32/201.
An Carl Friedrich von Reinhard
An Ihrem erfreulichen Briefe, mein verehrter Freund, vom 1. Februar, habe ich mich die Zeit her mehrmals erquickt, ja denselben niemals aus dem Gedächtniß gelassen. Ihre Theilnahme an meinen Zuständen und unser wechselseitiges Verhältniß bewährt sich nur immer mehr und mehr. Daß Sie sich in der früheren Zeit der orientalischen Sprachen und Literatur beflissen, war mir, aus der treulichen Geschichte Ihres Lebensganges, wie Sie mir solche in Carlsbad vertraut, noch gar wohl erinnerlich, daß wir aber in der Bearbeitung desselben Gedichtes zusammentreffen, auch Sie an meiner Arbeit entschiedenen besondern Antheil nehmen würden, darauf hatte ich rechnen können.
Haben Sie vielen Dank daß Sie einer, zwar etwas eigenwillig scheinenden, aber gewiß liebenswürdigen Dame den Divan empfohlen, wahrscheinlich wird sie bekennen, daß es ganz anmuthig seyn müsse [235] so zu lieben und geliebt zu werden, wie sich Hatem und Suleika darstellen.
Ein paar Hefte, wie ich sie küzlich zu Stande gebracht, folgen hiebey, möge darin eins und das andere Sie unmittelbar ansprechen.
Übrigens habe ich, wie immer, soviel Rocken angelegt, daß es mir kaum gelingen wird einen völlig abzuspinnen; an Fleiß und Anhaltsamkeit fehlt es nicht besonders da ich mich ganz aller geselligen Obliegenheiten entledigen durfte. So kann ich denn jede Stunde benutzen, meine Geschäfte, die sich sämmtlich auf Kunst und Wissenschaft beziehen, an einem reinen Faden fortführen, meinen Briefwechsel lebendig erhalten, manche ältere Papier zusammenstellen und redigiren, bis Glück und Laune auch manchmal etwas Neues und Unerwartetes gelingen läßt.
Sie erwähnten in Ihrem Briefe der spanischen Ereignisse; wie gewaltsam ist seit jener Zeit der Schwären aufgebrochen! welche Heilung ist zu hoffen, welches neue Übel zu befürchten? Alles was man erfahren, hilft nicht zur Beurtheilung, noch weniger zum Vorauswissen noch zum Rathe.
In diesen Tagen ward mir ein sehr werther und theuerer Besuch; des Königs von Würthenberg Majestät hatte die Gnade, da ich bey Hof nicht aufwarten konnte, mich in meinem Hause durch Ihro Gegenwart zu beglücken, unser liebes Erbgroßherzogliches Paar veranlaßte und leitete die Zusammenkunft. [236] In solcher Gegenwart mußte freylich der Zeit und ihrer Erscheinung bedeutend gedacht werden.
Und nun schicke ich mich an das Carlsbad zu besuchen, so früh daß ich mir einen günstigern Sommer bereite als den vorherigen, wo ich meine Reise zu sehr verspätete.
Nehmen Sie zum Abschied die besten Grüße, im Laufe des Mays fände mich ein Brief dort, wenn Sie mich damit beglücken wollten.
Das in Ihrem bezeichnete Buch: Nouvelle Chroagénésie par Le Prince, Paris 1819, ist seit einigen Tagen in meinen Händen und es will mir nicht gelingen, mich damit zu befreunden noch mir ein Bild von der Denkweise des Verfassers zu machen. Er sieht die Newtonischen Irrthümer und die sophistische Art sie geltend zu machen recht gut ein, weil er aber gleich von vorn herein polenisch verfährt und zugleich eine andere Erklärung an die Stelle setzen will, so wird weder sein Widerspruch noch seine Lehre ganz klar. Vielleicht gelingt es mir bey näherer und ruhigerer Betrachtung über beides deutlicher zu werden.
Seine Vorrede ist in meinem Sinne, den Sie kennen und billigen, aber diffus geschrieben, weder anziehend noch eindringlich. Es findet sich keine [237] Spur daß er meine Arbeit gekannt habe, auch sagt er ausdrücklich: er habe keine Schrift hierüber gelesen und kenne nur einen einzigen Verfasser den er citirt (Hauy).
Dieses Buch wird meines Erachtens ganz ohne Wirkung bleiben, wie das Werk des Engländers, Dr. Read; dieser sieht auch den Newtonischen Irrthum vollkommen ein, setzt aber einen andern an die Stelle, der noch absurder ist. Und so darf mich bis auf den heutigen Tag jene große Arbeit nicht reuen, da sie und in den Stand setzt, alles was in diesen Fache zum Vorschein kommt, mit leichter Übersicht zu beurtheilen.