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An Franz Kirms

Ew. Wohlgebornen

haben mir durch die ertheilten guten Nachrichten viel Vergnügen gemacht. Wenn Herr Capellmeister Müller so fortfährt, so wird er sich und uns, dem Hofe, dem Publicum und der Kunst, viel Vortheil und Vergnügen bringen. Ich wünsche uns allen Glück dazu, und freue mich auch deshalb auf meine Rückkehr.

Der Gebrauch der Wasser hat mir auch dießmal wieder großen Nutzen gebracht, und mich sogleich von den krampfhaften Übeln befreyt, an denen ich in Jena noch sehr, ohne mich viel zu beklagen, gelitten habe. Möge doch unser guter Fürst bald in Töplitz anlangen, und dort die erwünschte Hülfe finden.

[334] Die Gegenwart der Kaiserinn hat uns alle in Bewegung erhalten, ob sie gleich Niemanden genierte und höchst angenehm und freundlich war. Jetzt ist es so voll hier, daß kein Quartier mehr zu finden ist, und jeder zufrieden seyn kann, der fest sitzt.

Den Mannheimern würden Ew. Wohlgebornen gefällig antworten, daß ihnen der neue Götz von Berlichingen, welcher sobald nicht gedruckt erscheinen werde, zu Diensten stehe, wenn sie mir das Einkommen der dritten Repräsentation desselben nach der Art, wie die Benefize den Schauspielern gegeben werden, zugestünden. Nur allein, wenn dieses eingeführt wird, kann man sich entschließen fürs Theater zu arbeiten, sonst ist es nicht der Mühe werth, daß man eine Feder anrührt, oder auch nur eine Abschrift machen läßt.

Des Herrn Ifflands Anfragen beantworten sich sämmtlich durch das Fragment des zweyten Theils der Zauberflöte, das in meinen Werken, und zwar in deren siebentem Band abgedruckt ist. Das Personal der ersten Zauberflöte mit geringer Vermehrung sollte hinreichen, auch diese Fortsetzung zu geben. Wie ich die Situationen, Decorationen u. dergl. ähnlich zu erhalten und doch zu steigern dachte, sieht man gleichfalls daraus, so wie die Absicht blos für musicalischen und theatralischen Effect zu arbeiten. Der Plan, so wie noch ein Theil der Ausarbeitung, liegt unter meinen Papieren. Ob ich aber, da ich soviel andere[335] Dinge vorhabe, mich wieder zu theatralischen Arbeiten, wobey weder Freude noch Genuß, noch Vortheil zu erwarten ist, wenden möchte, glaub' ich schwerlich. Mehrere Plane und Halbausarbeitungen bedeutender Stücke liegen da, und werden wohl immer liegen, wie die zwey letzten Theile der natürlichen Tochter, und eine Tragödie aus der Zeit Carls des Großen. Sollte das Berliner Theater den obgemeldeten Vorschlag, die dritte Repräsentation zum Benefiz des Autors zu geben, eingehen, so könnte man eher seine Maßregeln darnach nehmen und einen Theil seiner Zeit auf dramatische Arbeiten verwenden. Abgerissen kann man dergleichen nicht unternehmen. Ich ziehe jetzt den Roman allem andern vor, weil einen dabey alles begünstigt, was beym Theater dem Autor nur zum Nachteil gereicht. Könnte man die unternommenen Arbeiten nach und nach vom Stapel lassen; so würde der, durch einen sehr hohen und bedeutenden Theaterkenner mir aufgetragene, Brutus wohl auch mit flott werden; dagegen ich jetzt befürchten muß, daß alle diese Dinge bey mir, wie bisher, stocken und nicht zum Ende gelangen.

Überlegen Sie doch, ob das Stückchen von Contessa sogleich ausgetheilt und etwa in Lauchstädt einstudirt werden könne. Dieser Autor verdient, daß man ihm gefällig sey, und wahrscheinlich ist ihm daran gelegen, daß er bald auf unserm Theater erscheine.

Und nun wünsche ich recht wohl zu leben, in [336] Hoffnung mich bald wieder mit Ihnen persönlich über unsere Angelegenheiten zu unterhalten. Herrn Rath Kruse viele Empfehlungen.

Carlsbad den 27. Juny 1810.

Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An Franz Kirms. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-829C-8