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An Friedrich Heinrich Jacobi

Die Anweisung auf Göschen habe ich erhalten, das andere Geld wird auch wohl zur rechten Zeit ankommen. Ich muß dir noch ein Wort sagen ehe ich von hier abgehe, da ich doch wohl vor 8 Wochen nicht wieder zurück komme.

[268] Deinem Sohn wünsche ich zur Reise Glück. Macht er diesen großen Weg allein, oder hat er Gesellschaft? und was vor eine Absicht hast du ihn dorthin zu senden? Wie hat sich der jüngere ausgebildet, und wie bist du mit ihm zufrieden? Ist Kläre zu meinem Schwager, und was ist aus dem Kinde geworden?

Ich wünschte wohl, daß du uns wieder auf einige Zeit besuchtest. Ein Aufenthalt zu Jena wo die neue Philosophie so feste Wurzeln geschlagen hat, würde dir bei deiner entschiedenen Neigung zu dieser Wissenschaft gewiß interessant seyn.

Ich habe Lust und Anlaß mancherley zu schreiben, und wenn nur nicht andere Hindernisse dazwischen kommen die mich stören und zerstreuen, so wirst du zwischen hier und Ostern manches erhalten. Ich habe fast in allen Theilen der Naturlehre und Naturbeschreibung kleine und größere Abhandlungen entworfen und es kommt nur darauf an, daß ich sie in der Folge hintereinander wegarbeite. In der Theorie der bildenden Künste habe ich auch vieles vorgearbeitet und habe gute Gelegenheit meine Gedanken zu prüfen indem ich mit mehrern denkenden Künstlern in Verbindung stehe denen ich mich mittheile und durch die ich die Anwendbarkeit und Fruchtbarkeit gewisser Grundsätze am besten entdecken kann. Eine neue Theorie des Lichts, des Schattens und der Farben, an der ich schreibe, und die ich in einem Viertel Jahre auszuarbeiten denke, wird dir Freude machen. Sie[269] wird lesbarer und allgemeiner faßlich seyn als meine botanischen Schriften und künftig meine anatomischen, nicht seyn können. Es setzen diese zuviel Terminologie und eine genaue Kenntniß der Gegenstände von denen die Rede ist, voraus. Indeß attachire ich mich täglich mehr an diese Wissenschaften, und ich merke wohl daß sie in der Folge mich vielleicht auschließlich beschäftigen werden. In dem deutschen Museum das zu Berlin herauskömmt, wirst du einige von meinen neusten Gedichten sehen können.

Cagliostro's Stammbaum und Nachrichten von seiner Familie die ich in Palermo kennen gelernt, werde ich wohl auch jetzt herausgeben, damit über diesen Nichtswürdigen gar kein Zweifel übrig bleibe. Ich weiß nicht ob du schon den Auszug von seinem Prozesse gelesen hast, den man in Rom hat drucken lassen. Er enthält fast nichts, was man nicht schon wußte, aber wie viele Menschen wollten es nicht wissen. Es ist erbärmlich anzusehen, wie die Menschen nach Wundern schnappen um nur in ihrem Unsinn und Albernheit beharren zu dürfen, und um sich gegen die Obermacht des Menschenverstandes und der Vernunft wehren zu können. Ich wünsche dir wohl dir wohl zu leben und bitte dich, mir manchmal Nachricht von deinem Befinden zu geben.

Lips ist sehr fleißig über meinem Portrait; es geräth ihm vortrefflich, ich fürchte aber daß er es unter einigen Monaten nicht ausgeben können, [270] besonders, da wir hier keinen tüchtigen Kupferdrucker haben, und er mit der Platte nach Kassel reisen muß, um sie dort abdrucken zu lassen.

Verzeih die fremde Hand des Briefs, du hättest sonst noch sobald nichts von mir erfahren.

Weimar d. 1. Juni 1791.

Goethe.


Will ich die Blumen des frühen, die Früchte des späteren Jahres,
Will ich was reizt und entzückt, will ich was sättigt und nährt,
Will ich den Himmel die Erde mit Einem Namen begreifen;
Nenn ich Sakontala dich und so ist alles gesagt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1791. An Friedrich Heinrich Jacobi. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9E7C-D