32/191.

An Carl Bernhard Preusker

[Concept.]

Daß die Handschrift des Menschen Bezug auf dessen Sinnesweise und Charakter habe und daß man daran wenigstens eine Ahnung von seiner Art zu seyn und zu handeln empfinden könne, ist wohl kein Zweifel, sowie man ja nicht allein Gestalt und Züge, sondern auch Mienen, Ton, ja Bewegung des Körpers als bedeutend, mit der ganzen Individualität übereinstimmend anerkennen muß. Jedoch möchte wohl auch hiebey mehr das Gefühl als ein klares Bewußtseyn statt finden; man dürfte sich wohl darüber im Einzelnen aussprechen, dieß aber in einem gewissen methodischen Zusammenhang zu thun möchte kaum jemand gelingen.

Indessen da ich selbst eine ansehnliche Sammlung Handschriften besitze, auch hierüber nachzudenken und mir selbst Rechenschaft zu geben oftmals Gelegenheit genommen; so scheint mir daß ein jeder, der seine Gedanken auf diese Seite wendet, wo nicht zu fremder, doch einiger Belehrung und Befriedigung einige [224] Schritte thun könne, die ihm eine Aussicht auf einen einzuschlagenden Weg eröffnen.

Da die Sache jedoch äußert complicirt ist und man selbst über die Stelle in Zweifel schwebt, wo der Ariadneische Faden, der uns durch dieses Labyrinth führen soll, anzuheften wäre? so läßt sich, ohne weit auszuholen, hierüber wenig sagen. Da mir es aber nicht unmöglich scheint, daß man dasjenige, was man bemerkt, auch andern zu einiger Aufmunterung und zu einiger Fortbemühung gar wohl überliefern könne; so gedenke ich, aufgeregt durch Ihre Anfrage, in dem nächsten Stücke von Kunst und Alterthum soviel darüber zu äußern, wie zu solchem Zweck eine Sammlung anzulegen, zu bereichern und einem zu fällenden Urtheil vorzuarbeiten sey.

Nehmen Sie einstweilen Gegenwärtiges als eine Versicherung meines Antheils auch an solchen Betrachtungen freundlich auf und fahren indessen fort mit Eifer zu sammeln. Ihren Wunsch wegen Möser und Hamann kann ich nicht erfüllen, da ich sie selbst nur einzeln besitze; von Herders Hand wird sich wohl etwas vorfinden.

Weimar den 3. April 1820.

[225]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Carl Bernhard Preusker. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7000-2