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An August Johann Georg Carl Batsch

Ew. Wohlgeb. erhalten hiermit verschiedene Copien, aus welchen Sie mit Vergnügen sehen werden in welchem Umfange unsere Wünsche durch die besondere Gnade Serenissimi erfüllt worden sind. Wir wollen diese Anstalt als einen Vorboten des Friedens ansehen und uns derselben zum Besten freuen.

Ich habe sogleich einen Aufsatz gemacht, von dem was nun zuerst zu expediren seyn möchte, sobald ich denselben Herrn Geheimerath Voigt, welcher sich auf einige Tage auswärts befindet, mitgetheilt haben werde, erhalten Sie davon eine Abschrift, um darüber Ihre Gedanken und Vorschläge zu äußern.

Ich zweifle nicht, daß gedachter mein Herr Concommissarius mit mir einverstanden seyn wird, Ihnen die Wohnung von Ostern an für ein leidliches Locarium zu überlassen. Sie können also immer darnach Ihre Arrangements treffen, und ich wünsche daß diese Veränderung zu Ihrer Gesundheit und Aufheiterung gereichen möge.

Die wenigen Capitel, welche ich in diesen Tagen in Ihren botanischen Unterhaltungen mit Aufmerksamkeit lesen können, haben mir ganz besondere Freude gemacht. Die Beschreibungen sind so bestimmt und klar, und dabey so zierlich und gefällig als man nur wünschen kann. Auch gibt die große Mannichfaltigkeit [143] der Behandlung dem Werke einen vorzüglichen Reiz. Dabey erlauben Sie mir eine Bemerckung.

Schon bey dem ersten Theile und auch bey dem jetzigen hätte ich gewünscht, an einigen Pflanzen den ganzen Gang der Metamorphose entwickelt und mit der Ihnen eigenen Deutlichkeit und Gefälligkeit vorgetragen zu sehen. Aus dem Gebrauch, den Sie hie und da von dieser Vorstellungsart machen, kann ich sehen, daß Sie solche in der Natur gegründet halten, und ich sollte denken, daß besonders Liebhaber darauf aufmerksam zu machen seyn möchten. Haben wir den Begriff einmal gefaßt, so befinden wir uns im Stande, dem Habitus etwas rationelles abzumerken und wir erleichtern dem Gedächtniß die Mühe, so viele sonderbare Formen zu behalten, indem wir das Urtheil herbeyrufen und eine Gestalt aus der andern selbst zu entwickeln wissen.

Daß Sie, wiewohl mit geziemender Gelindigkeit, der Sprengelischen Vorstellungsart Ihren Beyfall versagt, war mir sehr angenehm. Nach meiner Meynung erklärt sie eigentlich nichts; sie legt nur der Natur einen menschlichen Verstand unter und läßt diese erhabene Mutter lebendige Wesen auf eben die Art hervorbringen, wie wir Flinten fabriciren, Kugeln gießen und Pulver bereiten, um endlich einen Schuß zu erzwecken. Diese Vorstellungsart, wie alle die ihr ähnlich sind, führen uns, meines Bedünkens, von dem wahren Wege der Physiologie ab: denn wie können[144] wir die Theile eines organisirten Wesens und ihre Wirkungen entwickeln und begreifen, wenn wir es nicht als ein durch sich und um sein selbst willen bestehendes Ganze beobachten?

Wie sehr soll es mich freuen, Ihnen künftiges öfters auf Ihren Wegen zu begegnen und Ihnen auch von meinen Bemühungen von Zeit zu Zeit Rechenschaft zu geben, welche freylich nur als Incursionen in ein fremdes Gebiet angesehen werden dürfen.

Leben Sie recht wohl. Wenn es mir einigermaßen möglich ist, so komme ich noch zu Ende der Woche, um unsere Angelegenheit völlig ins Reine zu bringen, damit, bey eintretender günstiger Witterung, Sie von den Vorarbeiten nicht abgehalten werden.

W. d. 26. Febr. 1794.

G. [145]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1794. An August Johann Georg Carl Batsch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6F5D-C