39/200.

An Johann Carl Ludwig Schorn

Euer Wohlgeboren

haben den Weimarischen Kunstfreunden durch die reichhaltige Sendung ein großes Vergnügen gemacht; sie fanden sich in vergangene Zeit zurück versetzt, wo sie alle Jahre an solchen Vergleichungen sich ergötzend und belehrend zugleich die mitlebenden Talente kennen lernten und an der Betrachtung sich selbst zu bilden Gelegenheit fanden.

Die überschickten Zeichnungen werden die Stuttgarter Kunstfreunde ebenso wie wir beurtheilen; die fünf ersten sind wohlgemeinte Versuche, bleiben aber hinter der Aufgabe zurück, der sechste Leyboldische[221] freylich geht auf eine bewundernswürdige Weise über den Text hinaus, behandelt das Gedicht als mythologischen Urstoff, verwirft was dem bildenden Künstler nicht gemäß ist, fast alles Brauchbare theils real, theils symgbolisch, weislich auf und bringt dennoch ein selbstständiges Werk hervor.

Daß nun deshalb Herrn Leybold der Preis zukomme ist wohl keine Frage; sollte man sich aber öffentlich über die sämmtlichen Bilder erklären, so würde es insofern eine bedenkliche Sache seyn, als man billigermaßen den guten Willen der ersteren Künstler und ihr Verdienst herauszusetzen hätte, wenn man ihnen auch das Gelingen durchaus absprechen müßte.

Über das treffliche Leybold'sche Bild wäre auch schwer etwas zu sagen; er hat für die Augen gedichtet, wer will ihm mit Worten nachkommen? es müßte erst vor dem Publicum vervielfältigt daliegen; alsdann könnte man wohl auf dessen hohes Verdienst, wenn es im allgemeinen anerkannt wäre, noch im besonderen die Aufmerksamkeit leiten.

Welche Technik sich aber eigene das Original in mäßigem Format, nach Würden wieder zu geben, ist auch schwer zu bestimmen; man mag sich's in Kupferstich, schwarzer Kunst, Aquatinta und Steindruck denken, immer bleibt etwas zu wünschen übrig; doch würde hierüber der Künstler vor allen zu hören seyn.

[222] Soviel für jetzt, indem wir das Weitere zu überlegen und vorläufig zu entwerfen so geneigt sind als für Pflicht halten. Theilen Sie hierüber Ihre Gedanken gelegentlich mit und vermelden Herrn von Cotta wie auch dem werthen Künstler meine dankbar anerkennende Theilnahme.

ergebenst

Weimar den 14. Juni 1825.

J. W. v. Goethe.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1825. An Johann Carl Ludwig Schorn. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-74F2-4