43/33.

An Amalie von Levetzow

Sogleich nach Empfang Ihres lieben und liebenswürdigen Briefes, meine theuerste Freundin, bereite ich mich dafür zu dancken, da ich Sie noch in Carlsbad weis. Unvergeßlich gewiß sind die von Ihnen so lebhaft bezeichneten Tage! Die Anmuth jener Zustände war von der Art daß sie uns immer gegenwärtig bleiben müssen; wie die Sommertage eintreten wünsch ich sie jedesmal wiederhohlt und auch in der Zwischenzeit werden meine Gedancken und Erinnerungen [39] oft genug in Ihre Nähe geführt. Diesmal haben mich schon wiederkehrende Freunde von Ihrem Wohlbefinden unterrichtet, aber leider nur oberflächlich, nicht näher wie ich wünschte.

Gestehen will ich denn auch daß gerade diesen Sommer wo ich das Marienbader Gestein abermals durchsah und ordnete, mir jene schönen Stunden wieder auf's lebhafteste hervortraten, als die lieben Freundinnen sogar der starren Neigung des Bergkletterers und Steinklopfers freundlichst zulächelten und auch liebenswürdig auflachten wenn die duftenden, genießbaren Tafelförmigen Kristallisationen sich hie und da eingereihet fanden.

Unendlich hat es mich gefreut auch von Ulrikens lieber, zarter Hand einige Züge geneigten Erinnerns zu sehen. Wie glücklich waren die Stunden die ich an ihren holden Fingern abzählen durfte.

Die sonst so genannte liebe Kleine möcht ich nun auch herangewachsen, unter den Augen der guten Mutter ausgebildet sehen. Der neckischen Mittleren, der ich zu ihrem gegenwärtigen ernsten Zustand alles Glück wünsche bin ich noch zum Ehrentage etwas Freundliches schuldig das nicht ausbleiben wird.

Meine nachsichtigen Lieben nehmen mich ja wie ein, in Reifen geschloßnes Gefäß, ruht es auch im Finstern ganz im Stillen, so verbessert sich doch sein Inhalt. Möge es mir gelingen von Zeit zu Zeit hievon Beweise zu geben.

[40] Das mit Nahmen und Andencken so reich verzierte Glas steht mir immer zur Seite verwahrt, nur bey ganz besondern Gelegenheiten wird es hervorgenommen, und giebt mir jedezeit den erfreulichsten Anblick.

Wenn Sie den Ort verändern haben Sie die Güte mir es anzuzeigen.

Beygehendes glaube ich meinen Entfernten schuldig zu seyn.

treu angehörig

Weimar d. 29. Aug. 1827.

J. W. v. Goethe.

[Beilage.]

Ich erwartete mit Freuden meinen Geburtstag, wo sich werthe Freunde, wie mir wohl bekannt war, zu einem anmuthigen Fest herkömmlich bereiteten; aber es sollte mir eine Überraschung werden, die mich beynahe aus der Fassung gebracht hätte und doch immer eine Empfindung zurückließ, als wäre man einem solchen Ereigniß nicht gewachsen.

Des Königs von Bayern Majestät kamen den 27. August in der Nacht an, erklärten am folgenden Morgen, daß Sie ausdrücklich um dieses Tages willen hergekommen seyen, beehrten mich, als ich grad' im Kreise meiner Werthen und Lieben mich befand, mit Ihro höchster Gegenwart, übergaben mir das Großkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone und erwiesen sich überhaupt so vollständig theilnehmend, bekannt mit meinem bisherigen Wesen, Thun und[41] Streben, daß ich es nicht dankbar genug bewundern und verehren konnte. Ihro Majestät gedachten meines Aufenthaltes zu Rom mit vertraulicher Annäherung, woran man denn freylich den daselbst eingebürgerten fürstlichen Kunstfreund ohne weiteres zu erkennen hatte. Was sonst noch zu sagen wäre, würde mehrere Seiten ausfüllen.

Die Gegenwart meines gnädigsten Herrn des Großherzogs gab einem so unerwarteten Zustand die gründlichste Vollendung, und jetzt, da die Erscheinung vorüber geflohen ist, habe ich mich wirklich erst zu erinnern, was und wie das alles vorgegangen und wie man eine solche Prüfung gehöriger hätte bestehen sollen. Was man aber nicht zweymal erleben kann, muß wohl so gut als möglich aus dem Stegreif durchgelebt werden. Die überbliebenen schönsten Gefühle und bedeutendsten Zeugnisse geben auf alle Fälle die Versicherung daß es kein Traum gewesen.

W. d. 29. Aug. 1827.

G.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Amalie von Levetzow [Beilage.]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9F57-8