1821, 4. November.
Mit Felix Mendelsohn-Bartholdy u.a.
Jetzt hört alle auf! Heute ist Dienstag. Sonntag kam die Sonne von Weimar, Goethe, an. Am Sonntag gingen wir [Felix und Zelter] in die Kirche .... Nachher ging ich nach dem »Elefanten«, wo ich Lukas Cranach's Haus zeichnete. Nach zwei Stunden [135] kam Professor Zelter: Goethe ist da! Der alte Herr ist da! Gleich waren wir die Treppe hinunter in Goethes Haus. Er war im Garten und er kam eben um eine Ecke herum; ist dies nicht sonderbar, lieber Vater! ebenso ging es auch Dir. Er ist sehr freundlich, doch alle Bildnisse von ihm finde ich nicht ähnlich. – Er sah sich seine Sammlung von Versteinerungen an, welche der Sohn geordnet, und sagte immer: »Hm! Hm! Ich bin recht zufrieden.« Nachher ging ich noch eine halbe Stunde im Garten mit ihm und Professor Zelter. Dann zu Tisch. Man hält ihn nicht für einen Dreiundsiebziger, sondern für einen Funfziger. Nach Tisch bat sich Fräulein Ulrike, die Schwester der Frau v. Goethe, einen Kuß aus, und ich machte es ebenso. Jeden Morgen erhalte ich vom Autor des »Faust« und des »Werther« einen Kuß und jeden Nachmittag vom Vater und Freund Goethe zwei Küsse. Bedenkt! .... Nachmittags spielte ich Goethe über zwei Stunden vor, theils Fugen von Bach, theils phantasirte ich. Den Abend spielte man Whist, und Zelter, der zuerst mitspielte, sagte: »Whist heißt: Du sollst das Maul halten!« Ein Kraftausdruck! Den Abend aßen wir alle zusammen, auch sogar Goethe, der sonst niemals zu Abend ißt. Nun, meine liebe hustende Fanny! Gestern früh brachte ich Deine Lieder der Frau v. Goethe, die eine hübsche Stimme hat; sie wird sie dem alten Herrn vorsingen. Ich sagte es auch schon, daß Du sie gemacht hättest und fragte, ob er sie wohl [136] hören wollte. Er sagte: »Ja, ja! Sehr gerne!« Der Frau v. Goethe gefallen sie besonders. Ein gutes Omen. Heute oder morgen soll er sie hören.
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