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An die Marquise Branconi
In meiner Eltern Haus komme ich Ihnen mit einem Grus entgegen, auf denen Schwellen wo ich in meinem Leben mit so tausendfach veränderten Empfindungen hin und wieder gegangen bin. Seyn Sie recht willkommen und nehmen Sie den schönsten Danck für die Paar Tage die Sie uns gegönnt haben. Erst iezt spür ich dass Sie da waren, wie man erst den Wein spürt wenn er eine Weile hinunter ist. In Ihrer Gegenwart wünscht man sich reicher an Augen, Ohren und Geist, um nur sehen, und glaubwürdig [275] und begreiflich finden zu können, dass es dem Himmel, nach so viel verunglückten Versuchen auch einmal gefallen und geglückt hat etwas Ihresgleichen zu machen. Ich müsste in diesen anscheinenden Hyperbeln, die doch nur pur platte Prose sind, fort und fort fahren um Ihnen zu sagen was Sie zurückgelassen haben, und weil sich doch auch das, wie man zu sagen pflegt nicht schickt, so muss ich darüber abbrechen, und das beste für mich behalten.
Reisen Sie glücklich, empfehlen Sie mich Ihrer sanft augenbrauigen Reisegefährtinn, und dem Herrn Dechant.
Meine Mutter schreibt mir gewiss gleich, sagen Sie ihr etwas für mich. Sie wissen ia so schönes, und das schöne so schön zu sagen, dass es einem immer wie in der Sonne wohl wird, wenn man sich's gleich nicht träumen lässt dass sie um unsertwillen scheint.
Das Versprochne ist bestellt, und zum Theil in der Arbeit.
di Vossignoria ††††issima
il servo ††††issimo
Goethe
Ich überlasse Ihrer grösseren Kenntniss der italienischen Sprache, statt der Kreuze die schicklichsten Epithets einzusezzen, es passt eine ganze Litaney hinein.
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