196. Das Hummelschloß.

Unter den alten in Schutt versunkenen Burgen der Grafschaft Glatz ist die Burg Hummel, auf einem gegen 1300 Fuß hohen Berge zwischen den Städten Reinerz und Lewin, die berühmteste. Der erste Erbauer oder Besitzer derselben soll ein Böhme, ein gewisser Homole gewesen sein und von diesem die Burg ihren Namen erhalten haben. Jetzt sind allerdings nur noch wenige Trümmer derselben übrig. Ums Jahr 1635 verbreitete sich bei den Umwohnern allgemein die Sage, daß es in den Ruinen der Hummelburg spuke, man brachte die in der Nähe derselben oft theils todt, theils noch lebend, aber sehr zerkratzt gefundenen Personen auf die Rechnung des Teufels und seiner Gesellen, und Leute, die aus Lewin in die Nähe der Burgtrümmer kamen, um Pilze zu suchen, behaupteten hier öfters Bären [204] gesehen zu haben, was möglicher Weise in Thierfelle verhüllte Räuber gewesen sein könnten. Indeß gehen verschiedene Sagen von diesem Orte.

1Es soll einer der Nachkommen Homole's ein schlimmer wüster Geselle gewesen sein, der all sein Hab und Gut verpraßte. Seine tugendhafte Gattin, die ihn von seinem Treiben abmahnte, ward ihm bald zuwider und so schaffte er sie heimlich durch Meuchelmord aus der Welt. Die zahlreichen Kinder, welche sie ihm geboren hatte, wuchsen nun in Sünden auf, sie sahen nur Böses und wurden daher bald so gottlos wie ihr eigener Vater. Derselbe ward nach und nach zu einem förmlichen Wegelagerer und freute sich des Namens »Raubgraf«, den ihm die ganze Nachbarschaft beilegte. Einst sah er von den Zinnen der Burg auf der Straße drei Wagen angefahren kommen, er witterte reiche Kaufmannsgüter in ihnen, brach mit seinen Mordgesellen über sie her und führte sie, nachdem er ihre Begleiter erschlagen, ins Schloß hinauf. Kaum dort angelangt, kamen seine Kinder herbeigeeilt und Jeder beeiferte sich einen der wohl verschlossenen Kasten, welche die Wagen enthielten, aufzubrechen, um sich der darin befindlichen Werthsachen zu bemächtigen. Allein statt Gold und Silber entstiegen den Kisten geharnischte Männer mit bloßen Schwertern, zwar versuchten die Söhne und Knechte des Raubgrafen mit ihnen zu kämpfen, allein vergebens, ihre Schwerter und Speere zersplitterten wie Spreu, es waren Geister, keine Menschen, mit denen sie stritten. Plötzlich öffnete sich der Boden, Flammen kamen hervor und die Burg versank mit allen, die darin waren, noch heute aber hört man zuweilen an jener Stelle aus der Erde ein Geräusch wie das Sumsen von Hummeln, das ist das Gestöhn der versunkenen Hummelschloßbewohner.

Fußnoten

1 Poetisch erzählt von K.A. Müller, Burgen und Ritterschlösser Schlesiens. Glogau 1844, S. 109.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Schlesien und die Niederlausitz. 196. Das Hummelschloß. 196. Das Hummelschloß. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-3CCD-2