c.

Treu der Natur hingegeben, wie Goethe war, liebte er es auch, mit geheimnißvollen Einleitungen und Andeutungen über ihr Wirken und ihre Producte zu sprechen. So führte er mich einst zu seiner Naturaliensammlung und sagte sodann, indem er mir ein Stück Granit in die Hand gab, das sich durch höchst seltsame Übergänge auszeichnete: »Da, nehmen Sie den alten Stein zum Andenken von mir! Wenn ich je ein älteres Gesetz in der Natur auffinde, als das ist, welches sich in diesem Producte darlegt, so will ich Ihnen auch ein Exemplar davon verehren und dieses hier zurücknehmen. Bis jetzt kenne ich keins, bezweifle auch sehr, daß mir je etwas Ähnliches, geschweige denn Besseres von dieser Art zu Gesichte kommen wird. Betrachten Sie mir ja fleißig diese Übergänge, worauf am Ende alles in der Natur ankommt. Etwas, wie Sie sehen, ist da, was einander aufsucht, durchdringt und, wenn es eins ist, wieder einem Dritten die Entstehung giebt. Glauben Sie nur: hier ist ein Stück von der ältesten Urkunde des Menschengeschlechts. Den Zusammenhang aber müssen Sie selbst entdecken. Wer es nicht findet, dem hilft es auch nichts, wenn man es[341] ihm sagt. Unsere Naturforscher lieben ein wenig das Ausführliche. Sie zählen uns den ganzen Bestand der Welt in lauter besondern Theilen zu und haben glück lich für jeden besondern Theil auch einen besondern Namen. Das ist Thonerde! Das ist Kieselerde! Das ist dies und das ist das! Was bin ich nun aber dadurch gebessert, wenn ich auch alle diese Benennungen innehabe? Mir fällt immer, wenn ich dergleichen höre, die alte Lesart aus Faust ein:

Encheirisin naturae nennt's die Chemie;
Bohrt sich selber Esel und weiß nicht wie!

Was helfen mir denn die Theile? was ihre Namen? Wissen will ich, was jeden einzelnen Theil im Universum so hoch begeistigt, daß er den andern aufsucht, ihm entweder dient oder ihn beherrscht, je nachdem das allen ein- und aufgeborne Vernunftgesetz in einem höhern oder geringern Grade den zu dieser, jenen zu jener Rolle befähigt. Aber gerade in diesen Punkten herrscht überall das tiefste Stillschweigen.«

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. Zeitlich ungewiß. 915. * : Erzählungen von Johann Daniel Falk. c.. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9FE5-A