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An Sophie von La Roche

Könnt ich Ihnen liebe Mama recht viel guts für Ihren guten Brief geben. Was ich habe geb ich gern. Den Dechant hab ich die Zeit nicht gesehen. Ich war in Maynz! Dahin nachgereist Wielands Prinzen, das ein treflicher Mensch ist. Ich hab von da aus Wielanden geschrieben, es fiel mir so ein, hab auch eine Antwort, wie ich sie vorfühlte. Das ist was verfluchtes dass ich anfange mich mit niemand mehr misszuverstehn. Ein Missverständniss zwischen der Serviere und der Kleinen nichts als Missverständniss, und so ein Ding reisst fort wie eine gefallne Masche in einem Strumpf, man hätts im Anfang mit Einer Nadel fangen können. Nächsten Conzert Abend will ich die Kleine vornehmen, heut war ich bey der alten [217] Baase, die recht gut ist. So gehts in der Welt, und ich bin trefflich solche Sachen einzugleichen. Wenn ich auch Hrn. v. Hohenfeld zu Nüzze in der Welt seyn kann ist mirs grose Freude, ich wünsch ihm zu seinem Griechischem Glück. Er wird sich künftig die Mühe dancken die er sich gegeben hat.

Heut krieg ich ein Exemplar Werther zurück, das ich umgeliehen hatte, das von einem wieder an andre war gegeben worden und siehe, vorn auf das weisse Blat ist geschrieben: Tais Toi Jean Jaques ils ne te comprendront point! – Das that auf mich die sonderbarste Würckung weil diese Stelle im Emil mir immer sehr merckwürdig war.

Meine Klettenberg ist todt. Todt eh ich eine Ahndung einer gefährlichen Kranckheit von ihr hatte. Gestorben begraben in meiner Abwesenheit, die mir so lieb! so viel war. Mama das picht die Kerls, und lehrt sie die Köpfe strack halten – Für mich – noch ein wenig will ich bleiben –

Kommen Sie nur, mein Sessel wartet Ihrer, der Zeugniss ist zwischen mir und Ihnen dass wir guten Muth haben wollen. Sie haben nun wohl den Almanach für die Max gekriegt und ihr ihn auch zurückgesendet.

Reich's Brief ist gut. 1 Carolin für den gedruckten Bogen könnt er wohl buchhändlerisch geben. Ich mag gar nicht daran dencken was man für seine Sachen kriegt. Und doch sind die Buchhändler vielleicht auch [218] nicht in Schuld. Mir hat meine Autorschafft die Suppen noch nicht fett gemacht, und wirds und solls auch nicht thun.

Zu einer Zeit da sich so ein groses Publikum mit Berlichingen beschäfftigte, und ich soviel Lob und Zufriedenheit von allen Enden einnahm, sah ich mich genötigt Geld zu borgen, um das Papier zu bezahlen, worauf ich ihn hatte drucken lassen.

Mich freut dass Lulu glücklich durch den gefährlichen Pass ist, ich wusst es von der Max, und wars mir halb bange. Die hiesige gelehrte Zeitung ist manchmal gut, aber durchgehends weder für Herz noch Geist eines Manns wie Hr. v. Hohenfeld. Adieu Mama. Bey Tags Anbruch nach der längsten Nacht. [Frankfurt, 23. December] 1774.

G.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1774. An Sophie von La Roche. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7BA6-9