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An Philipp Seidel

Rom d. 13. Dec. 86.

Ich habe dir schon neulich geschrieben, daß ich bald nach meiner Ankunft hier erkannt worden, indeß blieb diese Entdeckung erst in einem kleinen Zirkel und wie sie sich ausbreitete, sagte man sich zugleich daß ich unerkannt seyn wollte.

[86] Ich ging also meines Wegs fort, ward von niemand gehindert, fand viele Menschen, die mir die Betrachtung der Merckwürdigkeiten erleichterten und nützlich machten, ohne daß mich jemand mit meinem ich, noch mit dem seinigen incommodirte. So hab ich nun Rom in kurzer Zeit gesehen und kenne es zur Noth. Denn es gehören Jahre dazu, um sich hier ganz zur Kenntniß des Höchsten der Künste auszubilden. Ich habe für diesmal meine Absicht erreicht, und einen Grund gelegt, auf den man weiter fortbauen kann wie es Gelegenheit und Kräffte erlauben.

Meinen Freunden hab ich auch geschrieben, es kann und braucht weiter kein Geheimniß zu seyn.

Du gehst zu den Hrn. Geh. Räthen und machst von hier aus meine beste Empfehlungen und empfiehlst mich ihrem Andencken. Ein gleiches kannst du bey Hrn. und Fr. v. Wedel und bey den Hofdamen thun. Fällt dir sonst noch jemand ein, so thu das Gleiche ich gebe dir Vollmacht; wo du es schicklich und artig hälst, so gebe ich dir Vollmacht. Schreibe mir nur nachher, wen du gegrüßt hast. Z. E. Hrn. Geheimen Cammer Rath Gülicke. Dem Herrn Hofrath Voigt dancke für seine gute Nachrichten und daß er mich von seiner Seite so ausser Sorgen setzt. Bachmann, Löschner, Seeger, Brunquell grüße auch, und wenn von meinem Aussenbleiben die Rede ist kannst du im allgemeinen mercken lassen, ich würde wohl einmal eben auch unvermuthet wieder kommen.

[87] Schreibe mir doch wie viel das Kästgen Steine, das Tischbein geschickt, gewogen, und wieviel es gekostet, daß wir uns wegen der Fracht andrer Sachen darnach richten können.

Schicke und schreibe nur immer fort bis in den halben März, damit dein letzter Brief vor Ostern hier sey. Die Feyerlichkeiten der Charwoche warte ich noch hier ab und dann rücke ich wieder nordwärts, wenn man von so entfernten Dingen reden darf. Gleich nach dem neuen Jahre geh ich nach Neapel. Briefe werden mir nachgeschicket.

Lebe wohl. Grüße Fritzen und Ernsten wenn er lebt, auch meine Leute und lebe wohl und vergnügt. So viel sag ich dir nur noch von Rom, daß man sich gar keinen Begriff davon machen kann, ohne es gesehn zu haben, und daß ein wohl unterrichteter Ankömmling wieder ganz in die Schule zurückkehren muß. Es ist hier herrliches Wetter.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1786 [2]. An Philipp Seidel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-76B0-C