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An August von Goethe

[Concept.]

Der Mensch denkt, Nothwendigkeit und Verstand lenken; ich finde es so natürlich als nothwendig und vernünftig daß ihr die Tollpost verlassen habt und euch auf's Zaudern legt. Genießt ja, Tag vor Tag, das Gute und Herrliche was die Welt euch anbietet, [54] nun lasset den Hauptzweck nicht aus Augen. Ich wünsche nur das dein leiblicher und geistiger Magen sie verdauen lerne, alle geistigen und leiblichen Genüsse sind heilsam wenn man sie zu verarbeiten weiß.

Dieses erwidere ich auf dein Schreiben vom 30. April aus Basel datirt, und bis du dieses erhältst, hoff ich, erfahren wir mehr von euch und ich wünsche das mäßig gute wie bisher.

Die Hauptfrage in Mailand ist: ob die Empfehlungsschreiben vom Grafen Bernstorff, an Mylius adressirt, dort angekommen sind.

Von mir wüßt ich nichts zu melden als daß ich mich so wohl befinde um den von außen und von innen gebotenen Obliegenheiten genug zu thun. Ottilie mag von neugeschlossenen Ehebündnissen und von sonstigen Haus- und Herzensereignissen das Weitere mittheilen.

Als ein glückliches Ereigniß seh ich an: daß jenes, lange vermißte Actenstück, worauf sich das Geschäft der jenaischen Bibliothek neuerer Zeiten gründet, sich wieder gefunden hat. Ich überzeuge mich daß, meine Zufriedenheit deshalb betrachtend, du daran freundlichen Antheil nehmen wirst. Das übrige Geschäft geht, nicht ohne Anfechtung, seinen Gang, aber man kommt mit einer gelinden Parade auch wohl durch und braucht nicht nachzustoßen.

Das Original der letzten Lieferung meiner Werke ist nun auch aus meinen Händen. In den übrigen [55] Papieren hat Eckermann sehr lobenswürdige Ordnung gemacht, deshalb ihn mein Dank über die Alpen begleitet.

Die Einleitung zu Schillers Leben von Carlyle ist auch fertig und wird hoffentlich dieses Werklein, welches zu stranden schien, über die Untiefen hinaushelfen. Ich habe die Gelegenheit benutzt manches wunderliche Gute in's Publicum zu sprengen.

Auch ist ein großer Aufsatz über Zahns pompejische Mittheilung, für Wien, zur Absendung bereit, wovon ich allerlei guten Einfluß hoffe.

Manches andere Neuere bleibt zu thun, vorzüglich aber mußt du mich mit Botanik beschäftigt denken. Wie Frommann von der Messe kommt beginnt der Druck des Originals, mit Sorets Übersetzung an der Seite; das gibt Beschäftigung und Unterhaltung bis Michael.

Die neue Gartenthüre stolzirt unten auf der Wiese gar architektonisch ansehnlich; zur Mosaik des Eingangs hat mir Wege-Bau-Inspector Götze frische schwarz und weiße Kiesel geschickt. Ober-Bau-Director Coudray wird mir bey der Zeichnung beystehen. Letzter hat, durch eine glückliche Wendung, das Quartier des abgehenden Regierungs-Rath Müller, im Jägerhause, für die Gewerkschule zugesichert erhalten und dadurch sowohl sich als uns bedeutenden Vortheil verschafft, denn auf der Esplanade fing es schon an allzueng zu werden. Wie natürlich; denn [56] wenn man die Schüler gratis zusammen ruft ist jeder Knabe lernbegierig.

W. d. 11. May 1830.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An August von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8F70-D