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An Sulpiz Boisserée

Obgleich auch nicht rein genug im Geiste um eine heitere Wirkung in die Ferne zu versuchen, so will ich doch wenigstens einiges der obwaltenden Fragen und Zustände berühren. Herr Hofrath Thiersch hat mir gar manches Gute mitgebracht, danken Sie den ansehnlichen Gliedern des höchst löblichen Kunstvereins, auch Herrn v. Hormayr bitte mich zu empfehlen. Neureuther macht mich durch das 3. und 4. Heft seiner Randzeichnungen wahrhaft glücklich, da kann man denn doch einmal sagen: Es ist alles was es an seiner Stelle seyn soll und mehr und über alle Erwartung.

Sie fragen nach denen Heften die wir auszugeben im Gange waren; ich mußte sie für den Augenblick aufgeben da die Sorge für die letzten Sendungen meiner Werke eher sich steigert als abnahm. Indessen haben wir Einzelnes den Wiener und Berliner Jahrbüchern überlassen, um zu versuchen wie unsre Worte aus einer andern Weltgegend her klingen. Reichen sie bis zu Ihnen so werden sie gewiß keinen fremden Eindruck machen.

»Ein gutes Wort findet eine gute Statt« und so hat auch Ihr liebes vermittelndes Schreiben gewirkt; eins aber muß ich hinzufügen. In den hohen Jahren werden mir alle halbe Verhältnisse ganz unmöglich durchzuführen; das famose leben und leben lassen, [266] wodurch wir unsre Tage zu Grunde richten, geht nicht mehr; was nicht rein aus der Seele kommt kann nicht ausgesprochen werden.

In jenen Aufsätzen werden Sie den Werth Ihrer Bemühungen treufreundlich beachtet finden.

Über den naturwissenschaftlichen Streit in Paris finden Sie eine Andeutung in den Berliner Jahrbüchern. Die Fortsetzung ist geschrieben und bedarf jetzt nur einer sinnigen Redaction. Doch sind wissenschaftlichen Händel nicht von der Art zur Zeit so großer Ereignisse ein lebhaftes Interesse zu unterhalten. Ich arbeiten unterdessen im Stillen fort, denn diese Differenz der Ansicht wird im Fortgange der Wissenschaften immer wieder hervortreten.

Die vierzig Gulden für das wirklich interessante Gebetbüchlein auszuzahlen hat der Kassirer Auftrag erhalten. Auch die frühere Schuld wird hoffentlich durch denselben schon getilgt seyn.

Meinem Sohn ist bisher, nach einigen Zwischenfällen und Unfällen, nach überstandenem Sturm zwischen Livorno und Neapel, mit dem Dampfschiff in der herrlichen Bay zu landen wirklich Gelungen. Er fand sogleich Herrn Zahn, der, nach beendigtem großen Werk in Berlin, sich dorthin wieder begeben hat. Mein Sohn ist also, sowohl über als unter der Erde, wohl empfohlen. Kunst und Natur von Jugend auf anzuschauen gewöhnt, hat er, ohne viel zu raisonniren, einen guten praktischen Blick in die Welt und hat [267] mir von den Medaillen des 15. und 16. Jahrhunderts beynahe 100 Stücke gesendet, worunter wenig Doubletten, die doch auch im Norden, zum Tauschen mit Liebhabern, höchst angenehm sind.

Von Mahomet II. sende gelegentlich einen Gypsabguß. Die gemeldeten drey Könige sind auch recht hübsch durchgezeichnet.

Für die zwey Hefte der Denkmale am Niederrhein danke zum schönsten. Die Verhältnisse dieser schätzbaren Zeugnisse voriger Tage werden, durch Ihre Sorgfalt, immer klarer, faßlicher und annehmlicher.

Ihre anmuthige Beschreibung der traditionellen Aufführung eines geistlichen Dramas ist sogleich in den Abgrund der chaotischen Verwirrung verschlungen worden, woraus sie nächstens brillant hervorsteigen und sich zu Ihnen an den Fuß der Alpen begeben wird.

Da man den ersten Wochen-, nicht Jahrgang entgegenschreitet und stark in den Vierzigen begriffen ist, so werden für das nächste Jahr auch die Bedingungen der Mitglieder beygefügt seyn.

Ermangeln Sie ja nicht von Zeit zu Zeit etwas Einzelnes, was sich so hübsch als ein Ganzes auffassen läßt, geschlossen darzustellen und mitzutheilen. Dergleichen gibt dem Leben einen neuen Reiz, besonders für uns andere, die wir uns in die Weite und Breite quälen, ohne doch recht einzusehen was es eigentlich heißen soll.

[268] Merkwürdig ist es daß gerade die Vorlesung Villemains mir zur Hand kommt, über denselben Gegenstand. Er hebt, auf eine hübsch-gallische Weise, vielbesprochene Hroswitha, Aebtissin von Gandersheim, hervor und ihre christlichen Dramen, die sie, angeregt durch Terenz, mit heiterem Geist und religiosem Sinn vortrug. Ich will sehen ob ich in einem guten Stündchen Ihrem Aufsatz dadurch etwas Paralleles an die Seite stellen kann.

Da noch Platz ist laß ich die Stelle ausschreiben, das Heft möchte Ihnen schwerlich zu Handen seyn.

Unwandelbar

d. 3. October 1830.

Goethe.


[Beilage.]

Ainsi, en Allemagne, dans un monastère qui comptait cinquante religieuses de noble famille, il paraît que, vers 1080, on avait dressé un petit théâtre, comme à Saint-Cyr, sous madame de Maintenon, et que là quelques jeunes sœurs, ayant sans doute obtenu dispense pour s'habiller en hommes, représenterent une espèce de tragédie, la Conversion de Gallicanus. Voici le sujet de la pièce: Constantin le Grand avoit promis de donner la belle Constantia, sa fille, à un jeune Romain de haute naissance et de grand courage, mais encore attaché au culte des faux dieux. Une guerre suspend ce projet: le jeune amant y vole et se couvre de as gloire dans un combat, où il est miraculeusement sauvé. Touché de ce secours de la Providence, il se laisse convertir a la foi par deux officiers de l'empereur, Paul et Jean. Dans sa pieuse ferveur, il renonce à la main de la princesse, qui, de son côté, se consacre à la vie religieuse. Voilà le premier acte, où l'unité de temps, comme vous le voyez, [269] n'est pas fort rigoureuse. C'est une pièce libre qui, en tout, dure vingt-cinq ans. Au second acte, trois empereurs ont déjà passé; c'est Julien qui règne. Julien, après avoir exilé Gallicanus, le fait tuer en Égypte. Puis sa persécution s'attache avec plus de violence et de haine aux deux officiers du palais qui avaient autrefois accompli l'heureuse conversion de Gallicanus. On ne voit pas le motif de cette colère. Mais l'auteur, dans la prose assez correcte de son drame, fait habilement parler Julien. Il y a là un sentiment vrai de l'histoire; Julien ne paraît pas un féroce et stupide persécuteur, comme l'auraient imaginé les légendaires du VIe siècle. La religieuse de Gandersheim avait saisi le caractère de Julien; on le voit avec sa modération apparente, son esprit impérieux et ironique. Il ne peut triompher de l'obstination chrétienne des deux officiers de l'empereur; il les exile. en laissant prévoir leur supplice.

|: Folgt die Scene :|

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8B2F-3