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An den Herzog Carl August

Ew. Durchl.

zum Geburtstage aufzuwarten wird dieses Blat das Glück haben, indeß ich durch eine Nachkur in Lauchstedt zurückgehalten werde. Mögen doch alle Wünsche für Ihre Erhaltung und Zufriedenheit reichlich erfüllt werden!

Das verehrte Schreiben ist mir in Halle gar freundlich begegnet als ich von einer zwölftägigen Reise zurückkam, auf der ich, mit Geh. R. Wolf, gar [47] manches interessante erlebt hatte. Ew. Durchl. vernehmen gewiß mit gnädiger Theilnahme daß sich meine Gesundheit ganz gut gehalten und meine körperlichen Kräfte sich bey mancherley Anforderungen munter und thätig bewiesen.

In Magdeburg beschäftigte mich vorzüglich der Dom und seine Monumente, besonders die von Erz, deren drey, aus dem funfzehnten Jahrhundert, theils bedeutende theils fürtreffliche Wercke sind. Die Stadt mit ihrer Umgebung waren gleichfalls erfreuliche Gegenstände.

Zu Helmstedt ward unsre Aufmercksamkeit mehrere Tage durch Merlin-Beireis festgehalten. Seine Person erinnert an Kästner in Göttingen und Büttner in Jena. Fünf und siebzig Jahre haben ihm noch alle Munterkeit gelassen, den lebhaftesten Antheil an allen seinen Besitzungen, die eine Art von barockem Zauberkreis um ihn herschließen. Altes und neues, Kunst und Natur, werthes und unwerthes, brauchbares und unnützes hat sein unbedingter Sammelgeist an sich gezogen um es theils zu verwahren und sich daran zu ergötzen, oder auch, wie es fällt, manches verstauben, verrosten und vermodern zu lassen. Freylich hat er in so langer Zeit unschätzbare Sachen angeschafft. Unter seinen Gemälden befindet sich ein Bildniß Albrecht Dürers, von ihm selbst im 22ten Jahre gemahlt, in welchem alle Tugenden dieses Meisters jugendlich, unschuldig blühend erscheinen. Ein's der [48] interessantesten Bilder die ich kenne, wenig beschädigt, gar nicht restaurirt.

An Münzen besitzt er köstliche Griechische, besonders in Silber. Eine reiche, der Vollständigkeit sich nährende Sammlung der römischen Kaiser in Gold biß auf die letzten Zeiten. Vieles moderne in Silber und Gold worunter manches rare und kuriose. Die Lieberkühnischen anatomisch-mikroscopische Präparate sind gut erhalten; von den Vaucansonischen Maschinen nur die Ente einigermassen, sie bewegt noch Hals und Kopf, die Flügel kaum, sie frißt; aber damit sind auch ihre Künste gethan.

Unter den Naturalien sind Stücke die das Jenaische Cabinet immer noch zieren würden.

Übrigens haben wir eine Versammlung wackrer academischer Gelehrter angetroffen; auch das Ganze innerlich in einem weit bessern Zustand als man zu finden hofft. Nur die Wirckung dieser wohl dotirten und wohl eingerichteten Anstalt ist nicht sonderlich, durch ein Zusammentreffen von mancherley Ursachen.

Auf dem Wege nach Halberstadt besuchten wir einen Landrath von Hagen, der Ew. Durchl. wohl nicht unbekannt ist und der seinen Beynahmen der Tolle, bey einem guten Essen und fürtrefflichem Wein, vor uns vollkommen legitimirt hat.

In Halberstadt sahen wir den Herzog von Braunschweig, die Minister v. Schulenburg und Hardenberg wenigstens von weiten; besuchten Gleims hinterlassne [49] Schwester, die wir im Bette fanden, sahen uns im Nachlass dieses Mannes um, reflectirten über die vergangne Zeit der deutschen Litteratur und suchten wieder das Freye.

So gelangten wir an den Rosstrapp, auf den Stufenberg, nach Ballenstedt, Aschersleben und über Cönnern wieder nach Halle, wo Dr. Galls Nahme noch immer nachklingt, über dessen Leistungen ich mich bald mit Ew. Durchl. mündlich zu unterhalten hoffe, indem der Raum mich erinnert zu schließen hoffe, indem der Raum mich erinnert zu schließen und mich zu Gnaden zu empfehlen.

Lauchst. d. 28. Aug. 1805.

Goethe.


In einem Beyblatte sey mir erlaubt noch einiges nachzubringen.

Von Helmstedt aus machten wir eine Tour nach Harbke, wo wir von dem Jungen Grafen Veltheim freundlich aufgenommen wurden und die Altväter so mancher fremden Holzarten bewunderten. Ew. Durchl. kennen die schöne Anlage selbst, welche nunmehr schon der Enkel zu bearbeiten fortfährt.

Überall fanden wir die Feldfrüchte nach Beschaffenheit des Bodens fürtrefflich stehen, nur machte das unbeständige feuchte Wetter viele Sorge. Durchaus benutzte man jeden Sonnenblick um das gereiste eilig herein zu schaffen.

Dem. Jagemann wird in Berlin gewiß willkommen seyn. Sie hat durch drey Vorstellungen auch hier zu[50] Anreizung und Aufregung des durch mancherley Umstände zurückgehaltenen Publikums das ihrige redlich beygetragen.

Mich wiederholt zu Gnaden empfehlend

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1805. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7208-4