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An Christoph Ludwig Friedrich Schultz

Der Antheil, welchen Ew. Wohlgeb. an chromatischen Untersuchungen mit solcher Eigenthümlichkeit und liebevoller Schärfe und Genauigkeit genommen haben, ist mir diese ganze Zeit her nicht aus den Sinn gekommen; denn ich hätte nichts mehr wünschen können, als Sie auf diesen Wegen fortschreiten zu sehen.

Da die Sprache das Organ gewesen, wodurch ich mich während meines Lebens am meisten und liebsten den Mitlebenden mittheilte; so mußte ich darüber, besonders in späteren Zeiten, reflectiren und hierbey hat mir's niemals an trefflichen Freunden gefehlt, die, zu Forschern in diesem Fache berufen, großen und anhaltenden Fleiß darauf verwendeten.

[289] Wenn ich nun gleich nach meiner eingebornen Art und Unart auf Correctheit und Reinlichkeit niemals genugsamen Fleiß zu wenden im Stande war; so habe ich doch auf's deutliche begreifen lernen, daß die Sprache nur ein Surrogat ist, wir mögen nun das was uns innerlich beschäftigt oder das was uns von außen anregt ausdrücken wollen.

Auf meinem Wege bin ich diese Unzulänglichkeit der Sprache nur allzu oft gewahr worden und habe mich dadurch abhalten lassen, das zu sagen was ich hätte sagen können und sollen. Ich durfte nur der Zeit vertrauen, daß diese redlichen Ausdrücke eines Einzelnen von mehrern würden verstanden, d.h. in ihre Sprachen übersetzt werden.

Jene Scheu, deren ich mich eben anklage, überwand ich zu Liebe der Farbenlehre, die mich viele Jahre beschäftigt hatte, und ich ließ mich nicht irren daß die ganze physische Gilde in hergebrachten hohlen Chiffern zu sprechen gewohnt ist, deren Abracadabra ihnen die Geister der lebendigen Natur, die überall zu ihnen spricht, möglichst vom trocknen dogmatischen Leichnam abhält.

Ew. Wohlgeb. überzeugen sich nun, wie erfreulich mir Ihre lebendige Theilnahme gewesen und wie gern ich mit Ihrem Heft, das sich bey mir gewiß nicht verlieren konnte, eine freundliche Unterhaltung wiederholt angeknüpft habe. Denn ob ich gleich öfters in ganz fremde Regionen mich verlor, so trägt man doch[290] immer, Gott sey Dank! das Auge mit sich und so kann man denn auch Licht, Finsterniß, Helle, Schatten, Durch- und Undurchsichtiges, Trübe und die Belebung von allen diesen, die Farbe, nicht los werden.

Geschieht es mit Ihrer Einwilligung, so sende das Manuscript an Herrn Schweigger nach Nürnberg zu seinem Journal. Sollte dieser, wie ich zweifele, irgend ein Bedenken haben, so würde man es alsdann leicht zum Druck befördern, welches kein großer Aufwand wäre und man könnte dieser Erscheinung immer eine theilnehmende Aufmerksamkeit versprechen. Das kleine Vorwort würde ich nach Ihrem Wunsche besorgen und erwarte deshalb gefällige Beystimmung. Möchte ich doch auch von Ihrer Gesundheit das Beste hören!

ergebenst

Weimar d. 11. März 1816.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1816. An Christoph Ludwig Friedrich Schultz. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8CD4-5