1254. Der Mannagfual.

(S. Johansen S. 244. Bechstein a.a.O. S. 154.)


In der Nordsee, erzählen die nordfriesischen Seefahrer, steuert ein Riesenschiff. Sein Umfang ist ungewöhnlich groß, die Masten sind höher als alle Kirchthürme, die Taue so dick wie große Tonnen. In der Takelage sind Oeffnungen, dahinein die Matrosen zum Oeftern gehen, der Einkehr halber, um eine Stärkung zu nehmen, denn wer als junger Matrose da hinaufklettert, der kommt erst in hohen Jahren, mit grauem Haar und Bart wieder herunter. Der Kapitän reist zu Pferde auf dem Verdeck herum, um seine Befehle zu ertheilen, und ist froh, wenn er in einem Tage herumkommt. Insgemein hält es seinen Curs nur im hohen Norden im tiefsten Fahrwasser, denn sonst könnte es in der Landnähe bald aufsitzen.

[1028] Der Kapitän war aber ein rechter Ueberall, indem die Leute keinen Augenblick vor ihm sicher waren. War es irgendwo unklar, flugs war der Alte auf dem weißen Rosse da, denn was er nicht sah, das sahen die beiden Raben, die auf seinen Schultern saßen und sagten's ihm. Auf dem Mannagfual gab es Arbeit vollauf, daß die Matrosen alle Hände voll zu thun hatten. Einst steuerte es aus der spanischen See in den englischen Canal hinein, konnte aber nicht durch die Höwedens hindurchkommen, sintemal dieses Fahrwasser nicht breit genug war. Der Alte berieth sich also mit den Raben, was zu thun sei, und er hatte es bald kurz gekriegt, denn er kommandirte seine Leute auf das Verdeck und befahl ihnen, die ganze Backbordseite mit weißer Seife einzureiben, damit der Mannagfual glatt vorbeirutschen könne. Es geschah, Alles ging gut und der Mannagfual kam glücklich in die Nordsee hinein. Die weiße Seife aber und der Schaum davon blieben an den Felsen von Dover, fraßen sich ins Gestein hinein und gaben demselben bis auf den heutigen Tag eine weitschimmernde weiße Farbe. Der Mannagfual steuerte nach Nordost und kam glücklich am Jütischen Riff vorbei. Da erhob sich ein großes Ungewitter und der Mannagfual gerieth auf eine Sandbank und saß fest. Das Riesenschiff hatte aber in seiner Fahrt den lockern Sandboden dermaßen aufgewühlt, daß zu beiden Seiten Sandbänke aus dem Wasser ragten. Das Schwanken des Schiffes lockerte den Sand noch mehr und das war ein Glück, denn nun führten die Wogenberge die aufgelockerten Massen mit sich fort und das Schiff wurde wieder flott. Da schlugen die beiden Raben auf den Schultern des Alten mit den Flügeln und schrien laut vor Freude. Der Sand aber wurde an die Jütischen Küsten geworfen und daraus bildeten sich die Sanddünen von Skagenshorn bis Grimmahorna (Blaavandshuk).

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Schleswig-Holstein. 1254. Der Mannagfual. 1254. Der Mannagfual. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-5751-B