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An Anna Katharina Schönkopf

Franckf. am 1sten Juni, 1769.

Meine Freundinn,

Aus Ihrem Brief an Hornen habe ich Ihr Glück, und Ihre Freude gesehen, was ich dabey fühle, was ich für eine Freude darüber habe, das können Sie Sich vorstellen, wenn Sie Sich noch vorstellen können wie sehr ich Sie liebe. Grüssen Sie Ihren lieben Docktor, und empfelen Sie mich Seiner Freundschafft. Warum ich so lange nicht geschrieben habe das könnte wohl strafbar seyn wenn Sie meine Briefe mit Ungeduld erwarten hätten; das wusste ich aber, und drum schrieb ich nicht, es war bissher eine Zeit für Sie, da ein Brief von mir sowenig Ihrer Aufmercksamkeit werth war als die Erlanger Zeitung, und alles zusammengenommen so binn ich doch nur ein abgestandner Fisch, und ich wollte schwören – Doch ich will nicht schwören, Sie möchten glauben es wäre mein Ernst nicht. Horn fängt an sich zu erholen, wie er ankam, war gar nichts mit ihm zu thun. Er ist so zärtlich, so empfindsam für seine abwesende Uranie, dass es komisch wird. Er glaubt im Ernste was Ihr Brief ihm versichert das Constantie bleich für Kummer geworden wäre. Wenns auf's bleich werden ankommt, so sollte man dencken er liebte nicht starck denn er hat röthere Backen als iemals. Wenn [210] ich ihm versichre: Fieckgen würde sich an ihrer Freundinn Exempel spieglen, und nach und nach einsehen lernen pp, so flucht er mir den Hals voll; und schickt mich mit meinen Exemplen zum Teufel; er schwört dass die Buchstaben der Zärtlichkeit die seine mächtige Liebe in ihr Herz geschrieben unauslöschlich seyn. Der gute Mensch bedenckt nicht das Mädgen Herzen nicht Marmor sind, und daß sie auch nicht Marmor seyn dürffen. Das liebenswürdigste Herz ist das welches am leichtsten liebt, aber das am leichtesten liebt vergisst auch am leichtsten. Doch er denckt daran nicht, und hat recht, es ist eine grässliche Empfindung seine Liebe sterben zu sehen. Ein unerhörter Liebhaber ist lange nicht so unglücklich als ein verlassener, der erste hat noch Hoffnung, und fürchtet wenigstens keinen Hass, der andre, ja der andre – wer einmal gefühlt hat was das ist aus einem Herzen verstossen zu werden das sein war, der mag nicht gerne daran dencken geschweige davon reden.

Constantie ist ein gutes Mädgen, ich wünsch ihr einen Tröster; keinen von den leidigen, die sagen: Ja, es ist nur einmal so, man muss sich zufrieden geben; sondern so einen Tröster, der einem durch die Sache tröstet, indem er einem alles wieder ersetzt was man verlohren hat. O sie wird nicht lange eines mangeln. Geben Sie drauf acht liebe Freundinn, wenn Sie jemanden sehen der sie so führt, und mit ihr spazieren geht, und – nun das wissen Sie ja [211] was alles dazugehört, woran man merckt, dass es nicht iust ist; so schreiben Sie mir's, Sie können Sich leicht vorstellen, warum es mich freuen wird.

Meine Lieder sind immer noch nicht gedruckt, ich wollte Ihnen gerne wenn sie fertig wären, ein Exemplar davon schicken; aber ich habe nur niemanden in Leipzig dem ich es auftragen könnte. Wenden Sie die Paar Groschen die sie kosten werden an mich, und lassen Sie manchmal Petern eins spielen, wenn Sie an mich dencken wollen. Wie ich die Lieder machte, da war ich ein andrer Kerl als ich ietzt binn. Das arme Füchslein! Wenn Sie sehen sollten was ich den ganzen Tag treibe, es ist ordentlich lächerlich.

Das Schreiben wird mir sauer, besonders an Sie. Wenn Sie es nicht aparte befehlen so kriegen Sie keinen Brief wieder vor dem October. Denn meine liebe Freundinn ob Sie mich gleich Ihren lieben Freund und manchmal Ihren besten Freund nennen, so ist doch um den besten Freund immer ein langweilig Ding. Kein Mensch mag eingemachte Bohnen solang man frische haben kann. Frische Hechte sind immer die besten, aber wenn man fürchtet dass sie gar verderben mögen, so salzt man sie ein, besonders wenn man sie verführen will. Es muss Ihnen doch komisch vorkommen wenn Sie an all die Liebhaber dencken, die sie mit Freundschaft eingesalzen haben, große und kleine, krumme und grade, ich muß selbst [212] lachen wenn ich dran dencke. Doch Sie müssen die Correspondenz mit mir nicht ganz abbrechen, für einen Pöckling binn ich doch immer noch artig genug.

Apropos dass ich's nicht vergesse, da schicke ich Ihnen was, machen Sie mit was Sie wollen, entweder für Sie auf den Kopf, oder für jemand anders um die Hände. Das Halstuch und der Fächer sind noch nicht um einen Fingerbreit weiter. Sehen Sie, ich binn aufrichtig, wenn ich was mahlen will so bleibt mir's im Halse stecken. Nur in Frühlingstagen schneiden Schäfer in die Bäume, nur in der Blumenzeit bindet man Kränze, verzeihen Sie mir, die Erinnerung ist mir zu traurig, wenn ich das für Sie thun soll was ich gethan habe, ohne mehr zu seyn als ich binn.

Ich habe Ihnen immer gesagt dass mein Schicksaal von dem Ihrigen abhängt. Sie werden vielleicht bald sehn wie wahr ich geredet habe, vielleicht hören Sie bald eine Nachricht die Sie nicht vermuthen. Grüßen Sie Ihre lieben Eltern, und wer zu Ihrer Familie gehört. Empfelen Sie mich dem Obereinnehmer. Ich binn so viel als möglich

Ihr ergebenster Freund G. [213]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1769. An Anna Katharina Schönkopf. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-84E8-E