1826, 24. Juni.
Mit Friedrich von Müller u.a.
Herrlicher Sommerabend! Ich war im Garten bei Goethe. Die Stadtmusici spielten trefflich auf. Der neue Arzt Vogel, Riemer und Coudray waren da, später der Sohn und die Frau Oberkammerherrin. Als »einsam bin ich, nicht alleine« aus Preciosa von Weber gespielt wurde, war Goethe höchst unzufrieden: »Solche weichliche, sentimentale Melodien deprimiren mich; ich bedarf kräftiger, frischer Töne, mich zusammen zu raffen, zu sammeln. Napoleon, der ein Tyrann [296] war, soll sanfte Musik geliebt haben; ich vermuthlich, weil ich kein Tyrann bin, liebe die rauschenden, lebhaften, heitern. Der Mensch sehnt sich ewig nach dem, was er nicht ist.«
Als ich die »Galoppka« einen Todtentanz für die Damen genannt hatte, hielt er mir halb ernst, halb scherzhaft einen langen Strafsermon. Ebenso als ich von Salvandy's Diatriben gegen die Minister sprach.
Die Langbein'schen Gedichte 1 auf Haydn und Mozart lobte er zwar, setzte aber hinzu, es sei alles, nur keine Poesie.
Als ich von der Behauptung des Journals des Débats sprach, daß eine Melodie aus dem Freischütz Motive aus Rousseau's Musik enthalte, schalt er lebhaft alles solches Nachgrübeln von Parallelstellen. Es sei ja alles, was gedichtet, argumentirt, gesprochen werde, allerdings schon dagewesen, aber wie könne denn eine Lectüre, eine Conversation, ein Zusammenleben bestehen, wenn man immer opponiren wolle: Das habe ich ja schon im Aristoteles, Homer und dergl. gelesen. Kurz, er war ziemlich negirend, ironisch, widersprechend.
1 Nach der ungenauen Erzählung Grüner's würden die Vorgänge vom 3. September schon Tags zuvor stattgefunden haben.