszuspinnen, etwas ohne Aufschub zu genießen, »daß schöne Stunden im Fluge genossen werden müssen« – auch selbst »Begeisterung keine Häringswaare sei, die man einpökelt auf viele Jahre«. Oft verband er damit die Worte des persischen Gesandten: »Der Mensch lebe nur fünf Tage« und »Gott sei barmherzig«. Mit diesen Fünf zielt er auf das, was bereits Saadi einem Herrscher und Befehlshaber einschärft, jede Stunde der Herrschaft Gottes zu betrachten, eingedenk zu sein des Wechsels der Zeit und die Übertragung der Herrschaft [173] von Gott auf den Menschen zu erwägen, auf daß er sein Herz nicht hänge an diese fünf Tage Frist auf Erden etc.

Da für Goethen, bei solcher Gesinnung, die Zeit »Etwas« war, »Leben« und »selbst ein Element«, und daß nichts höher zu schätzen sei als der Werth des Tages; daß es besser sei, das geringste Ding von der Welt zu thun als eine halbe Stunde für gering zu halten, und er darin ganz mit Leibnitzens Wahlspruch: pars vitae, quoties perditur hora, perit, übereinstimmte; auch mit Friedrichs des Großen Sentenz, jener des Seneca: Temporis unius honesta avaritia est, nachgebildet: le temps est le seul dont l'avarice soit louable – so mußte das Amici fures temporis auch eines seiner Brocardica sein, zu dessen Ausdruck ihm leider oft genug Einheimische wie Fremde, besonders Individuen von außerordentlicher Schwatzhaftigkeit, Druckserei und Sitzvermögen, Gelegenheit gaben. Manche Äußerung gegen Zelter über Fremde, die nichts bringen und nichts mitnehmen, ist daraus erklärbar.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. Zeitlich ungewiß. Zwischen 1804 und 1812 (?).: Mit Friedrich Wilhelm Riemer u.a.. h.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A408-8