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An Johanna Schlosser, geb. Fahlmer

[Concept.]

Die Ankunft deines Sohnes in Jena, liebe Freundin, hat mich um so mehr in die vorigen Zeiten versetzt, als er mit seinen Vettern zu mir kam und dadurch einen Familienkreis darstellte. Es ist recht wundervoll wie die jungen Leute mehr oder weniger ihren Vätern gleichen und untereinander Familienähnlichkeit haben. Da sich nun auch zwey Söhne von Voß dazu schlugen, so machen sie zusammen eine kleine Colonie aus, welcher es an Ernst sich auszubilden nicht zu fehlen scheint. Man sieht sie hier weder in der Comödie, noch bey sonstigen Lustbarkeiten und ich habe sie bisher immer nur in Jena gesprochen, ich werde von Zeit zu Zeit nach ihnen sehen und ihre Fortschritte beurtheilen.

Übrigens geht es jetzt in wissenschaftlichen Dingen so rasch und sonderbar zu, daß man von einer Seite die Jugend glücklich preisen muß, indem sie unglaubliche Vortheile genießt, von der andern Seite aber zu fürchten hat, daß sie sich eben dieser Vortheile unmäßig und zu ihrem Schaden bediene. Vielleicht [283] kann ich, gerade in der Lage in der ich mich befinde, theils selbst, theils durch Freunde, auf diese jungen Leute etwas gutes wirken.

Es war ungeschickt vom Zufall daß er uns in Göttingen nicht zusammenbrachte. Da er sich so manchen abgeschmackten Spas macht, so hätte er uns wohl auch diesen artigen machen können. Ich erfuhr nicht ohne Verdruß daß wir uns um so weniges verfehlt hatten.

Von Jacobi, der nun in Paris seyn wird, hatte ich einen Brief von Aachen. Er ist leider mit seiner Gesundheit sehr unzufrieden. Gestern habe ich ihm wieder geschrieben, auch deiner dabey gedacht.

Mich freut es herzlich daß du, von deinen Kindern und Enkeln, den Dank für deine Sorgfalt so rein und reichlich genießest. Grüße sie alle und gedenke auch mein.

Auch ich habe Ursach mit meinem Schicksal zufrieden zu seyn, das mich durch manche gefährliche Zustände, denen meine Natur unterworfen war, glücklich hindurch geführt und auf den Beinen erhalten hat.

Nochmals ein Lebewohl.

Weimar am 24. Nov. 1801.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1801. An Johanna Schlosser, geb. Fahlmer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7C3C-2