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An Philipp Christoph Kayser

Weimar den 20. Januar 1780.

Ihren Brief lieber Kaiser vom 16. Dez. habe ich erst bei meiner Rükreise in Weimar gefunden, da schon von Frankfurt die versprochne Operette mit dem neuen Jahr abgegangen war die Sie schon lange haben müssen und worüber ich Ihre Gedanken erwarte. Nach Ihrem Verlangen schike ich Ihnen ein zweites Exemplar, wo ich an die Gesänge mit rother Dinte das allgemeinste des Tons beigezeichnet habe, freilich [167] nicht viel mehr als Ihnen die Verse selbst sagen werden. Den Charakter des Ganzen werden Sie nicht verkennen, leicht, gefällig, offen, ist das Element worinn so viele andre Leidenschaften, von der innigsten Rührung biss zum ausfahrendsten Zorn u.s.w. abwechseln. Edle Gestalten sind in die Bauernkleider gestekt und der reine einfache Adel der Natur soll in einem wahren angemessenen Ausdruk sich immer gleich bleiben. Sie haben in dem Augenblik da ich dieses schreibe, vielleicht schon mehr über das Stük nachgedacht als ich Ihnen sagen kann, doch erinnre ich Sie nochmals machen Sie sich mit dem Stüke recht bekannt ehe Sie es zu komponiren anfangen, disponiren Sie Ihre Melodien Ihre Accompagnements u.s.w. dass alles aus dem Ganzen und in das Ganze hinein arbeitet. Das Accompagnement rathe ich Ihnen sehr mässig zu halten nur in der Mässigkeit ist der Reichthum, wer seine Sache versteht thut mit zwei Violinen, Viole und Bass mehr als andre mit der ganzen Instrumentenkammer. Bedienen Sie sich der blassenden Instrumenten als eines Gewürzes und einzeln; bei der Stelle die Flöte, bei einer die Fagot, dort Hautbo, das bestimmt den Ausdruk und man weis was man geniesst, anstatt dass die meisten neure Componisten, wie die Köche bei den Speissen einen Hautgout von allerlei anbringen, darüber Fisch wie Fleisch und das Gesottne wie das Gebratne schmekt. Recitatif brauchen Sie nach meiner Anlage gar nicht, [168] wenn Sie an einem Orte den Gang einhalten, die Bewegung mässigen wollen, so hängt es von Ihnen ab solches durchs Tempo, allenfalls durch Paussen zu bewürken, doch bleibts Ihnen ganz frei wie sichs Ihnen im geistigen Ohre vorstellt. Ich bin neugierig Ihre Gedanken über das Stük zu hören. Ich bitte Sie währender Arbeit mir immer manchmal was zu melden, es erregt eines in dem andern einen guten Gedanken.

Noch muss ich eins anführen! Von dem Moment an da Thomas das Quodlibet zu singen anfängt geht die Musik ununterbrochen biss zu Ende fort und wird wenn man es mit einem Kunstterm stempeln wollte zu einem ungeheuren langen Final. Ich bin gewiss dass ich mit iedem andern Musikus ausser Ihnen viel Händel haben würde, weil so mancherlei Melodien und Ausdrüke auf einander folgen, ohne dass die schiklichen Pantomimen zu langen Vorbereitungen Ausführungen und Übergängen Plaz liesen. Mit Ihnen ist es mir aber Gott sei Dank gar nicht bange. Was ich an Ihren Sachen am meisten schäze ist eben diese Keuschheit, die Sicherheit mit wenigem viel hervorzubringen und mit einem einzigen veränderten Griff mehr zu thun als wenn andre sich in weitläufigen Orgeleien den Zügel schiessen lassen. Bei dieser Gelegenheit wird Ihnen das variiren eben derselben Melodie grosse Dienste thun und es ist ein sehr schöner einfacher Eindruk den man am rechten [169] Orte durch einen minor durch eine gewandte Harmonie hervorbringt. Ich sage Ihnen lauter Sachen die Sie besser wissen können als ich, doch ist es auch gut dass Sie in der Ferne bestimmt wissen in wie fern wir eines Sinnes sind. Lassen Sie dieses kleine Stük Ihr anhaltend Studium sein, und zeigen Sie dadrinne Ihren ganzen Reichthum dass Sie nicht mehr hineinlegen als ihm gehört. Schreiben Sie mir ia bald.

Bald hätte ich das Nothwendigste zu sagen vergessen.

Die Aktrice, der Bätelys Rolle zugedacht ist hat einen schönen Umfang von Stimme und ist eine geübte Sängerinn, die beiden Mannsleute sind Tenore, zwar nur Liebhaber, doch aber Leute die sich zu finden wissen. Thomas sollte eigentlich eine Basstimme sein, diese aber haben wir nicht. Die Mutter ist eine gute Sängerinn.

G. [170]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1780. An Philipp Christoph Kayser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9A72-3