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An die medicinische Facultätder Universität Jena

[7. December 1825.]

Eine verehrliche medicinische Facultät vermehrt auf die angenehmste Weise die höchst erfreulichen Empfindungen, die am siebenten November gar mannichfaltig in meinem Innersten erregt worden.

Die Ehre die Sie mir erweise, einigermaßen verdient zu haben, beruhigt mich bey dem unerwarteten freundlichen Zeugniß. Denn ich darf mir schmeicheln, in den Vorhöfen, welche zu der ärztlichen Kunst [158] führen, nicht müßig gewesen zu seyn, ja mich noch immer gern darin zu beschäftigen.

Ist mir nun ferner aus einem oft erneuerten krankhaften Zustande der bedeutende Vortheil hervorgegangen, daß ich mit würdigen Ärzten über meine eignen Übel und in Gefolg dessen auch über die allgemeinen Gebrechen der Menschheit in vielfachen Gesprächen mich zu belehren, veranlaßt wurde: so bin ich auch der eigentlichen Heilkunde nicht fremd geblieben.

Gelegenheit und Förderung hiezu gab der öftere Besuch mehrerer mineralischen Quellen und die erfahrungsreiche Betrachtung der Wirkung so wichtiger natürlicher Heilmittel auf den gestörten menschlichen Organismus, worüber sich zu ergehen wohl nirgends so viel Anlaß als an solcher Orten gefunden werden mag.

Daher ist es mir zur gewohnten Unterhaltung in trüben Stunden geworden, diejenigen Übel im Zusammenhange und in ihrer Allgemeinheit ruhig gefaßt, zu betrachten, welche den Menschen im Einzelnen mit Ungeduld und Mißmuth zu überwältigen pflegen.

Verzeihe die hochachtbare Facultät, wenn ich meinen gefühltesten Dank in diese Art von Vortrag kleide, wodurch ich mich selbst der mir erzeigten Ehre nicht unwerth zu erweisen suche; denn wir können uns eines solchen Zuvorkommens nur in dem Sinne wahrhaft erfreuen, als wir uns dasselbe mit einigem Bewußtseyn aneignen dürfen.

Weimar den 24. November 1825.

J. W. v. Goethe. [159]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1825. An die medicinische Facultätder Universität Jena. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-749B-A