[63] 19/5138.
An Friedrich Heinrich Wilhelm Körte
Es ist so hergebracht, daß Reisende in der Lebhaftigkeit ihres vorübergehender Zustandes manches versprechen, dessen Erfüllung sie nachher versäumen. So wird ihnen dagegen Manches zugesagt, woran nicht weiter gedacht wird. Sie machen, mein bester Körte, eine bedeutende Ausnahme von dieser allgemeinen Erfahrung, indem Sie mir gerade das, was ich wünschte, und doch mehr, als ich wünsche, so gefällig schnell übersenden. Dieses wohlgeordnete Heft soll, wie es ist, beysammen bleiben und zu Ihrem Andenken die gegenwärtige und künftige Sammlung zieren.
Schon früher hätte ich Ihnen dafür meinen lebhaften Dank gesagt, wenn ich nicht vorher auch Ihre Freundin zu kennen gewünscht hätte. Ich habe Demoiselle Bardua bey mir zu Tische gesehen und eine recht angenehme Bekanntschaft gemacht. Es fehlt ihr nicht an mannichfaltigem Talent, nur fragt es sich, ob sie von den Spazierpfaden des Dilettantismus, auf denen sie bisher wandelte, auf die Heerstraße der Kunst gelangen werde und ob sie dort als eifriger Pilgrim direct nach dem großen Ziele fortschreiten mag. In einem halben Jahre läßt sich darüber mehr sagen und ich will gegen Sie, mein Werthester, meine Überzeugungen nicht verhehlen. Da wir nicht mehr [63] das Glück haben, zu dem unschätzbaren goldenen Zeitalter der Deutschen zugehören; so wollen wir wenigstens aufrichtig gegen einander seyn. Nun zum Schluß noch eine Frage, die vielleicht etwas wunderlich aussieht. Wäre es möglich, daß Sie mir das Bild von Lessingen, das Sie besitzen, nur auf kurze Zeit herschickten? Ich wünschte es, um einer hiesigen verehrten Personen willen, die noch nie ein Bild oder Gleichniß von ihm gesehen. Der Kasten würde freylich nicht klein werden, weil man es nicht aufrollen dürfte; doch wollte ich gern die Kosten des Einpackens und des Portos tragen. Möchten Sie mir Ihre Gedanken hierüber zunächst eröffnen, wofür ich in jedem Falle so Wie für die gute Aufnahme bey Ihnen und für das thätige Andenken immer dankbar bleiben werde.
Der ich recht wohl zu leben wünsche.
Weimar den 13. September 1805.
Goethe.