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An Friedrich Constantin von Stein

Rom, den 29. December 1786.

Dein Brief, mein vielgeliebter Fritz, hat mir viele Freude gemacht. Du kannst nicht öfter an mich denken als ich an dich. Gar oft wünsche ich dich zu mir, es giebt gar mancherlei Gutes zu genießen, das dich noch mehr als mich ergötzen würde.

Schwefelabdrücke bring' ich dir mit und Steine von merkwürdigen Gebäuden, wo du zugleich die verschiedenen Arten von Steinen sehen sollst, mit denen man hier baute und auszierte.

[103] Die ganze Nacht vor dem Weihnachtsfest sind wir in den Kirchen herumgefahren und haben die Feierlichkeiten angesehen und angehört. Zu St. Apollinar war Musik. St. Peter mit wenigen Lichtern, Lampen und Fackeln kaum erleuchtet, so daß man das ungeheure Gebäude kaum wieder erkannte. In einer sehr erleuchteten Seitenkapelle sangen die Chorherren die Frühmetten. In St. Maria maggiore war die Kirche schön erleuchtet; dort haben sie einige Stücke von der Krippe Christi. Es zieht eine Prozession mit Fackeln umher, es wird ein silbernes Kindlein auf einer silbernen sehr verzierten Wiege getragen u. s. w.

Am Weihnachtsmorgen hielt der Pabst in St. Peter Hochamt, bei dem die Cardinäle ministrirten. Es mögen 2000 Menschen in der Kirche gewesen seyn und man bemerkte sie kaum, da man hineintrat, da sie Alle um den Hochaltar standen.

Die Gasse, in der ich wohne, ist gegen 3000 Schritte lang, du kannst sie einmal in der Belvedereschen Allee abschreiten und dabei an mich denken. Erzählung von besseren Sachen hebe ich für dich auf. Wenn wir künftig zusammen gehen und fahren, habe ich dir zu erzählen, und du sollst dich nicht mehr über mein Stillschweigen beklagen.

Lebe wohl; auch ein Stück Lava vom Vesuv sollst du haben. Grüße Ernsten, deine Großeltern, und behalte mich lieb.

G.


[104] Dein italiänischer Brief hat mich gefreut, nächstens sollst du auch einen von mir in dieser Sprache haben.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1786 [2]. An Friedrich Constantin von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-87A2-1