[721] 817. Die Linde zu Frauenstein.

Noch heute steht zu Frauenstein eine ungeheure Linde, aus welcher sich fünf Arme, gleich ebenso viel Stämmen ausbreiten und im Sommer eine herrliche Laube bilden. Sie verdankt ihr Entstehen einer traurigen Begebenheit. Einst wohnte hoch oben auf der Burg ein Ritter, der eine sehr schöne Tochter besaß, und diese hatte heimlich einen Liebeshandel mit einem Junker, dessen Familie aber in Fehde mit ihrem Vater lebte. Der Junker kam aber allabendlich zu dem Fuße des Berges, wo er in tiefem Waldesdunkel mit seiner Geliebten zusammentraf. Eines Tages war dies auch der Fall gewesen, allein das Mädchen war plötzlich erkrankt und begehrte dringend einen Trunk Wein. Es blieb ihm nichts übrig als die Jungfrau ins Dorf zu führen und sich hier einem der Hörigen des Burgherrn anzuvertrauen. Dieser versprach auch Verschwiegenheit, allein als der Junker mit dem Mädchen das Haus desselben verließ, da standen auch schon die Knechte des Frauensteiner Ritters vor der Thür und schleppten ihn hinauf in den Kerker des Schlosses und noch war die Sonne am andern Tage nicht untergegangen, da hatte auch schon die Erde das Blut des hingerichteten Junkers getrunken. Die Jungfrau nahm den Schleier in dem benachbarten Kloster, vor her aber ließ sie an der Stelle, wo ihr Geliebter verblutet hatte, die Linde pflanzen, unter welcher später die Herren von Lindau Gericht zu halten pflegten.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Nassau. 817. Die Linde zu Frauenstein. 817. Die Linde zu Frauenstein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-4552-B