1829, Ende Januar.


Mit Johann Peter Eckermann

Ich bin jetzt mehr bei Goethe, als je; seit vierzehn Tagen esse ich jeden Mittag mit ihm allein und erquicke mich an seinen himmlischen Gesprächen. In den letzten Tagen hat Goethe sich einige Male nach Ihnen [Auguste Kladzig] erkundigt, welches ich Ihnen sagen muß. Er erzählte mir nämlich, daß der »Faust« in Braunschweig auf die Bühne gebracht worden und zeigte mir einen Brief von Klingemann, worin dieser schrieb, mit wie großem Beifalle das Stück aufgenommen und wie die drei Hauptfiguren – Faust, Mephistopheles und das Gretchen – nach der Vorstellung herausgerufen wurden. Da das Stück nun sich über alle deutsche Bühnen verbreiten wird, und wir es auch hier hoffentlich bald sehen werden, so sprachen wir über die Besetzung. La Roche gaben wir den Mephistopheles und freuten uns, daß dieser bedeutende Künstler eine neue Gelegenheit fände, sein Studium und Talent auf eine Rolle zu verwenden, die ihm zur Entwickelung seiner Kräfte die reichsten [1] Anlässe giebt. Über Faust und Gretchen waren wir nicht entschieden. »Es ist schade,« sagte Goethe, »daß die Kladzig als Künstlerin nicht ausgebildet genug ist; sie ist schön, sie hat den Wuchs, sie hat die Jugend: das wäre ein Gretchen!« – »Ja,« sagte ich, »es ist schade!« Ich sagte keine Silbe weiter, aber in meinem Innern wirkten Goethes Worte fort, und ich freute mich, daß er Ihrer gedachte.

[2]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1829. 1829, Ende Januar. Mit Johann Peter Eckermann. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A2E0-E