32. Der Soldat und das Feuerzeug.

Es zog ein abgedankter Soldat die Landstraße daher; sein Geld und seine Wegzehrung waren zu Ende; arbeiten konnte er nicht, stehlen mochte er nicht und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich mit Betteln sein Brod zu suchen. Das gefiel ihm aber auch nicht sonderlich. So kam er einst in [77] einen dichten Wald, und ganz verloren in seine trüben Gedanken, kam er vom Wege ab und verirrte sich. Da begegnete ihm ein kleines schwarzes Männchen, das fragte ihn, was ihm denn fehlte, er wäre ja so traurig? »Ach Gott,« sprach der Soldat, »wie sollt ich nicht traurig sein! Im Kriege ging es lustig her, da hatt ich Geld und Wein vollauf, aber jetzt muß ich Hunger und Durst leiden, meine Kleider sind zerrissen, mein Muth ist hin.« Das Männchen tröstete ihn und sprach: »Geh nur diesen Weg hier, so kommst du an ein verwünschtes Schloß, das wird von vielen wilden Thieren bewacht. Vor dem Schlosse liegt ein großer Stein, wenn du dich darauf setzest, so werden die Thiere fürchterlich an zu brüllen fangen, aber bleib nur ruhig sitzen bis die Glocke zwölf schlägt, da schlafen die Thiere ein. Dann geh in das Schloß hinein, da kannst du dir so viel Geld nehmen, daß du deine Lebtag genug daran hast; mit dem Schlage Eins mußt du aber zurück sein, sonst geht es dir schlecht.«

Der Soldat bedankte sich und ging auf dem Wege weiter, den das Männlein ihm gezeigt hatte. Als er nun an das Schloß kam und sich auf den großen Stein setzte, fingen alle die wilden Thiere, die das Schloß bewachten, auf einmal fürchterlich zu brüllen an, aber der Soldat kehrte sich an nichts, blieb ruhig sitzen bis um zwölf, wo die Thiere einschliefen, und ging dann in das Schloß hinein. Zuerst kam er in ein schönes Zimmer, das war ganz voll Kupfergeld und lag ein schlafender Riese dabei. Der Soldat füllte seine Taschen und wollte schon wieder fortgehen, als er noch eine zweite Thür bemerkte. Er machte sie auf und kam nun in ein zweites Zimmer, das war viel schöner als das erste, und auf dem Boden lagen große Haufen Silbergeld, lauter blanke Thaler, und ein Riese lag dabei und schnarchte. Da warf der Soldat schnell sein Kupfergeld wieder fort, steckte seine Taschen voll Silbermünze, so viel nur hineinging und dachte: »Nun hast du dein Lebelang Geld genug, nun sollst nur wieder umkehren.« Er sah aber da noch eine dritte Thür, machte sie auf und guckte hinein, und gut! daß er es gethan hatte, denn da lag lauter rothes Gold in großen Haufen und auch ein Riese dabei, aber der schnarchte und schlief ganz fest, und das Zimmer war so schön, wie der Soldat noch keins in seinem Leben gesehen hatte. Schnell warf er sein Silbergeld weg und packte nun so viel Gold ein, wie er nur tragen konnte und wollte wieder zurückgehen. Da sah er aber noch eine vierte Thür, die machte er auch auf und kam nun in das vierte und letzte Zimmer, das war schöner als das schönste Zimmer in des Königs Schlosse. Geld war da nicht, aber auf der Tafel stand Wein und Braten, der roch so schön, und die Teller, Messer und Gabeln waren von purem Golde. Da setzte sich der Soldat und pflegte seinen hungrigen Magen nach Herzenslust und trank von dem Weine so viel er nur mochte. Mittlerweile war es aber Zeit geworden, daß er wieder umkehren mußte. Nun hing an der Wand eine Pfeife und ein Tabaksbeutel und auf dem Tische [78] stand ein Feuerzeug, das steckte er auch noch alles ein, denn er war ein großer Freund vom Rauchen, und darnach so beeilte er sich, daß er aus dem Schlosse noch zu rechter Zeit wieder herauskam. Es war auch die höchste Zeit gewesen, denn kaum war er wieder bei dem großen Stein angelangt, so schlug die Glocke Eins, und die wilden Thiere erwachten und brüllten fürchterlich.

Der Soldat ging nun mit seinem vielen Gelde weiter, kam auch glücklich aus dem Walde und gelangte in die Stadt, wo der König Hof hielt. Er erkundigte sich gleich nach dem vornehmsten Gasthofe, ging hinein und verlangte Herberge und weil er so zerlumpt und schmutzig aussah, brachte ihn der Wirth in die Bedientenstube. »Das ist ja hier eine elende Wirthschaft«, sprach der Soldat; »bringt mir Wein her!« Da ging der Wirth hin und holte ein Flasche von der schlechtesten Sorte und meinte, die wäre für so einen Lump wohl gut genug; aber der Soldat, der in dem verwünschten Schlosse den köstlichen Wein getrunken hatte, wußte wohl was gut schmeckte, probte den Wein, schnitt ein Gesicht und rief: »Bah! der Wein ist ja gar nicht zu genießen! Bringt bessern her!« Der Wirth bequemte sich und holte eine Flasche von der Mittelsorte; aber der Soldat, da er ihn geprobt hatte, rief wieder: »Bah! bringt bessern her! Es koste, was es will; hier ist Geld!« Damit warf er ein paar Goldstücke auf den Tisch. Als das der Wirth sah, wurde er auf einmal ganz höflich, ging in den Keller und brachte eine Flasche vom besten. »So!« sprach der Soldat, »der läßt sich trinken. Nun gebt mir auch ein besseres Quartier, daß ich aus diesem elenden Loche komme.« Da brachte ihn der Wirth mit tiefen Bücklingen in das schönste Zimmer, das er im Hause hatte. »Jetzt, Herr Wirth!« sprach der Soldat, »bringt mir einen Juden her, daß er mir Kleider und Wagen und Pferde schafft.« Der Jude kam. »Hör mal Jude,« sprach der Soldat, »du kannst mir wohl schöne Kleider schaffen, wie sie der König trägt, auch drei Kutschen und zu jeder Kutsche sechs Pferde; sechs Schimmel, sechs schwarze und sechs Isabellen.« »Das ist recht schön!« schmunzelte der Jud; »aber hat der Herr auch Geld dazu, mit Verlaub zu fragen?« »Hier, Jude, hast du Geld,« sprach der Soldat, griff in die Tasche und warf ein paar Hände voll Goldstücke auf den Tisch. Der Jude strich das Geld schmunzelnd ein und ging unter tiefen Bücklingen zur Thür hinaus. Er hatte auch bald alles aufs beste besorgt, wie es der Soldat gewünscht hatte. Der lebte nun alle Tage in Saus und Braus, und jeden Mittag, wenn er gegessen hatte, fuhr er in seiner Kutsche durch die Stadt und vor des Königs Schlosse vorbei.

Es hatte der König aber drei Töchter, die sahen von ihrem Fenster aus, wie der Soldat in seinem prächtigen Kleide und in seiner schönen Kutsche da jeden Tag vorbei fuhr. Da sprach die älteste: »Das ist gewiß ein reicher Prinz, den will ich mal zu Gaste bitten.« Sie schickte ihren Diener nach dem Gasthofe und ließ den Soldaten zu sich einladen. Er kam auch und brachte eine ganze Tasche voll Goldstücke mit. Nach dem Essen wurde [79] Karten gespielt; der Soldat spielte aber so unglücklich, daß er all sein Geld verlor, was er mitgebracht hatte. Den andern Abend ließ ihn die zweite Prinzessin einladen; da erging es ihm auch so unglücklich beim Spiele, daß er wieder sein mitgenommenes Geld verspielte, und das war sein letztes. Den dritten Abend wurde er zu der jüngsten und schönsten Prinzessin eingeladen, und weil er da für sein Leben gern hinging, sein Geld aber zu Ende war, so verkaufte er Wagen und Pferde und bekam eine hübsche Summe dafür. Damit ging er zu der Prinzessin. Nach dem Essen wurde wieder Karten gespielt, und wieder verlor der Soldat alles Geld, das er mitgebracht hatte. Nun war er so arm, wie er gewesen war, da er seinen Abschied kriegte und bettelnd durch die Welt zog.

Ganz mißmuthig und zerzweifelt ging er in seinen Gasthof zurück und legte sich zu Bett. Er konnte kein Auge zuthun und wälzte sich voll Unruhe von einer Seite auf die andere. Endlich, weil ers im Bette gar nicht aushalten konnte, stand er auf und ging im Zimmer auf und ab. Da fiel ihm mit einem Male die Pfeife und das Feuerzeug ein, das er mit aus dem verwünschten Schlosse gebracht hatte, und weil ihm seine trüben Gedanken gar keine Ruhe ließen, so dachte er zu seiner Zerstreuung eine Pfeife zu rauchen, nahm das Feuerzeug und pinkte, daß die Funken flogen. So wie er aber den ersten Schlag that, stand plötzlich ein allmächtig großer Riese vor ihm, der war einer von den dreien, die in dem verwünschten Schlosse das Geld bewachten. »Was befiehlt der Herr?« fragte der Riese. »Bringe mir einen Sack voll Geld!« sprach der Soldat. Kaum hatte er das Wort gesagt, so war der Riese auch schon wieder fort, und kam bald zurück und schleppte einen großen Maltersack voll Geld herein. »So!« sprach der Soldat; »nun hole mir auch die jüngste Prinzessin her.« Der Riese lief fort und brachte die Prinzessin mit sammt der Bettstelle. Nachdem nun der Soldat die Prinzessin tüchtig abgeküßt hatte, mußte sie der Riese wieder forttragen.

Den andern Morgen sprach die Prinzessin zu ihrer Mutter: »Ach liebe Mutter, diese Nacht wars mir doch gerade, als hätte mich ein Riese mit der Bettstelle zu einem schönen Prinzen getragen und der hätte mich geküßt.« »Liebes Kind«, sprach die Mutter, »das sind Träume, denke nicht mehr daran.«

In der folgenden Nacht nahm der Soldat wieder sein Feuerzeug und schlug Feuer. Sogleich erschien der Riese und fragte: »Was befiehlt der Herr?« »Hole mir die Prinzessin her«, sprach der Soldat. Der Riese lief fort und brachte sie mit sammt der Bettstelle. Nachdem nun der Soldat die schöne Prinzessin wieder tüchtig abgeküßt hatte, mußte sie der Riese wieder forttragen.

Den andern Morgen sprach die Prinzessin zu ihrer Mutter: »Ach liebe Mutter, diese Nacht war mir's doch grade so wieder wie vorige Nacht; ein Riese trug mich zu dem schönen Prinzen und der hat mich geküßt.« »Liebes Kind«, sprach die Mutter, »das sind Träume; denke nicht mehr daran.« Es [80] kam der Königin aber doch sonderbar vor, daß das Mädchen zwei Nächte hinter einander immer denselben Traum gehabt hatte, und weil sie gern gewußt hätte, ob etwas Wahres daran sei, so nähte sie einen Beutel, füllte ihn mit Erbsen, schnitt ein kleines Loch hinein, daß die Erbsen allmählich herauslaufen könnten, und hängte ihn an der Prinzessin ihr Bett. In der Nacht kam der Riese auch richtig wieder an; während er aber die Prinzessin forttrug, fielen, ohne daß er etwas merkte, die Erbsen nach und nach aus dem Beutel heraus auf den Boden den ganzen Weg entlang, und als nun die Königin am andern Morgen nachsah, merkte sie wohl, daß ihres Töchterleins Träume nicht ohne Grund waren. Die ausgestreuten Erbsen verriethen ihr den Weg, den der Riese gegangen war, nach dem Gasthause bis vor des Soldaten Zimmerthür. Da nahm sie den Wirth heimlich beiseite und befragte ihn, wes Standes und Herkommens der Gast wäre, der da bei ihm im Hause wohnte. Der Wirth sprach, er wüßte es selber nicht so recht, aber es müßte wohl ein abgedankter Soldat sein, der plötzlich zu vielem Gelde gekommen sei; als er angekommen, hätte er eine alte schmutzige Soldatenuniform getragen. Da lief die Königin schnell hin und holte die Wache, die nahm den Soldaten, ehe er sich's versah, gefangen und brachte ihn in einen festgemauerten Gefängnißthurm. Der König, da er die Sache erfuhr, verurtheilte den Soldaten zum Tode.

Nun hätte sich der Soldat leicht befreien können, wenn er nur sein Feuerzeug gehabt hätte, das hatte er aber in der Eile in seinem Gasthofe liegen lassen. Den andern Tag sollte er hingerichtet werden. Da saß er nun schon des Morgens ganz früh, da eben der Tag anbrach, ganz traurig vor dem Gefängnißgitter, und wie er so auf die Straße hinaussah, ging da gerade seines Wirthes Dienstmagd vorbei und hatte Milch geholt. Da rief er das Mädchen an und versprach ihr viel Geld, wenn sie ihm sein Feuerzeug holen wollte, das er auf seinem Zimmer vergessen hätte. Das Mädchen lief auch schnell hin und brachte es ihm. Da schlug der Soldat Feuer und sogleich stand der Riese vor ihm und fragte: »Was befiehlt der Herr?« »Befreie mich aus diesem Gefängnisse«, sprach der Soldat. Da lief der Riese fort und holte seine beiden Kameraden, und nun brachen sie die Mauer entzwei, daß der Soldat glücklich in Freiheit kam. Als das geschehen war, sprachen die Riesen: »Wir haben dir nun so viele Dienste geleistet, daß du uns auch wohl den Gefallen thun kannst, uns zu erlösen. In dem verwünschten Schlosse hängt in dem ersten Zimmer ein Schwert an der Wand, damit mußt du uns und den wilden Thieren die Köpfe abschlagen, dann hört die Verwünschung auf.« »Ja,« sagte der Soldat, »so schwer es mir auch wird, an euch meinen Wohlthätern so zu handeln, wenn es nicht anders sein kann, will ich es doch gerne thun. Nur müßt ihr mir aber noch zu guter Letzt die jüngste Prinzessin holen, denn ohne die kann ich nicht leben.« Da liefen die Riesen fort und brachten sie ihm. Der Soldat nahm sie nun mit nach dem verwünschten [81] Schlosse. Dort setzte er sich wieder auf den großen Stein bis die Glocke zwölf schlug, ging dann in das Schloß, fand das Schwert und hieb damit den Riesen und den wilden Thieren, die das Schloß bewachten, die Köpfe ab. Da ertönte auf einmal die schönste Musik und entstand ein Gewühl fröhlicher Menschen, die huldigten dem Soldaten als ihrem König. Der Soldat aber hielt bald darnach Hochzeit mit seiner schönen Prinzessin.

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TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. Märchen und Sagen. Ut ôler welt. 1. Volksmärchen. 32. Der Soldat und das Feuerzeug. 32. Der Soldat und das Feuerzeug. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-168C-6