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An Christian Gottlob Voigt

Beyliegendes räsonnirendes Verzeichniß der geognostischen Sammlung des Herrn Bergrath Voigt zu Ilmenau muß jeden interessiren, der diese Gegenstände liebt und sie theils wissenschaftlich, theils historisch zu studiren denkt.

Mir ist gar wohl bekannt, daß das ganze Leben dieses braven Mannes gleichsam in dieser Sammlung enthalten ist. Seine Reisen in Geschäften, seine Excursionen um der Wissenschaft willen, gaben ihm Gelegenheit so viele wichtige Stücke zusammenzubringen. Seine Beharrlichkeit, der Wissenschaft auf seine Weise nützlich zu seyn, veranlaßte die Methode, [163] nach welcher die Gegenstände aufgeführt sind, so daß man von der Einen Seite Sammlung als ein treues Bild der Natur und von der Andren als ein Document der Meinungen und Ansichten in gewissen Epochen betrachten kann.

Der Besitzer hat bey famosen Streite zwischen Vulcanisten und Neptunisten bey jener Partey unverrückt Stand gehalten und wird in der Geschichte der Geognosie, sowohl wegen des Characters den er bewiesen, eine bedeutende Rolle spielen, als auch von ihr desto mehr begünstigt werden, je mehr es ihn selbst freuen muß noch zu erleben, daß den übermächtigen Neptunisten nach und nach manche ihrer Besitzungen wenigstens einzeln entrissen werden.

Er wünscht diese Sammlung an irgend ein öffentliches Institut abzulassen und das mit so größerm Fug und Recht, als sie in der Folge bey Particuliers, denen doch meistens der Raum abgeht, nicht gut aufzuheben seyn möchte, und weil sie wirklich verdient, öffentlich und unverrückt aus den oben schon angeführten Ursachen aufbewahrt zu werden.

Daß bey der allgemein herrschenden Meinung die Rubrik, Vulcanische Gebirgsarten, unter welcher manches enthalten ist, was die herrschende Lehre keineswegs darunter begreifen möchte, daß diese Rubrik und Abtheilung, sag' ich, bey manchen sonst braven Männern der Sammlung eher schaden als nutzen wird, sieht der Besitzer selbst ein, und ich habe [164] nach der Kenntniß der wissenschaftlichen Welt, die jedesmal nach den neuesten Entdeckungen und Meinungen alles sogleich umrangiren möchte, selbst keinen Zweifel dran.

Dabey aber gestehe ich gern, daß mir dadurch die Sammlung um desto lieber wird, weil man dadurch Gelegenheit bekommt, eine von dem Augenblick nicht begünstigte Methode vor Augen zu sehen. Haben doch die Franzosen, bey einer ihrer mannigfaltigen Anstalten, den guten Gedanken gehabt, die Mineralien einmal nach der Wernerischen, das anderemal nach der Hauyschen Methode geordnet, neben einander aufzustellen.

Gedachte Sammlung kann noch aus einem andern Gesichtspuncte angesehen werden. Sie enthält nicht allein, wie oben bemerkt worden, die Geschichte der eigenen Lebensthätigkeit des Besitzers, sondern auch zugleich einen höchst schätzbaren Beytrag zur Geschichte dessen, was unter Durchlaucht des Herzogs Regierung in diesem Fache gewirkt, unternommen, ausgeführt, angeregt und vorbereitet worden, und wie diese hier begonnene Thätigkeit theils nach innen, theils nach außen sehr weit in die Ferne gewirkt.

Mein Wunsch wäre daher, daß man mit dem Besitzer in Unterhandlung träte. Die Summe die er dafür in verlangt. ist billig und würde, wenn er sie in Terminen bezahlt nähme, von dem Überschuß unserer Museums-Casse, in einigen Jahren gar wohl abzutragen[165] seyn. Sind Ew. Excellenz über das Ob mit mir einverstanden, so will ich die Sache weiter vorbereiten und über die nähern Bedingungen, den Transport nach Jena und die Aufstellung daselbst, meine Gedanken nächstens umständlicher eröffnen.

Weimar den 10. Januar 1810.

Goethe.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1810. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7718-9