1820

32/107.

An Johann Friedrich Heinrich Schlosser

Mit verpflichtetem Dank erkenn ich, mein Werthester, daß Sie, nach herkömmlicher treuer Ordnungsliebe und Wohlwollen, mich aus dem Schlafe wecken in welchem bisher meine Correspondenz versenkt lag. Zur Entschuldigung darf ich wohl anführen: daß ich, von Carlsbad spät zurückkommend, sowohl in Jena als hier dergestalt mannichfaltig beschäftigt ward, daß mir den letztvergangenen Monaten kaum eine Wirkung in die Ferne möglich blieb.

Die schönen, um einen leidlichen Preis erstandenen Kupfer Martin Schöns kamen zur rechten Zeit bey mir an und veranlaßten mich, aus der Becker'schen Auction zu Dresden mehreres von diesem Meister zu erstehen, so daß ich nun gerade genug besitze um sein Talent würdigen und schätzen zu können.

Auch sonst ist manches Angenehme und Bedeutende [138] von Kunstwerken bey mir eingelangt, woran ich mich denn freylich in meinem häuslichen Kreise trösten und erbauen muß, wenn Freunde Gelegenheit finden, an fremden Orten mannichfaltigere und mehr bedeutende Kunstwerke zu beschauen. Unsere Freude in Stuttgart hätt ich freylich gerne längst besucht; dort müssen ihre Schätze, in größerer Freyheit aufgestellt, hohen Genuß und Belehrung gewähren.

Mögen Sie mir doch auch einmal gelegentlich sagen wie es mit dem Frauenbilde steht, das der jüngere Morgenstern zu restauriren unternommen. Der Vater ist, wie ich höre, mit Tode abgegangen, nachdem er sich eines langen und thätigen Lebens erfreut.

Manchmal berichtet mir ein Reisender, daß sich Ihr Herr Bruder in Coblenz noch ganz wohl befinde. Auch in seinem Wirkungskreise hoff ich soll ihm das Unternommene gedeihen. Grüßen Sie ihn gelegentlich zum schönsten; ob er mir auch einmal schreiben möchte?

Und so lassen Sie mich, mit den besten Grüßen an Ihre theure Frau Gemahlin, für dießmal schließen und mich unterzeichnen

treulichst verbunden

Weimar den 7. Januar 1820.

J. W. v. Goethe [139]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Johann Friedrich Heinrich Schlosser. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7F26-5