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Goethe.. empfing mich väterlich; ich aß oft bei ihm, und ich mußte ihm meinen ganzen »Aladdin« und »Hakon Jarl« aus dem Stegreif deutsch vorlesen. Da machte ich mich denn vieler Dänismen schuldig; er verwarf sie aber nicht alle; er meinte, die beiden verwandten [28] Sprachen, aus Einer Wurzel entsprungen, könnten einander mitunter mit guten Worten schwesterliche Geschenke machen. »Hm! Das ist hübsch,« sagte er mitunter, wenn ich etwas vorlas. »Sagen sie denn das so deutsch?« frug ich. »Nein, wir sagen es nicht, könnten es aber sagen.« – »Soll ich denn ein andres Wort brauchen?« – »Nein, thun Sie das nicht.« – Einen Mann, der mich in Berlin gekannt hatte und nach Weimar kam, fragte Goethe: »Kennen Sie etwas von Oehlenschläger?« – »Nein!« war die Antwort; »aufrichtig, ich mag die deutsche Sprache nicht radebrechen hören.« – »Und ich,« antwortete Goethe mit imposantem Gefühle, »mag die deutsche Sprache sehr gern in einem poetischen Gemüthe ent stehen sehen.«

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Das Nibelungenlied war eben herausgekommen, und Goethe las uns einige Gesänge vor. Weil nun vieles in der alten Sprache mit altdänischen Worten verwandt ist, so konnte ich ihnen manches deuten, was die andern nicht gleich verstanden. »Sieh einmal!« rief dann Goethe lustig, »da haben wir wieder den verfluchten Dänen!« – »Nein, Däne!« sagte er einmal in demselben Tone: »hier kommt etwas, was Ihr doch nicht hättet sagen können:

Es war der große Siegfried, der aus dem Grase sprang,
Es ragete ihm vom Herzen eine Speerstange lang. –

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Es ragete ihm vom Herzen eine Speerstange lang« – wiederholte er staunend, die Worte stark betonend, in seinem Frankfurter Dialect: »Das ist capital!«

Einmal bei Tische sprach er so feurig und mit so vieler Achtung und Kraft für Bürgerrecht und Bürgerehre gegen einen kalten Hofmann, der zur Unzeit über das wackere Betragen eines Bürgers spotten wollte, daß ich es nicht lassen konnte, als der Fremde weg war, ihm um den Hals zu fallen und ihn zu küssen. »Ja, ja, lieber Däne!« sagte Goethe: »Ihr meint's auch treu und gut in der Welt.«

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Als ich wegreiste, schrieb ich eine dänische Übersetzung des Erlkönigliedes in's Stammbuch des jungen Goethe und zum Schluß die deutschen Zeilen:


Erinnern Sie sich, wenn längst ich schied,
Bei der Überesetzung des Vaters Lied
Des Dichters vom Lande, wo Nacht und Wind,
Und Elf' und Schauder zu Hause sind.
In Weimar weht es schon mehr gelind;
Gott segne den Vater mit seinem Kind.

»Ja, ja!« sagte Goethe, als er es gelesen hatte, mir freundlich in's Auge blickend und die Hand auf meine Schulter legend: »Ihr seid ein Poet.«

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Goethe hatte versprochen, meinen »Hakon Jarl«, wenn er von mir schriftlich übersetzt wäre, auf die deutschen Bühnen zu bringen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1806. 1806, Mai und Juni.: Mit Adam Oehlenschläger. a.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A3D9-7