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An die Erbprinzessin Caroline Louisevon Mecklenburg-Schwerin
[Concept.]
Schon lange wünschte ich mir einen Anlaß mein unverzeihliches Schweigen zu brechen: denn solche Unterlassungssünden führen das Übel mit sich, daß ihre Dauer sie hartnäckiger und incorrigibler macht. Nun weiß ich unserm guten Kaaz im Grabe Dank, daß er mir die Gelegenheit giebt, mich Ew. Durchlaucht schriftlich zu nähern, und Höchstdieselben von meiner alten treuen Anhänglichkeit zu versichern. Ew. Durchlaucht in Weimar nicht wieder finden, war mir schmerzlich genug und ich habe durch allerley gesellige und theatralische Feste immer empfunden, daß uns allen durchaus etwas fehlte. Wo ich Höchstdieselben am lebhaftesten zu uns gewünscht habe, war bey der Aufführung des standhaften [62] Prinzen, welche die Ew. Durchlaucht gewiß zu Ohren gekommen, über Erwartung gelungen ist.
Nun habe ich die Freude Ew. Durchlaucht eine Partie Kaazischer Zeichnungen zu übersenden, an denen Ihr geübtes Auge, Ihr feines Gefühl und Ihr durch eigne Thätigkeit geübter Sinn viel Vergnügen finden wird. Denn das ist ja der Werth der Kunst, daß sie uns das Wahre bedeutend, das Vergangene so wie das entfernte Treffliche bequem, und das Vergängliche und Wandelbare dauerhaft vor die Augen bringt. Erhalten Ew. Durchlaucht mir ein gnädiges Andenken, sowie das höchste Wohlwollen Ihres Durchlauchtigsten Herrn Gemahls; wie ich auch angelegentlich bitte meiner zu gedenken, wenn Sie mit Ihren Klosterfrauen und Stiftsdamen, in den schönen Augen spazirend, sich unterhalten.
d. 15. März 1811.