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An Carl Ludwig von Knebel

Ich danke dir, mein lieber Freund, für die reichhaltigen Blätter, die du mir durch Herrn Geh. Hofrath[348] Stark gesendet, und erwiedere nur weniges, da ich Gelegenheit nach Jena habe. Vor allen Dingen wünsche ich Glück, daß die letzte Epoche, die euch viel zu leiden gab, doch soweit glücklich vorüber ist. Krankheiten, Sorgen, Scheiden, Kriegsbewegungen machen zusammen eine böse Zugabe zum Leben. Möge Sommer und Herbst sich desto besser legitimiren! und unsre liebe Hoheit erfreuliche Tage in Jena genießen. Vom Herzog hoffe ich nun bald zu vernehmen, daß er in Töplitz angekommen ist. Empfiehl mich unsrer lieben Prinzeß, die mit allgemeiner Bewunderung scheidet. Was ich über sie höre und lese, ist durchaus gleichlautend. Danke ihr für das liebenswürdige Blatt; ich bleibe ihr Schuldner.

Meine Absicht war, ihr etwas zum Tage der Abreise zu widmen; aber mein Juny ist mir, auf eine unerwartete aber doch angenehme Weise, daraufgegangen. Ich lege einige Exemplare der Gedichte bey, welche durch den Aufenthalt der Kaiserin veranlaßt worden. Die beyden ersten schrieb ich aus eigenem Antrieb, als ein hübscher Platz Ihrer Majestät gewidmet wurde; das letzte hat sie selbst verlangt. Sie wollte, daß den Carlsbadern etwas Freundliches in Ihrem Namen gesagt werden sollte. Man ist mit der Art zufrieden, wie ich mich aus der Sache gezogen habe.

Danke Carln für die Zeichnung. Er soll ja immer fortfahren: denn was ist dieß nicht für ein Vortheil, [349] in der Geschwindigkeit gleich ein Bild versenden und communiciren zu können. Über die Sache denke ich so. Das Urbild dieses Stiers ist aus der besten Zeit der Kunst; und wie die Alten so klug waren, was einmal recht war, nicht noch besser machen zu wollen, so ist dieser Stier wahrscheinlich unzählige Male wiederholt worden. In welche Zeit die Bronce zu setzen, wird uns der spätern römischen Zeit, ein wunderliches Götterbild machen sollte, hat diesen Stier auch nachgebildet, und den Kriegsmann auf eine sehr ungeschickte Weise daraufgestellt; so wie der Adler auch nur angeklebt ist. In den Werkstätten solcher Künstler mögen die alten Modelle gestanden haben, wie sie bey unsren stehen; und ein ungeschicktes Zusammensetzen vortrefflicher Kunstelemente kommt öfters vor. Hast du Zeit den Montfaucon und Caylus durchzusehen; so finden sich wahrscheinlich noch Repetitionen.

Daß Herr von Ende einen interessanten Theil der Naturgeschichte ergreift, ist auch für uns höchlich erwünscht. Ich freue mich durch ihn dieses Fach in unsrem Kreise belebt zu sehen. Dem guten Voigt ist es gewiß auch anregend und giebt ihm Gelegenheit zu zeigen, was er auch in dieser mikroscopischen Welt gearbeitet. Grüße beyde und erhalte mein Andenken bis ich zurückkehre.

Daß du dich in meinem Hause wohlbefunden und meiner gedacht hast, macht mir sehr viel Freude. Ich erwarte [350] einen Brief von meiner Frau aus Lauchstädt; von August habe ich nichts gehört, seitdem ich weg bin. Er macht seine Sachen wahrscheinlich nach seiner Art, und die ist noch gut genug. Ich denke, er wird sich aus diesem Weltstoff Rock und Mantel schneiden, wie sie ihm passen, und dadurch einen großen Vorsprung vor uns andern haben.

Es ist mir nicht angenehm, daß wir Passow verlieren; vielleicht wäre er mit der Zeit communicabler geworden. Doch müssen wir uns jetzt wohl gefallen lassen, daß junge Leute nicht mehr an einem Orte ausdauern und etwas zu Auferbauung dieses Ortes leisten. Jeder sieht sich um, wo er von seinem Talente Vortheil ziehen kann, und ich müßte mich sehr irren, wenn ein dauerhafter und gründlicher Nachwuchs zu unsern Zeiten erscheinen sollte. – Nun lebe recht wohl und laß mich gelegentlich wieder etwas vernehmen.

Carlsbad d. 10. July 1810.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-975F-B