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An Charlotte von Stein

Um diese Stunde hofft ich bey Ihnen zu seyn. Knebel ist allein weg weil mein alter Beruf mich hält. Ich will heute den Tag in Tiefurt zubringen, es sind gewisse Dinge in Gährung denen Lufft muss gemacht werden. Knebel ist gar brav, und wenn er beharrt, kan er uns unendlich nuzzen, gebe Gott sein Gedeihen dazu. Die Mittlerschafft kleidet ihn gar gut, er sieht alles reiner und würckt nur zu wahren Zwecken.

Ich weis nicht warum, aber mir scheint Sie haben mir noch nicht verziehen. Ob ich Vergebung verdiene weis ich nicht, Mitleiden gewiss.

So gehts aber dem der still vor sich leidet, und durch Klagen weder die seinigen ängstigen noch sich erweichen mag, wenn er endlich aus gedrängter Seele Eli, Eli, lama asabthani ruft, spricht das Volck, du hast andern geholfen hilf dir selber, und die besten übersezzens falsch und glauben er rufe dem Elias.

Nur keine Gedanckenstriche in Ihren Briefen mehr, Sie können versichert seyn dass ich sie immer mit dem schlimmsten ausfülle. Wenn Sie wiederkommen werden Sie mir doch die Geschichte vertrauen, dagegen hab ich Ihnen auch eine wunderbaare Catastrophe zu entdecken, die Sie wissen müssen. Ich dencke der Baum unsrer Verwand- und Freundschafft ist lange genug [326] gepflanzt und fest genug gewurzelt dass er von den Unbilden der Jahrszeit und der Witterungen nichts mehr zu besorgen hat.

Die Kupfer hab ich nicht erhalten.

Die Zusammenkunft mit Merck hat mir geschadet und genuzt, das lässt sich in dieser Welt nicht trennen.

Lingen soll keine Verse mehr von mir kriegen, noch mehr Freundlichkeit als die allgemeine Höflichkeit erlaubt. Glauben Sie mir die Menschen die sich um uns bekümmern thätens nicht wenn sie mit sich selbst was bessers anfangen könnten. Wenigstens thäten sie's anders.

Sagen Sie mir doch wenn Sie kommen.

Man mögte Robert und Kalliste gerne wieder sehn, und ich mögts nicht gerne geben lassen biss Sie wieder da sind, denn eine dritte Vorstellung folgt nicht sobald.

Adieu. Grüsen Sie Lingen und Frizzen. Auch Knebeln der wohl noch bey Ihnen ist.

Weimar d. 29. Oktbr. 80.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1780. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-97B5-7