18. Des Todtengräbers Sohn.

Es war einmal ein armer Kulengräber (Todtengräber), der hatte einen einzigen Sohn mit Namen Fritz, und ist da auch ein reicher Bürgermeister gewesen, der hatte eine einzige Tochter, die hieß Karoline. Weil nun die beiden Kinder zusammen in die Schule gingen und täglich bei einander waren, auch gleiches Alter hatten, so wurden sie sich von Herzen gut. Die Jahre kamen und vergingen, die Kinder wurden groß, aber ihre Liebe blieb dieselbe. Das war aber dem Vater des Mädchens gar nicht recht, daß sie sich zu so einem armen Jungen hielt, dessen Vater nur ein Todtengräber war. Er machte dem Fritz das Leben sauer, wie und wo er nur konnte, und verbot seiner Tochter zuletzt auf das strengste, mit ihm zu verkehren und zu sprechen, sodaß die zwei sich nur zuweilen heimlich sehen konnten. Da dachte der Fritz endlich: »Ich will nun in die weite Welt gehen, ob ich nicht da mein Glück machen und Geld erwerben kann; so geht es doch nie und nimmer gut.« Und als er nun zum letzten Mal zu seiner Karoline ging, ihr Lebewohl zu sagen, fing sie bitterlich zu weinen an und gab ihm einen Ring und sagte, daß er sie doch nicht vergessen möchte, wenn er nun so weit in der Fremde wäre. »Nie und nimmer will ich dich vergessen«, hat er da gesagt; »ich gehe nun nach Spanien, das ist ein weiter, weiter Weg; darum versprich mir, daß du mir sieben Jahre lang treu bleiben willst; bin ich dann nicht zurück, so bin ich todt und komme niemals wieder«. Das haben sich die zwei fest versprochen und haben mit Weinen von einander Abschied genommen; der Fritz ist dann fortgewandert auf dem Wege, der nach Spanien geht.

Gegen Abend kam er zu einem Schlosse, drinnen wohnte ein alter Ritter mit seiner Frau, die nahmen ihn freundlich auf und gaben ihm Herberge. Er erzählte ihnen, als sie zu Tische saßen, wie es ihm so traurig ergangen sei, und daß er nun hinwollte nach Spanien, ob er da nicht sein Glück machen könne. Weil er nun so offen und treuherzig war, gewannen ihn der Ritter und seine Frau lieb, und da sie keine Kinder hatten, so behielten [38] sie ihn bei sich als ihren Sohn, gaben ihm gute Kleider und ließen ihn in allem unterrichten, was einem Rittersmann zukommt.

Über eine Zeit, so ging die Kunde, der König von Spanien, der schon alt und des Regierens müde sei, hätte eine Krone ausgehängt, wer die in vollem Jagen herunterstäche, der sollte Vizekönig von Spanien sein und des Königs Tochter zur Frau haben. Da bat Fritz seine Pflegeeltern, daß sie ihn möchten nach Spanien an des Königs Hof ziehen lassen, denn das Kronenstechen hätte er doch gar zu gerne mitgemacht. »Wer weiß, ob es dir nicht glückt,« dachte er und bat so lange, bis ihm der Ritter ein Pferd gab und ihn ziehen ließ. So ritt er denn fort auf dem Wege, der nach Spanien geht, und als er dort ankam, da hatten sich schon alle Ritter im Stechen versucht, aber keiner hatte die Krone erlangen können. So war er der letzte an der Reihe, und richtig! es gelang ihm, die Krone herunterzustechen. Da wurde er zum Vizekönig von Spanien gemacht und sollte des Königs Tochter haben.

Es waren aber zu der Zeit gerade die sieben Jahre herum, darum sprach er: »Ehe die Hochzeit ist, will ich noch einmal in meine Heimath zu meinem alten Vater reisen.« Des war der König zufrieden. So zog er denn fort in seine Heimath, und als er da ankam, war es Abend; da kehrte er in dem ersten Gasthofe ein, der des Bürgermeisters Hause gerade gegenüber lag. Dem Bürgermeister sein Haus war aber ganz hell erleuchtet und war Musik darin und wurde getanzt. Da fragte er den Wirth, was denn das zu bedeuten hätte, daß es in dem Hause da auf der andern Seite so lustig herginge. »Das kommt daher,« antwortete der Wirth, »daß unsers Bürgermeisters Tochter heute Hochzeit hält.« Da fragte er weiter, ob er es als Fremder wohl wagen könnte, auch mal hinüber auf die Hochzeit zu gehen. »Das könnt Ihr nur dreist thun,« sagte der Wirth, »so einen feinen, reichen Herrn, wie Ihr seid, wird man da gerne sehen.« So ging er denn auf die Hochzeit; aber von den Leuten, die da waren, kannte ihn keiner wieder und alle freuten sie sich, daß so ein vornehmer Herr ihnen die Ehre anthäte, bei ihnen einzusprechen. »Ist es wohl erlaubt,« fragte er da, »mit der Braut einen Tanz zu machen?« »Ei ja wohl,« sprachen alle, »das wird der Braut eine große Ehre sein.« Da ging er hin zu den Musikanten und bestellte seinen Lieblingswalzer, den er sonst mit seiner Karoline immer so gern getanzt hatte, und als er sie nun zum Tanze holte und die Musik den Walzer zu spielen anfing, wurde sie ganz still und dachte bei sich: »Es ist doch sonderbar, daß dieser fremde Herr mich gerade heute an meinen Fritz erinnern muß, der doch gewiß schon lange todt ist; nun ich seinen Lieblingswalzer spielen höre, wird mir ordentlich das Herz schwer;« aber doch erkannte sie ihn nicht. Als nun der Tanz zu Ende war und der fremde Herr wieder fortgehen wollte, drückte er der Braut ein Papier in die Hand, und als sie das aufmachte, so lag darin der [39] Ring, den sie ihrem Fritz vor sieben Jahren gegeben hatte, als sie von einander Abschied nahmen. Sowie sie aber den Ring erkannte, wurde sie ganz blaß und fiel für todt auf den Boden hin. Da nahm die Hochzeit ein trauriges Ende. Fritz aber ging zu seinem Vater und gab sich ihm zu erkennen und erzählte ihm, daß er nun Vizekönig von Spanien sei; das ist dem alten Manne eine große Freude gewesen.

Den andern Tag wurde Karoline in ihrem Sarge in das Todtengewölbe gebracht, denn sie war nicht wieder zum Leben zurückgekommen. Mittlerweile kam ein Bote von Spanien, der brachte die Nachricht an Fritz, die Königstochter wäre plötzlich gestorben und der König wollte nun die Regierung ganz abtreten; darum solle er doch schnell nach Spanien zurückkommen. Weil er aber, ehe er fortreiste, seine liebe Karoline doch noch zum letzten Male sehen wollte, so ging er mit seinem Vater, der den Schlüssel zu dem Todtengewölbe hatte, in der Nacht dahin; da lag sie still in ihrem Sarge, und als er sich nun weinend über sie beugte, um sie zu küssen, fühlte er mit einem Male, daß sie noch leise Athem holte. Da brachte er sie mit seinem Vater aus dem kalten Gewölbe ins Haus, und in der Wärme kam sie nach und nach wieder ins Leben zurück; und als sie ihren Fritz erkannte, fielen sie sich beide um den Hals und weinten vor Freude, daß sie sich nun endlich wieder hatten.

Den folgenden Tag mußte Fritz wieder fort nach Spanien; seine Karoline ließ er aber bei seinem Vater und sagte ihr, daß sie da heimlich bleiben sollte, bis er wieder käme. Es verging ein Jahr und ein Tag, da kam er zurück und veranstaltete ein großes Gastmahl, dazu ließ er auch den Bürgermeister einladen, und als sie zu Tische saßen, sagte er, er wolle ihnen mal ein Gleichnis aufgeben, darüber sollten sie ihm alle ihre Meinung sagen. »Es war mal ein Gärtner,« sprach er da, »der hatte eine wunderschöne Blume; die Blume verwelkte, und der Gärtner riß sie aus und warf sie aus seinem Garten. Nun kam des Wegs ein Mann, der fand die Blume, nahm sie mit und pflanzte sie in seinen Blumengarten, und weil er sie pflegte und wohl begoß, so wurde die Blume wieder frisch und schön wie vorher. Nun sagt! Wem kam die Blume zu? Dem Gärtner, der sie aus seinem Garten warf, oder dem Manne, der sie fand und pflegte, bis sie wieder frisch und grün geworden war?« Da sagten sie alle, daß dem die Blume gehörte, der sie gefunden und gepflegt hätte. »Nun denn,« sagte er, »so will ich Euch die Blume zeigen!« und indem so machte er die Thür auf und ließ seine Karoline hereinkommen. »Seht her! dies ist die Blume, die ich fand und pflegte und wieder ins Leben brachte, als sie verwelkt war; nun will ich sie auch behalten, so lange ich lebe.«

Da nahm er sie mit in sein Königreich und lebte glücklich mit ihr bis an sein Ende.

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TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. Märchen und Sagen. Ut ôler welt. 1. Volksmärchen. 18. Des Todtengräbers Sohn. 18. Des Todtengräbers Sohn. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-34CC-8