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An Carl Friedrich Zelter

Gleich nach dem neuen Jahr, mein Theuerster, werde ich zu der Frage veranlaßt: ob du etwa Zeit hättest eine kleine Reise vorzunehmen, wo es auch in die Welt hin wäre? Zu diesem wunderlichen Ansinnen ward ich gestern Abend aufgefordert, als ich mit Riemer deine allerliebste Relation von Baden, Wien, Prag u.s.w. durchlas und wir uns daran höchlich ergötzten. Es geht daraus hervor, daß du niemals liebenswürdiger und mittheilender bist als unterwegs; jetzt aber da du den Musen einen Palast und dir einen würdigen Aufenthalt gründest, so schweigst du und scheinst von der auswärtigen Freundeswelt nicht viel zu wissen.

[5] Ich kann dagegen vertrauen, daß es mir diese Tage her sehr wohl gegangen ist, indem Herr v. Humboldt länger als ich hoffen dürfen bey uns verweilte und Gelegenheit gab, eine vieljährige Lücke vertraulicher Unterhaltung auf das allerschönste auszufüllen. Mancherlei anderes Gute will ich nicht articuliren.

Nächstens sende an Doris eine Anzahl Medaillen mit Adressen versehen, nach welchen sie auszutheilen bitte.

Ein Stück Kunst und Alterthum ist im Druck, bey dessen Ausfüllung und Besorgung ich gern im Sinne habe, daß es dir auch Nachdenken erwecken und Freude machen werde.

Herr Geh. Finanz-Rath Beuth hat mir eine kostbare Sendung alter und neuer Kunstwerke zugesandt, an denen ich mich immerfort erbaue. Hast du irgend eine Gelegenheit ihm darüber das Freundlichste zu sagen, so versäume sie nicht. Ich habe ihm zwar schönstens gedankt, wenn ich aber mit Worten aussprechen wollte wieviel mir dergleichen Mittheilungen werth sind, so würde ich zu übertreiben scheinen; denn wenn sich der Berg nicht entschlösse zum Propheten zu kommen, so würde mir in meiner Zelle nur wenig Kunstgenuß zu Gute gehen. Das große Kupfer nach Gérard: Eintritt Heinrichs IV. in Paris, ist auch diese Tage zu mir gekommen und muß vorzüglich beachtet werden, als was der Gipfel dessen was Malerey und Stichkunst in unsern Tagen vereinigt unternehmen und leisten.

[6] Übrigens begreife ich wohl, daß du in dem jetzigen Augenblicke höchst beschäftigt bist; dich aber durch Gegenwärtiges aufregen, Blick und Wort auch zu mir herüber zu wenden. Besonders will ich dich bitten, daß du in der Verwirrung des Aus- und Umzugs die musicalische Tabelle nicht lassest verloren gehen. Ich bin auf einige sehr hübsche Gedanken geführt wor den, wodurch sich für mich Angelegenheit gar lieblich abrundet; ob sie andern auch gemäß sind, wird die endliche Mittheilung ausweisen.

Im Ganzen, soviel mir möglich ist, ziehe ich Latus für Latus summarisch zusammen, aufgefordert durch die übernommene schwere Pflicht meiner neuen Ausgabe; doch hat sich im vergangenen Jahre schon vieles besser gemacht, als denken konnte. Die äußere Ungunst der Ereignisse habe ich durch innere Beharrlichkeit überwunden, und wenn das Laufende mich nur einigermaßen schalten und walten läßt, so führe ich alles dahin wo ich wünsche. Professor Riemer, Göttling, Eckermann greifen thätig und geistreich ein. Noch ein Dutzend Monate hin, so wird mein Testament nicht weitläufiger zu seyn brauchen als das des Evangelisten Johannes. Womit ich denn auf das schönste und beste zu leben wünsche.

Und so fürder

W. d. 9. Jan. 1827.

G.


Beykommender Nekrolog wird dich gewiß erbauen. Du weißt selbst was es heißt, eine Anstalt [7] gründen und sie viele Jahre in zunehmendem Leben aufrecht erhalten; auch ist wohl in deiner Umgebung mancher Ehrenmann dem Blättchen Freude macht.

Die Medaillen an Doris gehen mit der heutigen fahrenden Post ab; grüße sie schönstens und sage ihr, daß sie mir doch auch ein Wort schreiben möchte.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1827. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8E9B-8