1775, Ende Februar und Anfang März.
Mit Georg Melchior Kraus
Nun hören Sie, was Goethe sagt. Dieser hat mich schon etliche Male besucht. Des Hn. Hofraths Wieland Portrait lobt er über alle Maaßen; diese ganze Familie gefällt ihm. Carolinchen heißt er seine Favorite: »Man sieht ihr die Gutheit in ihren Gesichtszügen. Sophiechen – sagt er – ist eine kleine Schönheit, aber etwas schalkhaft und gefährlich. Die wird Männer rasen machen! Dorchen ist ein kleiner Teufel, Malchen [33] sehr unschuldig und angenehmes Kind.« Das ist das Urtheil von Goethe über diese Portraits, welches er, wie er mir noch heute sagte, selbsten an Hn. Hofrath schreiben wird. Die Anordnung vom ganzen Bild gefällt ihm nach meiner Skizze sehr wohl, nur mit der Einrichtung des Zimmers ist er nicht ganz zufrieden; es scheinen ihm die darinnen angebrachten Meubles zu reich und prächtig für einen Autor zu sein. Daran läßt sich denken und ändern ohne dem Ganzen zu schaden. Goethe ist jetzt lustig und munter in Gesellschaften, geht auf Bälle und tanzt wie rasend; macht den Galanten beim schönen Geschlecht. Das war er sonsten nicht. Doch hat er noch immer seine alte Laune. Im eifrigsten Gespräch kann ihm einfallen aufzustehen, fortzulaufen und nicht wieder zu erscheinen. Er ist ganz sein, richtet sich nach keiner Menschen Gebräuche; wenn und wo alle Menschen in feierlichsten Kleidungen sich sehen lassen, sieht man ihn im größten Négligé und ebenso im Gegentheil. Goethe will oft zu mir kommen und bei mir zeichnen, welches ich ihm sehr gerne erlauben werde. Er hat seit einem Jahr viel gezeichnet und auch etwas gemalt. Viele Schattenbilder und auch andere Gesichter im Profil macht er, trifft öfters recht gut die Gleichheit ..... Goethe hat mir angekündigt, daß ich in hiesiger Stadt nicht viel Subscribenten für Ihren Don Quixote anwerben würde. Ein garstiges Zeichen vom Geschmack meiner Landsleute.
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